Kaffee: Von der Bohne zum Espresso
Für Kaffee höchster Qualität muss alles stimmen: von den Anbau- und Erntebedingungen über die Röstung und das Aufbrühen bis hin zur Wahl der Tasse. Nur dann entfalten sich die vielen hundert Aromastoffe, die den Geschmack eines Espresso ausmachen.
Unter den Genüssen, die der Alltag unseren Sinnen bietet, kommt wenig einer guten Tasse Kaffee gleich. Frisch gebrüht aus frisch gerösteten Bohnen verströmt das dampfende Getränk ein verführerisches Aroma, das Schläfer aus ihren Betten und Passanten in Cafés lockt. Millionen Menschen auf der ganzen Welt kämen nicht durch den Tag ohne das Gefühl geistiger Klarheit, zu dem ein Koffeinstoß verhilft.
Tatsächlich verbirgt sich hinter dem so vertrauten Getränk eine ungeahnte chemische Komplexität. Die Gewinnung und Röstung der Bohnen, ja selbst das Aufbrühen steckt voller Finessen. Alle Verarbeitungsschritte beeinflussen auf subtile Weise die vielen hundert Verbindungen, die Geschmack, Aroma und Körper von Kaffee ausmachen. Hätten Experten in den Röstereien nicht ein tiefes Verständnis dafür entwickelt, wäre eine Tasse guten Kaffees ein seltener Glücksfall. Kenner sind sich einig, dass die Quintessenz von Kaffeegenuss im Espresso liegt: einem dunklen, undurchsichtigen Gebräu in einer kleinen, dickwandigen Porzellantasse, bedeckt von einer samtartigen rötlich braunen Schicht Schaum. Diese überraschend langlebige Crema hält mit ihren winzigen Gasbläschen, die von einem Flüssigkeitsfilm umgeben sind, Duft und Aroma des Kaffees zurück und lässt ihn nicht so schnell abkühlen.
Das Wort Espresso kommt daher, dass das Getränk auf Bestellung und ausdrücklich (ex-presso) für diese eine Tasse hergestellt wird. Eine spezielle Maschine presst eine kleine Menge erhitzten Wassers mit Hochdruck durch einen komprimierten Kuchen aus fein gemahlenem und gerösteten Kaffeepulver. Heraus kommt eine konzentrierte Flüssigkeit, die nicht nur lösliche Bestandteile, sondern auch fein verteilte, winzige Öltröpfchen mit vielerlei Aromastoffen enthält. Zusammen geben sie dem Espresso seinen einzigartig vollen Geschmack und Geruch. Die spezielle Zubereitung bringt die Inhaltsstoffe der Bohnen konzentriert und optimal zur Geltung. Für Kaffee höchster Qualität muss von den Anbau- und Erntebedingungen über die Verarbeitung bis zur Wahl der Tasse alles stimmen. Schon auf der Plantage gilt es, eine Unmenge von Variablen zu überwachen und zu steuern. Sobald eine Kaffeekirsche reif am Strauch hängt, kann nichts mehr zugefügt oder weggenommen werden: Das volle Inventar an Geschmacksstoffen und ihren Vorläufern muss bereits vorhanden sein.
Für eine Tasse Espresso benötigt man 50 bis 55 geröstete Bohnen; eine einzige minderwertige verdirbt den Geschmack schon spürbar. Das hängt damit zusammen, dass der Geruchs- und Geschmackssinn bei unseren Vorfahren als Abwehrmechanismus gegen verdorbene – und daher ungesunde – Lebensmittel entstand. Nur mit modernster Technologie gelingt es, mit vertretbarem Aufwand fünfzig fast perfekte Bohnen zuverlässig aufzuspüren. Rohe Kaffeebohnen sind die Samen von Pflanzen aus der Familie der Rubiaceae (Rötel- oder Krappgewächse), die mindestens 66 Arten der Gattung Coffea umfasst. Kommerziell genutzt werden nur Coffea arabica, die etwa zwei Drittel der Weltproduktion ausmacht, und C. canephora, die für das restliche Drittel aufkommt und auch C. robusta heißt. Deren Pflanzen haben die bei allen wilden Coffea-Arten üblichen 22 Chromosomen. C. arabica verfügt dagegen über die doppelte Anzahl und lässt sich daher nicht mit anderen Kaffeesorten kreuzen.
