PHYSIK: Unerklärliche Myonenschwemme
In der kosmischen Strahlung treten hin und wieder Teilchen auf, die zigmillionenfach mehr Energie besitzen als jene, die in irdischen Beschleunigern zirkulieren. Die extremen Exemplare haben bis zu 1020 Elektronvolt – vergleichbar der kinetischen Energie eines Tennisballs. Allerdings sind sie sehr selten. Pro Quadratkilometer und Jahr trifft nur etwa eines die Erdatmosphäre. Dort kollidiert es mit Luftmolekülen und erzeugt einen Schauer von tausenden so genannten Sekundärteilchen, von denen einige bis zum Boden vordringen. Indem man sie mit Detektoren registriert, kann man auf das ursprüngliche Teilchen zurückschließen und ermitteln, welche Prozesse es in der Atmosphäre auslöste.
Messungen mit Hilfe des Pierre-Auger-Observatoriums belegen jetzt allerdings, dass man solche Ereignisse noch unzureichend versteht. Das Observatorium deckt in Argentinien eine Fläche von 3000 Quadratkilometern ab und erfasst deshalb relativ viele Sekundärteilchenschauer, die von hochenergetischen kosmischen Teilchen stammen. Die dort arbeitenden Wissenschaftler berichten, sie würden bei entsprechenden Aufprallereignissen einen unerwartet hohen Anteil an Myonen beobachten – kurzlebigen Elementarteilchen, die Elektronen ähneln, aber deutlich mehr Masse besitzen. Laut den Messungen kommen bis zu 60 Prozent mehr Myonen am Observatorium an als erwartet.
Für ihre Analyse haben die Forscher 411 Ereignisse aus mehr als zehn Jahren Messzeit ausgewertet. Damit sind die neuen Daten deutlich aussagekräftiger als frühere Messungen, bei denen sich auf viel schmalerer Datenbasis bereits ein Myonenüberschuss angedeutet hatte.
Eine Erklärung dafür steht noch aus. Möglicherweise wirken bei sehr hohen Teilchenenergien bislang unbekannte Elementarteilchen oder Kräfte. Es könnte auch sein, dass dort Effekte zu Tage treten, die vormals unbemerkt geblieben waren, weil sie bei geringeren Energien so gut wie keine Auswirkungen haben.
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