Geophysik: Wie schnell dreht sich der Erdkern?
Vor vier Jahren überraschten Geophysiker vom Lamont Doherty Earth Observatory in Palisades (New York) Fachkollegen und Öffentlichkeit mit seismischen Messbefunden, wonach der innere Erdkern um ein Grad pro Jahr schneller rotiert als der Mantel. Allerdings zeigte sich später, dass die Ergebnisse auf fehlerhaften Annahmen beruhten. Paul Earle und seine Mitarbeiter an der Universität von Kalifornien in Los Angeles wählten deshalb nun ein genaueres Verfahren. Als Grundlage dienten ihnen die seismischen Wellen von zwei Nukleartests auf Nowaja Semlja in Sibirien aus den Jahren 1971 und 1974. Anders als bei den früheren Messungen untersuchten die Geophysiker die innerhalb des festen Erdkerns gestreuten Wellen und nicht solche, die den Kern komplett durchdringen oder an ihm reflektiert werden. Wie sie feststellten, trafen die Wellen der jüngeren Explosion im Verhältnis früher bei den Messstationen ein als diejenigen des älteren Nukleartests. Die Forscher errechneten daraus, dass der Erdkern tatsächlich der gesamten Erde vorauseilt, aber längst nicht so schnell wie nach den älteren Befunden: Er macht nur eine zusätzliche Umdrehung in 2400 Jahren. (Nature, Bd. 405, S. 411 und 445)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2000, Seite 29
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