Kirschen mit zwei Kernen
Wie der Name schon sagt, ist C. robusta ein wenig krankheitsanfälliger, ertragreicher Baum. Er wächst bis zu zwölf Meter hoch und gedeiht am besten in warmem, feuchtem Klima. Der aus seinen Bohnen gebrühte Kaffee verfügt über einen beträchtlichen Körper und ein etwas strenges, erdiges Aroma. Der Koffeingehalt liegt mit 2,4 bis 2,8 Prozent ziemlich hoch. Obwohl Robusta-Bohnen von vielen Händlern verkauft werden, ergeben sie keinen Kaffee höchster Qualität. Der Arabica-Baum, der aus dem äthiopischen Hochland stammt, liefert nur geringe bis mittlere Erträge, wächst nicht höher als fünf bis sechs Meter und ist recht empfindlich: Er benötigt ein gemäßigtes Klima und viel Pflege beim Anbau. In Plantagen werden die Sträucher auf eine Höhe von 1,5 bis 2 Metern gestutzt. Kaffee aus Arabica-Bohnen hat ein intensives, volles Aroma, das an Blumen, Früchte, Honig, Schokolade, Karamell oder getoastetes Brot erinnern kann. Sein Koffeingehalt geht nie über 1,5 Gewichtsprozent hinaus. Höhere Qualität und besserer Geschmack schlagen sich auch im Preis nieder: Arabica kostet deutlich mehr als sein robuster, etwas grobschlächtigerer Verwandter.
Ergiebiger Regen bringt die Arabica-Pflanzen zum Blühen. Etwa sieben Monate später erscheinen rote oder gelbe Früchte, die man Kirschen nennt. Jede enthält zwei längliche Samen: die Kaffeebohnen. Da ein Ast gleichzeitig Blüten und Früchte tragen kann, sind Zeigefinger und Daumen die besten Werkzeuge, um nur die reifen Kirschen zu pflücken. Beim maschinellen Ernten oder Abstreifen ganzer Zweige mit der Hand werden unweigerlich auch unreife Kirschen gesammelt. Die Qualität der Bohnen hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehört das genetische Material der Pflanze, aber auch die Beschaffenheit des Bodens, auf dem sie gewachsen ist. Hinzu kommt das Mikroklima, also zum Beispiel die Höhe, die Menge an Regen und Sonnenschein sowie das Ausmaß der täglichen Temperaturschwankungen. Zusammen mit den angewandten Röstverfahren bestimmen diese landwirtschaftlichen und geografischen Bedingungen die Geschmacksvielfalt von Kaffeebohnen, aus denen dann die unterschiedlichen Mischungen für den Einzelhandel hergestellt werden.
Die Kaffeekirschen müssen sofort nach der Ernte verarbeitet werden, da sie sonst faulen. Das ältere, traditionelle Verfahren ist, sie zunächst an der Sonne zu trocknen. Dazu werden sie auf einer Terrasse ausgebreitet und immer wieder umgerührt, damit die Früchte gleichmäßig Wärme und Luft bekommen. Nach drei bis fünf Wochen lassen sich die getrockneten Kirschen maschinell schälen, wobei das Fruchtfleisch samt der "Pergamenthaut" um die Bohnen entfernt wird. Bei dem alternativen nassen Verfahren kommen die Früchte in den "Pulper". Dieser quetscht das Fruchtfleisch so schonend ab, dass die Bohnen unversehrt in der Pergamenthaut verbleiben. Eine noch anhaftende Schleimschicht muss anschließend durch Fermentation und Waschen entfernt werden. Nach einem Trockenschritt wird schließlich auch die Pergamenthaut abgeschält. Das Ziel ist bei beiden Verfahren dasselbe: Die Kaffeekirschen mit ihrem Wasseranteil von 65 Prozent auf die rohen, grünen Kaffeebohnen zu reduzieren, die nur noch zehn bis zwölf Prozent Wasser enthalten.
