Editorial: Revolutionen aller Art
Seit Jahren fahre ich meist mit dem Fahrrad zur Arbeit, sofern die Wetterverhältnisse nicht allzu wüst sind. Aber als letztes Jahr Verlag und Redaktion umzogen, hatte dies für mich einen bedauerlichen Nebeneffekt: Mein Anfahrtsweg wurde fast doppelt so lang. Das machte das Strampeln auf die Dauer dann doch etwas mühsam; ich war halt noch nie ein großer Sportler. Trotzdem: Radfahren ist eine wunderbare Art, sich fortzubewegen – und obendrein die energetisch effizienteste, die der Mensch je entwickelt hat. Mit ihr setzen wir rund ein Viertel der mit unserem Stoffwechsel erzeugten Energie in eine mechanische Form um, die uns vorwärtsbringt. Dieser Wirkungsgrad liegt wesentlich höher als etwa beim Gehen oder Laufen. Weitere faszinierende Details zu den physikalischen Besonderheiten des Radfahrens finden Sie ab S. 74 in einer Spezialausgabe unserer beliebten Rubrik "Schlichting!" anlässlich des 200. Geburtstags des Zweirads in diesem Jahr.
Wir erahnen heute kaum mehr, welche Revolution das Laufrad des Karl Drais 1817 darstellte. Unter anderem baute der Erfinder deshalb keine Pedale ein, weil es seinen Zeitgenossen schon unheimlich genug vorkam, auf dem schmalen Gefährt mit nur zwei Rädern zu balancieren. Dann auch noch die Füße vom Boden zu nehmen, wäre eine zu große Zumutung gewesen (S. 62)!
Eine Revolution ganz anderer Art dürfte uns bald in der Medizin bevorstehen. Eigentlich wollen die beteiligen Forscher nur eine verbreitete Form von Unfruchtbarkeit bei Männern heilen. Aber da sie dazu die DNA in Spermienzellen verändern werden, führt das Verfahren sozusagen über die Hintertür die ethisch höchst umstrittene Keimbahntherapie ein, bei der künstlich eingebrachte Mutationen an alle nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Damit würde das menschliche Erbgut dauerhaft modifiziert. Inzwischen ist dazu eine Debatte zwischen Forschern, Juristen und Ethikern angelaufen (S. 40).
Mein Radfahrproblem habe ich übrigens dank einer kleinen privaten Revolution gelöst: Mit einem E-Bike lässt sich die längere Anfahrtsstrecke problemlos bewältigen.
Herzlich, Ihr
Hartwig Hanser
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