Quallen-Protein (er)leuchtet Molekularbiologen
Nicht nur Glühwürmchen können aus Stoffwechselenergie Licht erzeugen. Auch manche Quallen- und Fischarten haben unabhängig voneinander die Fähigkeit zur Biolumineszenz entwickelt sehr zur Freude der Molekularbiologen, in deren Labors insbesondere das charakteristische grüne Leuchten der Qualle Aequorea vietoria in letzter Zeit immer häufiger erstrahlt.
Das Lumineszenz-System dieser Tiere ist deshalb so nützlich, weil darin die Aufnahme des chemischen Signals und die Abgabe des grünen Lichts voneinander getrennt sind. Den ersten Schritt bewerkstelligt ein Protein namens Aequorin, das auf ein durch Calcium-Ionen übertragenes Signal hin blaues Licht aussendet. Diese Strahlung wird dann von einem zweiten Protein absorbiert und im grünen Spektralbereich reemittiert. Das grünfluoreszierende Protein (GFP) benötigt dafür keinerlei zusätzliche Energiequelle oder sonstige Hilfsstoffe. Es funktioniert deshalb auch außerhalb der Qualle – sogar dann, wenn es auf gentechnischem Wege in anderen Zellen hergestellt wurde und nie eine Ae. victoria von innen gesehen hat.
Aus dieser bemerkenswerten Eigenschaft ergibt sich eine Anwendungsmöglichkeit, die vor gut einem Jahr vorgeschlagen wurde ("Science", Band 263, Seite 802, 11. Februar 1994) und inzwischen in zahlreichen Labors praktiziert wird. Will man ein Gen in einen anderen Organismus einschleusen so daß dieser das darin codierte Protein herstellt, so kann man es einfach mit dem Gen für GFP (das mittlerweile sogar schon käuflich zu erwerben ist) als Sonde koppeln. Nach der Übertragung muß man die Agarplatten mit den kultivierten Zellen nur unter eine Ultraviolett-Lampe halten, die in jedem molekularbiologischen Labor vorhanden ist. Wenn die Zellen grün leuchten, war der Gentransfer erfolgreich (Bild 1). Bei manchen der länger etablierten Verfahren benutzt man zwar auch Lichtreaktionen, etwa das Leuchtprotein der Glühwürmchen namens Luciferase ("Science" Band 267, Seite 1161, 24. Februar 1995). Dabei müssen aber stets zusätzliche Substanzen durch die Zellmembran zugeführt werden, was die Anwendbarkeit einschränkt.
Der für die grüne Fluoreszenz verantwortliche Molekülteil (das Chromophor) wird in einer Abfolge von nur drei Aminosäuren vermutet, zwischen denen sich durch eine ungewöhnliche chemische Umsetzung das normalerweise lineare Rückgrat der Aminosäurekette zu einem fünfgliedrigen Ring schließt (Bild 2). Da die Fluoreszenz auch auftritt, wenn das Protein in Fremdorganismen exprimiert wurde, müssen die beim Ringschluß ablaufenden Reaktionen von dem Protein selbst katalysiert werden. Allenfalls können Substanzen mitwirken, die in allen Zellen vorhanden sind (wie energieliefernde Nucleotide oder Aminosäuren).
Um GFP noch vielseitiger und nützlicher zu machen, haben verschiedene Arbeitsgruppen durch Mutation vor allem der Aminosäuren in der Umgebung des Chromophors versucht, seine spektroskopischen Eigenschaften zu verändern. Zum Beispiel ist das natürliche Protein im Licht nur begrenzte Zeit haltbar. Insbesondere wird ihm die energiereiche Strahlung im nahen Ultraviolett, die es besonders wirksam absorbiert und in Fluoreszenzlicht umwandelt, auf die Dauer zum Verhängnis. Durch ein modifiziertes Anregungsspektrum ließe sich deshalb seine Stabilität verbessern.
Erste Erfolge bei diesen Bemühungen konnten jetzt zwei kalifornische Teams vermelden. Douglas C. Youvan und seine Mitarbeiter am Palo-Alto-Institut für molekulare Medizin erzeugten Varianten des Proteins, deren Anregungswellenlänge nach Rot verschoben ist ("Biotechnology", Band 13, Seite 151, 1995). Auch die Gruppe von Roger Tsien an der Universität von Kalifornien in San Diego fand Mutanten, die bevorzugt von langwelligerem Licht angeregt werden ("Nature", Band 373, Seite 663, 23. Februar 1995). Außerdem konnte sie zeigen, daß sich die Farbe des emittierten Lichtes ebenfalls verschieben läßt, etwa von grün nach blau ("Proceedings of the National Academy of Science of the USA", Band 91, Seite 12501).
Diese Varianten des GFP ermöglichen es, die Expression mehrerer transferierter Gene gleichzeitig zu messen. Dazu bedarf es nur eines einfachen Fluoreszenz-Spektrometers, das verschiedene Anregungs- und Abstrahlungs-Wellenlängen nacheinander abfragen kann. Sind die Leuchtmarker einmal mit den interessierenden Genen gekoppelt, läßt sich selbstverständlich auch die Wirkung von Arzneimitteln, Hormonen oder Giftstoffen auf deren Aktivität untersuchen. Weil die GFP-Fluoreszenz die Fixierung mit Formaldehyd übersteht, ist die Methode bei derart präpariertem Gewebe- oder Zellmaterial ebenfalls anwendbar. Und schließlich könnte man die Energieaufnahme bei der Absorption des blauen Lichts durch GFP dazu benutzen, diejenigen Zellen, in denen das mit GFP gekoppelte Gen aktiv ist, mit einem Laserstrahl der entsprechenden Wellenlänge selektiv abzutöten.
Besonders bemerkenswert ist, daß diese noch kaum überschaubare Fülle von Anwendungsmöglichkeiten aus Untersuchungen hervorging, die ursprünglich als reine Grundlagenforschung der Frage nachgingen, wie eine Qualle es fertigbringt, grün zu leuchten.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1995, Seite 30
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben