Medizin: Angeklagt und überführt: das Zika-Virus
Als Margaret Chan am 1. Februar 2016 vor die Presse trat, wurde die Weltöffentlichkeit Zeuge eines in der Medizingeschichte bis dahin einmaligen Vorgangs. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent vermehrte sich explosionsartig das Zika-Virus; zeitgleich häuften sich Kopfmissbildungen bei Neugeborenen und Föten in Brasilien. Die unter Druck geratene Direktorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entschloss sich deshalb dazu, den globalen öffentlichen Gesundheitsnotstand auszurufen. Auf Nachfrage musste Chan jedoch einräumen, dass ihre Organisation die ursächliche Beziehung zwischen dem massenhaften Auftreten des Zika-Virus und den schweren Hirnfehlbildungen (Mikrozephalien) nur vermutete – wissenschaftliche Beweise für diesen Zusammenhang gab es bis dahin nicht. Mehr noch: Es bestanden sogar begründete Zweifel an seiner Plausibilität.
Das Virus wurde in den späten 1940er Jahren bei Rhesusaffen im namensgebenden Zikawald (Uganda) entdeckt und galt lange Zeit als eher harmlos. In den zurückliegenden Jahrzehnten breitete es sich von Zentralafrika über Südostasien bis in den Pazifik aus. Nur zweimal verursachte es größere Infektionswellen: 2007 in Mikronesien und 2013 in Französisch-Polynesien. Dabei verlief der größte Anteil der Infektionen gänzlich symptomfrei. Lediglich 20 Prozent der Betroffenen litten unter milden Formen von Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Bindehautentzündung und Fieber.
Von gehäuften Missbildungen an Embryonen, wie sie aktuell in Brasilien auftreten, war im Zusammenhang mit Zika zuvor noch nie die Rede. Auch kein anderer Vertreter der Flaviviridae, zu denen das Zika-Virus gehört, war als Frucht schädigend aufgefallen. Vor diesem Hintergrund schien es durchaus plausibel, die gleichzeitige Häufung von Zika-Infektionen bei Erwachsenen und Mikrozephalien bei Embryonen und Neugeborenen dem Zufall zu zuschreiben. ...
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