Robotik: Maschinen auf zwei Beinen
Als Jerry Pratt auf dem Bildschirm nur noch blauen Himmel sah, wusste er, dass er verloren hatte. Es gab nur einen Grund, warum die Kamera am Kopfende der sehr kostspieligen, äußerst raffinierten humanoiden Maschine den wolkenlosen Sommerhimmel Südkaliforniens zeigte: Statt flink auf einen kleinen Ziegelhaufen zu steigen, war der Roboter "Running Man" platt aufs Kreuz gefallen.
Pratt und seine Mitarbeiter vom Florida Institute for Human & Machine Cognition (IHMC) konkurrierten mit zwölf anderen Teams um den mit zwei Millionen Dollar dotierten Sieg bei der 2015 DARPA Robotics Challenge (DRC). Den Roboterwettbewerb veranstaltete die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die Forschungsbehörde des US-Militärs. Die Teilnehmer, darunter die führenden Roboterschmieden der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (Pennsylvania) und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, sollten ihre Prototypen Aufgaben bewältigen lassen, die für Menschen selbstverständlich sind: Im Verlauf einer knappen Stunde musste jeder Apparat ein Fahrzeug besteigen, es steuern und wieder verlassen, eine geschlossene Tür öffnen und ein Gebäude betreten, einen Flur von Schutt säubern oder über lose Ziegel klettern, ein Werkzeug ergreifen und damit eine Gipswand durchstoßen, ein großes Metallventil drehen und eine kurze Treppe hinaufsteigen. Die meisten Roboter brachten zumindest einiges davon zu Wege, fielen aber auch immer wieder um wie Betrunkene. Ein Zusammenschnitt der oft komisch wirkenden Stürze wurde auf Youtube rund zwei Millionen Mal angeklickt.
Gehen ist nicht einfach – das demonstriert jedes Kleinkind, das erste Schritte wagt. Dennoch bewegt sich unsere Spezies seit hunderttausenden Jahren auf zwei Beinen voran, der Vogel Strauß und einige andere Tiere sogar seit Jahrmillionen. Was Kinder beim Gehen mühsam lernen, lässt sich mit dem Begriff Agilität (Gewandtheit, Wendigkeit) zusammenfassen. Einen Schritt machen, balancieren, in Bewegung bleiben, Fehler korrigieren, Unebenheiten bewältigen – all diese komplexen Verhaltensweisen sind notwendig, aber nicht hinreichend für zweibeinige Fortbewegung. Wenn auch nur eine der Komponenten nicht so richtig funktioniert, wird aus lässigem Schreiten sofort tastendes Stolpern. ...
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