News: Andere Länder, andere Sitten
Die Untersuchungen von Dr. Susanne Klammer von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln ergaben, daß neben organischen Erkrankungen sehr oft psychisch-soziale Spannungen zu starken Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Einzelnen führen. Die aus der Unauflösbarkeit eines seelischen Konflikts resultierenden Beschwerden werden bei den nordargentinischen Andenbewohnern laut Dr. Susanne Klammer als ein Schreckerlebnis umschriebenes Krankheitsbild interpretiert. Somit erhält der Betroffene mit seinen Beschwerden Anerkennung durch die Gesellschaft und erleidet keinen Ansehensverlust durch sein Fehlverhalten innerhalb der Gruppe.
Oft zollen die Heilungszeremonien diesen Voraussetzungen Tribut, indem sie im großen Kreis mit Verwandten, Freunden und Mitbewohnern stattfinden. Die bildhafte Aufführung der Heilung des Patienten ermöglicht eine allgemeine Nachvollziehbarkeit der Vorgänge. So wird – laut Dr. Klammer – beim Schreckerlebnis, was mit einem Seelenverlust einhergeht, die Seele zum Beispiel gerufen, eingefangen und zum Besitzer zurückgebracht. Das Zurückbringen der Seele soll außerdem dem Patienten ein Verschwinden der Beschwerden suggerieren.
Eine besondere Rolle spielt dabei der zuständige Heiler der Gemeinschaft. Er dient als Autoritätsperson, die mit den Ritualen eine Art Rollenspiel inszeniert und geschickt den Erkrankten in sein soziales Umfeld wieder eingliedert. Auch der gezielte Einsatz von Heilpflanzen, Mineralien und Tierprodukten und das Ansprechen der Sinne leisten Beiträge zum Heilungsvorgang. Der Heiler ist eine soziale Schlüsselfigur für die Erhaltung einer intakten Dorfgemeinschaft.
Traditionelle Naturmedizin und moderne westliche Medizin stehen dabei ebenbürtig nebeneinander. Entsprechend ihrer Wirksamkeit in medizinischen Teilgebieten erfahren beide medizinischen Richtungen durch die Bevölkerung der nordargentinischen Hochebenen – so Dr. Klammer – gleichermaßen Zuspruch.
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