Wer braucht den CargoLifter?
Interview mit Dr. Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik
Spektrum der Wissenschaft: Ihr Team hat die Zukunftsaussichten eines Schwergut-Luftschiffs wie dem geplanten CargoLifter untersucht. Wie sehen Sie seine Chancen?
Dr. Burkhard Lemper: Der CargoLifter wurde von vornherein für den Transport von 100 bis 150 Tonnen schweren Gütern konzipiert, und da hat es unseres Erachtens auch wirklich einen Markt. Wenn heute eine Turbine für einen Staudamm von Deutschland nach Afrika muß, wird sie hier zusammengebaut, getestet, wieder zerlegt und dann in Einzelteilen vom Werk auf dem Landweg zum Überseehafen oder – wenn es eilig ist – zum Flughafen befördert. Mit einem Schwergut-Luftschiff können sie das Gerät komplett aufnehmen und direkt vom Werk zum Einsatzort fliegen. Allerdings fallen beim CargoLifter vermutlich um die 100000 Mark pro Tag an Kosten an. Es wird also häufig günstiger sein, das Gut nur zum nächsten Seehafen zu fliegen und für die Langstrecke das kostengünstigere Schiff zu wählen. Immerhin entfallen dann aufwendige Maßnahmen für den Transport per Tieflader wie das Verbreitern von Durchfahrten, Unterstützen von Brücken und dergleichen.
Spektrum: Wirtschaftlicher ist mitunter das schnellere Verkehrsmittel. Wo steht das Luftschiff in dieser Hinsicht?
Lemper: Eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung ist immer deutlich schneller als die konventionelle Güterfracht mittels verschiedener Verkehrssysteme. Allein die Verladezeiten schlagen schon zu Buche, und wenn sie eine mehr als 20 Meter lange und einige Meter dicke Röhre quer durch Deutschland fahren, dann ist sie mit durchschnittlich 8,4 Kilometern pro Stunde unterwegs, der CargoLifter dagegen mit 80 bis 100. Im Marktsegment des Schwerguttransports spielt die Zeit aber oft keine große Rolle, denn die Planung der entsprechenden Großprojekte dauert ohnehin einige Jahre. Wenn ich weiß, daß ich in einigen Monaten eine Turbine in Afrika brauche, dann gebe ich den Auftrag halt entsprechend frühzeitig raus und nehme die zwei Wochen auf See in Kauf, denn die sind allemal billiger. Wenn sich der CargoLifter aber mal etabliert hat, könnten sich die Verhältnisse ändern. Denn eine Turbine komplett an den Haken zu nehmen, anstatt sie erst wieder zu zerlegen, senkt die Kosten. In dieser Weise könnten Produktionsabläufe entsprechend zugeschnitten und optimiert werden.
Spektrum: Schneller als das Schiff und dazu noch kostengünstiger, das klingt so, als wäre das Cargo-Flugzeug in dieser Gewichtsklasse bald aus dem Rennen?
Lemper: Wenn es richtig schnell gehen soll vermutlich nicht. Aber ein Luftschiff wäre auch in der Hinsicht wirtschaftlicher, als es kaum Infrastruktur wie Start- und Landebahnen erfordert. Wie ein Hubschrauber kann es Ladung überall aufnehmen und ablassen. Ein Problem wird aber zunächst das fehlende logistische Netzwerk sein. Ein Beispiel: Cargo-Fluggesellschaften betreiben große Flotten und sind damit überall verfügbar. Außerdem sind Frachtflugzeuge für die gängigen Container ausgelegt, die hat der Kunde imWerk. Für den CargoLifter wurde eigens eine Transportbox entwickelt, sei es um Lasten aufzunehmen, die sich nicht direkt an das Luftschiff anhängen lassen, sei es um mehrere kleinere Packstücke einzuladen. Auch diese Box muß vor Ort beim Kunden verfügbar sein, sonst wird er doch auf ein anderes Transportmittel zurückgreifen. Sie brauchen also auch noch eine Logistik für diesen speziellen Behälter. Wenn die etabliert ist, wird es aber auch für den Betreiber des Luftschiffs langsam lohnend, denn dann kann er beim Rückflug von wo auch immer auch kleinere Ladung aufnehmen und zumindest seine variablen Kosten etwa für den Treibstoff decken.
Spektrum: Apropo Treibstoff, ein häufig vorgebrachtes Argument für das Luftschiff ist seine Umweltverträglichkeit. Welchen Vorteil hat der Betreiber davon, welchen der Kunde?
Lemper: Da im Extremfall weder Straßen, noch Start- oder Landebahnen benötigt werden, unterliegen Betreiber und Nutzer weniger Auflagen der Behörden. Hinzu kommt, wie Sie richtig andeuteten, daß der Auftrieb eines Luftschiffs alleine durch seine Gasfüllung und nicht wie beim Flugzeug durch Motorkraft erzeugt wird. Das spart Treibstoff und der geringere Schadstoffausstoß macht sich in den Umweltberichten recht gut. Aber letztlich dürften solche Überlegungen nur eine Nebenrolle spielen. Was auf dem Markt zählt, sind Kosten-Nutzen-Rechnungen, und die sprechen im Schwergut-Segment für das Luftschiff.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 2000, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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