2I/Borisov: Ein ursprünglicher Besucher aus dem All
Am 30. August 2019 gelang dem Amateurastronomen Gennadi Wladimirowitsch Borisov auf der Krim mit Hilfe eines selbst gebauten Teleskops eine Beobachtung, die wahrscheinlich selbst viele Profis neidisch machte: Er entdeckte den mittlerweile nach ihm benannten Kometen 2I/Borisov, einen interstellaren Besucher auf dem Weg durch unser Sonnensystem. Es war das zweite Objekt nach dem Asteroiden 1I/'Oumuamua. Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile durch ein Team um Stefano Bagnulo vom Armagh Observatory and Planetarium in Nordirland weisen darauf hin, dass 2I/Borisov auf seiner langen Reise wahrscheinlich noch nie nahe an einem Stern vorbeigeflogen ist. Das schreiben Bagnulo und Co in »Nature Communications«.
Sollte sich dieser Befund bestätigen, befände sich der Schweifstern in einem praktisch unveränderten und ursprünglichen Zustand, so wie kein anderer bislang beobachteter Komet. Er bestünde dann immer noch aus den Gasen und Stäuben, aus denen er sich vor langer Zeit gebildet hat. Für ihre Studie verglichen die Astronomen die polarimetrischen Daten – also die Polarisation von Lichtwellen – von 2I/Borisov mit jenen von Kometen aus unserem Sonnensystem.
Die polarimetrischen Eigenschaften des interstellaren Besuchers unterschieden sich deutlich von allen anderen Kometen mit Ausnahme von Hale-Bopp, der ab Mitte der 1990er Jahre auch aus unseren Breiten sehr gut mit bloßem Auge sichtbar und einer der hellsten Kometen der letzten Jahrzehnte war. Bis zur Ankunft von 2I/Borisov galt er als der ursprünglichste Komet. Vor seiner Wiederkehr ab 1995 hatte er wohl bloß einmal die Sonne passiert, so dass ihn Sonnenwind und Strahlung nur wenig beeinflusst hatten. Die Zusammensetzung von Hale-Bopp entsprach also ebenfalls noch ziemlich genau jener der Wolke aus Gas und Staub, aus der er vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden war.
Die Polarisation und die Farbe von 2I/Borisov sprechen allerdings dafür, dass sich dieser Komet noch viel weniger verändert hat. »Die Tatsache, dass sich die beiden Kometen bemerkenswert ähneln, deutet darauf hin, dass die Umgebung, in der 2I/Borisov entstanden ist, sich in ihrer Zusammensetzung nicht so sehr von der Umgebung im frühen Sonnensystem unterscheidet«, sagt der Koautor der Studie Alberto Cellino vom Astrophysikalischen Observatorium in Turin.
In einer zweiten Studie betrachtete eine Gruppe um Bin Yang von der ESO die Staubkörner und Gase von 2I/Borisov näher und veröffentlichte die Ergebnisse in »Nature Astronomy«. Die Koma des Schweifsterns – die rundliche Hülle um den eigentlichen festen Kometenkern – besteht demnach unter anderem aus Krümeln, die einen Millimeter und größer sind. Zudem veränderte sich der relative Anteil von Kohlenmonoxid und Wasser im Kometen, als sich dieser der Sonne näherte. Das lege nahe, dass sich das Objekt aus Material gebildet hat, das aus verschiedenen Regionen seines Heimatsystems stammt, schreiben die Wissenschaftler. Manches wurde demnach in der Nähe des Sterns aufgenommen, anderes weiter draußen im System. Dies wiederum wäre für die Forscher ein Hinweis darauf, dass es dort große Gasplaneten geben muss, die das Material durch ihre Anziehungskraft »aufwirbeln« und verteilen.
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