Eine der größten Herausforderungen bei der Produktion von Spitzenkaffee besteht darin, ausschließlich erstklassige grüne Bohnen zu verwenden. Qualitätsbewusste Firmen wie Illycaffè in Triest (Italien) nutzen viele raffinierte Kontrolltechniken, um den Anteil an minderwertigem Rohmaterial zu minimieren. Beispielsweise werden angeschimmelte Bohnen durch UV-Fluoreszenzanalyse erfasst. Ein spezielles Abbildungsverfahren erzeugt außerdem von jeder Charge einen "Fingerabdruck" im gelbgrünen, roten und infraroten Spektralbereich. Schließlich kontrolliert ein dichromatisches Sortiersystem, das Illycaffè zusammen mit der englischen Firma Sortex entwickelt hat, die Bohnen unmittelbar vor der Röstung noch einmal. Während sie in Behälter fallen, entdecken photoelektrische Zellen die letzten "Nieten", die sofort einzeln mit einem Luftstoß aus einer Düse entfernt werden. Das geschieht mit einer Präzision, derer selbst das geübteste Auge nicht fähig wäre. Auch die Geschwindigkeit von 400 Bohnen pro Sekunde ließe sich beim Sortieren von Hand unmöglich erreichen.
Eine reife grüne Kaffeebohne besteht aus Zellen mit ungewöhnlich kräftigen Wänden. Sie sind fünf bis sieben Mikrometer dick – eine Ausnahme im Pflanzenreich. Die Zellen selbst haben Durchmesser zwischen 30 und 40 Mikrometern. Beim Rösten dienen sie als winzige Reaktoren, in denen unter Wärmezufuhr all die chemischen Reaktionen ablaufen, die den verführerischen Geschmack und Duft von Kaffee erzeugen. Die Zellen unreifer Bohnen haben dünnere Wände. Außerdem fehlen ihnen wichtige Vorläuferproteine für die späteren Aromastoffe, die sich erst in den letzten Stadien des Reifungsprozesses bilden. Angefaulte Bohnen haben diese entscheidenden Bestandteile dagegen durch die Wirkung von Schimmel oder Bakterien eingebüßt. Die Röstung ist ein pyrolytischer (hitzegetriebener) Prozess, der die chemische Komplexität der Bohnen enorm steigert. Das Aroma von grünem Kaffee enthält etwa 250 flüchtige Moleküle, bei geröstetem Kaffee sind es mehr als 800. Die Röstmaschine ist im Grunde nur ein riesiger heißer rotierender Zylinder. Beim Erhitzen der Bohnen verwandelt sich das Restwasser in den Zellen in Dampf, der verschiedene komplizierte chemische Reaktionen zwischen den Zuckern, Proteinen, Lipiden und Mineralstoffen im Zell-Innern auslöst.
Verfeinerung durch Rösten
Bei Temperaturen zwischen 185 und 240 Grad Celsius läuft der wohlbekannte Karamellisierungsprozess ab, auch Maillard-Reaktion genannt. Dabei verbinden sich die Zucker mit Aminosäuren, Peptiden und Proteinen. Die Endprodukte sind Glykosylamin und Melanoidine, beides bräunliche, bitter-süße Substanzen, welche die Hauptgeschmacksnote von Kaffee bilden. Außerdem wird eine Menge Kohlendioxid erzeugt: bis zu zwölf Liter je Kilogramm gerösteten Kaffees. Daneben entsteht eine breite Palette an kleinen, aromatisch riechenden Molekülen; diese flüchtigen Verbindungen geben dem Kaffee die vertraute Duftnote. Der Dampf und das Kohlendioxid bleiben innerhalb der dicken, wenig porösen Zellwände eingesperrt und treiben so den Druck auf Werte von 20 bis 25 Atmosphären. Einige Zellen platzen schließlich, was zu charakteristischen Knallgeräuschen führt.
Je nach Temperatur und Verfahren kann der Röstprozess zwischen 90 Sekunden und 40 Minuten dauern; üblich sind zwölf Minuten. Dabei wächst das Volumen der Kaffeebohnen um gut die Hälfte, während ihre Masse um ein Fünftel abnimmt. Je nach Röstdauer laufen unterschiedliche Reaktionen in der Zelle ab, und folglich ist auch das Resultat verschieden. Kurzes Erhitzen auf sehr hohe Temperaturen minimiert den Gewichtsverlust, verleiht dem Kaffee jedoch einen metallisch bitteren Geschmack. Er rührt von Polyphenolen her, die nicht genug Zeit hatten, vollständig abzureagieren. Langes Rösten ist oft in ärmeren Ländern üblich, wo sich viele Verbraucher nur die billigen Bohnen minderer Qualität leisten können. Es vertreibt alle unerwünschten Geschmacks- und Duftstoffe, aber leider ebenso die erwünschten. Heraus kommt ein ziemlich fades, bitteres Getränk.
