Historische Linguistik: Sprachenvielfalt der Anden
Sie kannten weder Eisen noch Räder, weder Pferde noch Zugtiere, weder Märkte noch Geld. Und dennoch eroberten die Inka ein Reich, das von Ecuador bis Argentinien reichte und so unterschiedliche Naturräume umfasste wie Nebelwälder, Küstenwüsten, Hochebenen und die von Gletschern bedeckte Gebirgskette der Anden. Es bildete den krönenden Abschluss einer Jahrtausende dauernden Geschichte, in der Kulturen aufkamen und wieder vergingen, manche nur regional bedeutsam, andere wie die der Chavín oder der Wari hingegen weithin ausstrahlend.
Diese Entwicklung versuchen Forscher diverser Disziplinen zu rekonstruieren: Archäologen studieren die materiellen Hinterlassenschaften der vergangenen Völker; Paläoklimaforscher analysieren Seesedimente und Gletschereis; Archäobotaniker und -zoologen gehen den Pflanzen und Tieren der Vergangenheit nach; Chemiker verfolgen Wanderungsbewegungen anhand von Isotopenanalysen menschlicher Überreste; Molekularbiologen vergleichen antike Gensequenzen mit denen heutiger Bewohner. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Kulturen voneinander abgrenzen und Entwicklungsphasen der Andengeschichte zuordnen, auch die gegenseitigen Einflussnahmen, die Eroberungen und Migrationsbewegungen werden so fassbar.
Eine weitere Informationsquelle wird dagegen noch wenig beachtet: die Sprachen. Denn sie erschienen Altamerikanisten lange nur mäßig interessant. So wie das Römische Reich die lateinische Sprache verbreitet hatte, sollten alle Varianten des Quechua auf die in der Inka-Hauptstadt Cuzco gesprochene zurückgehen. Das heutzutage rund um den Titicacasee gebräuchliche Aymara galt als Sprache der dort lange vor den Inka herrschenden Tiwanaku-Kultur. Puquina und Uru, Ersteres heute ausgestorben, Letzteres auf ein paar Dörfer beschränkt, wurde wenig Bedeutung beigemessen. Erst in den letzten Jahren konnten Linguisten die Aufmerksamkeit von Archäologen und Genetikern für ihren Forschungsgegenstand wecken. ...
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