Mathematische Unterhaltungen: Von der Schipiste in den abstrakten Wahrscheinlichkeitsraum
Nein sagen will gelernt sein – und zweimal Nein sagen erst recht. Dass die doppelte Verneinung einer Aussage dasselbe sei wie die Aussage selbst – das glaubt der Normalmensch und mit ihm der gewöhnliche mathematische Logiker. Nicht so die Intuitionisten um Luitzen E. J. Brouwer (1881 – 1966), die in den 1920er Jahren an den Grundfesten der Mathematik rüttelten. Um eine Aussage als wahr anzuerkennen, genügte es ihnen nicht, wenn ihre Verneinung auf einen Widerspruch führte; sie forderten einen direkten Beweis ein. Auf der anderen Seite in diesem "Grundlagenstreit der Mathematik" stand der allgemein anerkannte Großmeister der Mathematik, David Hilbert (Spektrum der Wissenschaft 1/2012, S. 72).
In diesen Kampf der Giganten wird Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow gewissermaßen hineingeboren. Am 25. April 1903 kommt er im zentralrussischen Tambow zur Welt. Seine Mutter stirbt bei seiner Geburt, sein Vater verlässt die Familie; aber seine Tante Vera adoptiert den Jungen und erzieht ihn auf dem Gut seines Großvaters in Jaroslawl. Obgleich der auch eine teure Privatschule hätte finanzieren können, kommt Andrei auf ein kostengünstiges Gymnasium in Moskau. Kaum Student an der Moskauer Universität, veröffentlicht er mit 19 Jahren eine Arbeit zur Mengentheorie. Ein Jahr später kann er eine Vermutung seines Lehrers Nikolai Lusin zur Fourier-Analyse in Gewissheit verwandeln – indem er sie widerlegt. Ein Geniestreich, der die Fachwelt aufhorchen lässt! Und kaum hat er mit 22 Jahren sein Studium abgeschlossen, meldet er sich zum Grundlagenstreit zu Wort ...
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