Optimal ist eine mittlere Röstdauer bei mäßigen Temperaturen. Je höher und länger man die Bohnen erhitzt, desto ärmer wird ihr Aroma, und die Bitterstoffe überwiegen. Umgekehrt kann sich bei zu niedrigen Rösttemperaturen der Geschmack gar nicht erst richtig entwickeln, und die ursprünglich vorhandene Säure drängt sich in den Vordergrund. Nase und Analysegerät sind ebenbürtige Instrumente, wenn es darum geht, die beim Kaffeerösten entstandenen Düfte zu identifizieren. Ein Gaschromatograf trennt zunächst die Geruchskomponenten. Dann "erschnuppern" ausgebildete Prüfer die einzelnen Aromen und versuchen sie so weit wie möglich zu definieren. Oft wird schließlich auch noch die genaue chemische Zusammensetzung per Massenspektrometrie bestimmt.
Vielfalt von Duftnoten
Das Riechen der Aromen von geröstetem Kaffee nach ihrer gaschromatografischen Trennung ist eine aufschlussreiche Erfahrung: man kann den Duft von Rosen, Darjeeling-Tee, Schokolade, Vanille und Veilchen wahrnehmen; die geübte Nase entdeckt zudem den Geruch von Trüffeln, Suppe, Käse und Schweiß sowie ein Aroma, das Katzengeruch genannt wird. Verdünnt erinnert es an die Blume von Weißwein der Rebsorte Sauvignon, konzentriert stinkt es jedoch widerlich. In den Laboratorien von Illycaffè konzentrieren wir uns auf die stärksten Duftstoffe. Stellen Sie sich vor, Sie hören die Aufnahme eines Chors mit 800 Sängern, darunter die kräftigen Solostimmen von Jessye Norman und Luciano Pavarotti. Reduziert man die Lautstärke fast auf null, bleiben die dominierenden Stimmen noch schwach hörbar, während vom Rest des Chores nichts mehr zu vernehmen ist. Analoges gilt für das Verdünnen des Kaffeearomas; ab einem bestimmten Punkt nimmt man nur mehr die stärksten Komponenten wahr. Leider stammen genau diese hervorstechenden Geruchsstoffe von qualitativ minderwertigen, unreifen Bohnen.
Dazu gehören Moleküle wie Ethylbutanoat und Ethylglykolat. Schon Spuren davon können den Geschmack einer Tasse Kaffee ruinieren. Methylisoborneol und Trichloranisol (TCA) erzeugen das erdige, etwas chemisch wirkende Aroma von Robusta-Kaffee. TCA findet sich auch in korkigen Weinen. Die menschliche Nase ist dafür extrem empfindlich: Die Wahrnehmungsschwelle liegt bei sechs Millionsteln eines milliardstel Gramms pro Milliliter (6×10-15 g/ml).
Geheimnisse der Zubereitung
Der letzte Schritt ist dann die Transformation der gerösteten Bohnen in eine Tasse Espresso. Das geschieht durch Extraktion der aktiven Komponenten im gemahlenen Kaffee mit Hilfe von heißem Wasser. Dieser Vorgang zeichnet sich beim Espresso durch einige Besonderheiten aus. Bei der üblichen Filtermethode läuft das Wasser durch eine lose Anhäufung von mittelfein gemahlenem Kaffeepulver. Während des vier- bis sechsminütigen Kontakts nimmt es die meisten löslichen Stoffe auf. So gelangen große Mengen an sehr gut löslichen Säuren und Koffein in die Tasse. Nicht so beim Espresso. Seine Zubereitung erfordert eine spezielle Apparatur, mit der man Wasser auf eine Temperatur zwischen 92 und 94 Grad Celsius erhitzen und auf einen Druck von neun Atmosphären bringen kann. Der fein bis mittel gemahlene Kaffee wird in einen perforierten Behälter gefüllt und mit einem Stempel fest zusammengedrückt, damit eine kompakte Masse entsteht. Die komprimierten Pulverteilchen haften aneinander, da sie mit einem dünnen Ölfilm bedeckt sind, der so zäh wie Honig ist. Dadurch bilden sie ein dreidimensionales Labyrinth von winzigen Luftkanälen. Der hydraulische Widerstand dieser Masse aus Kaffeepulver ist gerade ein wenig kleiner als der Druck des dampfend heißen Extraktionswassers, sodass es mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Milliliter pro Sekunde hindurchfließen kann. Bei einer empfohlenen Durchlaufzeit von 30 Sekunden erzeugt ein geschickter Barista – wie in Italien die Person heißt, welche die Espressomaschine bedient – also etwa 30 Milliliter einer konzentrierten Kaffeelösung. Wegen des kurzen Kontakts enthält sie weniger Säure als Filterkaffee und nur 60 bis 70 Prozent des Koffeins. Gekrönt wird sie von der Crema, an deren Beschaffenheit sich ablesen lässt, ob der Kaffee richtig zubereitet wurde. Hat sie eine helle Farbe, ist der Espresso zu dünn, weil das Pulver zu grob, die Wassertemperatur zu niedrig oder die Durchlaufzeit zu kurz war. Erscheint die Crema sehr dunkel mit einem Loch in der Mitte, war der Kaffee wahrscheinlich zu fein gemahlen oder die Menge zu groß. Weißer Schaum mit großen Blasen weist darauf hin, dass das Wasser zu heiß war, während ein bloßer weißer Fleck in der Mitte der Tasse eine zu lange Durchlaufzeit anzeigt. In beiden Fällen wurde der Pulverkuchen zu stark extrahiert.
