News: Alt, aber nicht reich
Diese typische Sukzession muss jedoch keineswegs immer so ablaufen, betont Daniel Engstrom von der St.Croix Watershed Research Station des Science Museum of Minnesota. Zusammen mit seinen Kollegen untersuchte er 33 Seen des Glacier Bay National Park in Alaska (Nature vom 9. November 2000). Durch den Rückgang der Gletscher nach der letzten Eiszeit entstand hier sukzessive eine Seenkette mit unterschiedlichem Alter von nur wenigen Jahrzehnten bis maximal 13 000 Jahre. Hierbei zeigte sich keineswegs eine Eutrophierung mit zunehmenden Alter. Trotz großer Schwankungen zwischen den einzelnen Seen gab es einen allgemeinen Trend zur zunehmenden Versauerung, zum Anstieg des Gehaltes an organischem Kohlenstoff und zum Rückgang an anorganischen Nährstoffen. Die biologische Produktivität nahm ab statt zu – die Seen wurden oligotropher.
Die Wissenschaftler verglichen die Entwicklungsgeschichte der Seen mit der Sukzession der umliegendenden terrestrischen Vegetation. Hierbei fanden sie einen ähnlichen Ablauf: Nach dem Rückzug der Gletscher siedeln sich typischerweise – so auch hier in Alaska – Erlen auf den frei gewordenen Flächen an. Die Nährstoffe des Bodens werden verbraucht, die Erlenblätter tragen zur Versauerung des Bodens bei. Da ähnliche Tendenzen – Rückgang des Nährstoffgehalts und des pH-Wertes – sowohl an Land als auch in den Seen auftraten, scheint die Sukzession der Seen eng an die des umliegenden Landes gekoppelt zu sein. Diese Kopplung – beispielsweise durch das Grundwasser – ist jedoch nicht immer gleich stark ausgeprägt. Räumlich benachbarte Seen können sich also durchaus auch unterschiedlich entwickeln.
"Das traditionelle Modell der zunehmenden Eutrophierung mit der Zeit passt nicht zu den untersuchten Seen der Glacier Bay", fasst Engstrom seine Ergebnisse zusammen. Er betont, dass ähnliche ökologische Bedingungen in Nordamerika, Europa und Asien herrschen. Die zeitliche Entwicklung vieler Seen ist daher wahrscheinlich häufig an das umliegende Land gekoppelt. Der Ökologe George Kling von der University of Michigan pflichtet ihm bei: "Es ist klar, dass Klima, Geomorphologie und Ökologie die sich gegenüberstehenden Hauptpersonen sind. Wir müssen herausfinden, wann und wo, was in der Vergangenheit passierte. Dies wird unsere Auffassung darüber bestimmen, wie sich aquatische Ökosysteme in Zukunft verändern."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 30.5.2000
"Auf die Reihenfolge kommt es an"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 9/98, Seite 97
"Ökotechnologien zur Sanierung und Restaurierung von Standgewässern"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/93, Seite 24
"Versauerung alpiner Hochgebirgsseen – Wechselspiel von natürlichen und menschlichen Einflüssen"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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