Das hindurchgepresste Wasser spült auch unlösliche Stoffe von der Oberfläche der Kaffeeteilchen ab, darunter aromareiche Öle und Stückchen aus der Zellstruktur. Unter dem hohen Druck, den die Espressomaschine erzeugt, wird ein kleiner Teil des Öls emulgiert; pro Tasse sind das etwa 0,1 Gramm. Intakte Zellen im Pulver verursachen ein leichtes Moussieren; denn Gase – insbesondere Kohlendioxid – dringen durch winzige Poren in den Zellwänden ins Freie. Manchmal gelangen auch sehr feine Pulverteilchen zusammen mit Bruchstücken der Zellwand ins Getränk. Sie geben der Crema ein Aussehen, das man als Tigerfell-Look bezeichnet. Somit umschließt die wässrige Kaffeelösung im Espresso eine Vielzahl fein verteilter Gasblasen, Öltröpfchen und fester Teilchen, die alle kleiner als fünf Mikrometer sind. Chemiker sprechen von einem mehrphasigen Kolloidsystem. Diese Beschaffenheit verleiht dem Espresso viel Körper sowie eine hohe Viskosität und eine geringe Oberflächenspannung. Er bedeckt daher sichtbar die Zunge und setzt, solange er dort bleibt, die flüchtigen Duftstoffe aus den emulgierten Ölen frei. So kommt es, dass sein köstliches Aroma noch bis zu zwanzig Minuten lang nach dem Trinken zu schmecken ist.
Vielleicht wissen Sie den Espresso nach dieser kurzen Einführung in seine komplexe Chemie noch mehr zu schätzen. Zum Glück aber kann man ihn auch ohne solche Kenntnisse genießen.
Literaturhinweise
Coffee: Recent Developments. Von R. J. Clarke und O. Vitzthum. Blackwell Science, 2001.
Espresso Coffee: The Chemistry of Quality. Von A. Illy und R. Viani. Academic Press, 1995.
Andere Methoden der Kaffeezubereitung
Filtermethoden
Bei diesen populären Verfahren gibt man fein gemahlenen Kaffee in einen mit Filterpapier ausgelegten Behälter und gießt heißes Wasser darüber. Um auf diese Weise Spitzenkaffee zu erhalten, sollte man das Filter vorab mit heißem Wasser spülen, um den Papiergeruch zu entfernen. Außerdem ist sicherzustellen, dass das fast kochende Wasser nicht länger als vier bis sechs Minuten braucht, um durch das Kaffeepulver zu laufen; denn nur dann werden die erwünschten Geschmacksstoffe optimal extrahiert. Die Aufgusszeit einer automatischen Kaffeemaschine lässt sich über die Wassermenge regulieren.
Die türkische Methode
Man gibt gleiche Teile von gemahlenem Kaffee, Zucker und Wasser in eine langstielige, Ibrik genannte Messing- oder Kupferkanne, die direkt auf dem Feuer sitzt. Fängt die Mischung an zu sieden, wird sie so lange gerührt, bis das Kaffeepulver nicht mehr am Löffel kleben bleibt. Sobald der Aufguss zu kochen und aufzuschäumen beginnt, nimmt man den Ibrik vom Feuer und klopft leicht dagegen, damit der Schaum zusammensinkt. Das Aufkochen wird noch zweimal wiederholt. Heraus kommt ein einzigartig dicker, süßer Sud mit Resten von Kaffeesatz.
Mit der Cafetière nach dem Presso-System
Man übergießt grob gemahlenen Kaffee in einem zylindrischen Glasbehälter mit heißem Wasser und lässt je nach gewünschter Stärke zwei bis fünf Minuten ziehen. Dann presst man das Siebfilter von oben durch den Aufguss und trennt so das Pulver am Boden des Topfes von der Flüssigkeit darüber.
Wissenswertes über Kaffee
- Mit einem jährlichen Konsum von mehr als 400 Milliarden Tassen ist Kaffee das populärste Getränk der Welt (abgesehen von Wasser natürlich).
- Beim Handelsvolumen in Dollar (etwa 20,4 Milliarden im Jahr 2000) steht Kaffee nur hinter Erdöl zurück.
- 52 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner – das sind 107 Millionen – trinken jeden Tag Kaffee, weitere 28 Prozent oder 57 Millionen gelegentlich.- Amerikanische Kaffeetrinker konsumieren im Durchschnitt 3,3 Tassen oder 350 Milliliter am Tag.
- Die Deutschen bestreiten rund 23 Prozent ihres Getränkekonsums mit Kaffee. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag im Jahr 2001 bei 159,2 Litern, was knapp 440 Millilitern am Tag entspricht.
– Kaffee und Koffein wurden im letzten Vierteljahrhundert eingehend wissenschaftlich untersucht; jedes Jahr erschienen 1500 bis 2000 Arbeiten darüber. Trotzdem ließen sich nur wenige negative Effekte mit einem moderaten Konsum (zwei Tassen am Tag) in Verbindung bringen. Jüngste Untersuchungen legen sogar nahe, dass gerösteter Kaffee eine gute Quelle für Antioxidantien sein könnte.
Zur Geschichte des Kaffees
1000 v. Chr. bis 500 n. Chr.: Der Nomadenstamm der Oramas, der im Königreich von Kefa (dem heutigen Äthiopien) wohnt, isst zerstoßene Kaffeebohnen, mit Fett gemischt und zu Kugeln in Golfballgröße geformt, als Muntermacher.
Um 600: Kaffee gelangt über das Rote Meer nach Arabien (das heutige Jemen).
Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts: Moslemische Pilger bringen Kaffeebohnen, bisher ein arabisches Monopol, bei der Rückkehr aus Mekka in die Türkei, nach Ägypten und Syrien. In Konstantinopel, Damaskus und anderen Städten des Nahen Ostens öffnen "arabische" Kaffeehäuser; dort lernen auch europäische Händler, vor allem Venezianer, das Getränk kennen.
Um 1600: Papst Clemens VIII. wird von seinen Beratern gedrängt, das Lieblingsgetränk der ungläubigen osmanischen Türken als "bitter schmeckende Erfindung des Satans" zu verdammen. Stattdessen setzt sich das Kirchenoberhaupt mit seiner ganzen Autorität für den Kaffee ein und macht ihn so zu einem für Katholiken akzeptablen Getränk.
1616: Niederländische Unternehmer beginnen den kommerziellen Kaffeeanbau mit einer aus Jemen stammenden Kaffeepflanze.
1658 (nach anderen Quellen 1690): Die Holländer bauen Kaffee in Ceylon und ihrer ostindischen Kolonie Java an.
1714: Der Bürgermeister von Amsterdam schenkt dem französischen König Ludwig XIV eine Kaffeepflanze aus Java.
1723: Der französische Marineoffizier Gabriel Mathieu de Clieu nimmt drei Kaffee-Setzlinge, die er unter fragwürdigen Umständen aus den Königlichen Botanischen Gärten erhalten hat, mit auf eine gefährliche Reise zur Karibik-Insel Martinique, wo eine der Pflanzen gedeiht.
1727: Eigentlich soll Francisco de Melo Palheta, ein portugiesisch-brasilianischer Beamter, nur einen Grenzstreit zwischen den beiden Kaffee anbauenden Kolonien Niederländisch- und Französisch-Guayana schlichten. Er nimmt jedoch die Gelegenheit wahr und schmuggelt einige Kaffee-Setzlinge auf seine heimatlichen Güter.
1905: Der Bremer Kaffee-Importeur Ludwig Roselius erfindet den koffeinfreien Kaffee.
1933: Francesco Illy patentiert die erste automatische Espressomaschine.
1961: Ernesto Valente aus Foema entwirft den Prototyp der modernen Espressomaschine.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 82
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