News: Antikörper gegen Totgeburten
Um dies zu verhindern, wird rhesusnegativen Frauen gegen Ende der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt ein Antikörperpräparat (ein Anti-D Immunoglobulin) gespritzt. Rote Blutkörperchen des Kindes, die allfällig in den Kreislauf der Mutter übergegangen sind, werden damit sofort gebunden und eliminiert, bevor das Immunsystem der Mutter eine Abwehrreaktion entwickelt.
Üblicherweise wird das Antikörperpräparat aus Blut von Frauen gewonnen, die diese Abwehrreaktion entwickelt haben und somit Trägerinnen der entsprechenden Antikörper sind. Nun hat aber der Erfolg dieser Therapie als Nebeneffekt, daß immer weniger Frauen Trägerinnen sind und somit als Spenderinnen in Frage kommen.
Eine Alternative ist, das Präparat aus Blut rhesusnegativer Frauen oder Männer zu gewinnen, die sich vorher freiwillig rote Blutkörperchen von rhesuspositiven Menschen einspritzen lassen, eine Abwehrreaktion durchmachen und Antikörper bilden. Diese künstliche Sensibilisierung stößt allerdings an ethische Grenzen. Insbesondere läßt sich das Risiko einer Infektion (HIV, Hepatitis) durch die fremden Blutkörperchen nicht völlig ausschließen.
Damit die rhesusnegativen Frauen auch in Zukunft bei Schwangerschaften die erforderliche Prophylaxe erhalten können, erproben nun Forschende der beiden Lausanner Hochschulen (ETH und Universität Lausanne) die Produktion dieser Antikörper durch gentechnisch veränderte Hamsterzellen. Menschliche Genfragmente für die neuen Antikörper kommen vom Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes (ZLB) des Schweizerischen Roten Kreuzes. Am Forschungsprojekt, das maßgeblich vom Schwerpunktprogramm "Biotechnologie" des Schweizerischen Rationalfonds finanziert wird, sind mehrere Hochschullaboratorien beteiligt. Das Laboratorium für molekulare Biotechnologie der Université de Lausanne baut verschiedene Typen von Antikörpergenen gegen den Rhesusfaktor zunächst in Plasmide (kleine DNA-Einheiten von Bakterien) ein. Diese Plasmide stellen das "trojanische Pferd" dar, mit welchem die Antikörpergene in das Erbgut der Hamsterzellen eingeschleust werden. Dies erfolgt am Laboratorium für Zellbiotechnologie der ETH Lausanne. Hier werden auch die gentechnisch veränderten Hamsterzellen in speziellen Geräten (Inkubatoren) gezüchtet, wo sie sich in Nährlösungen bei einer Temperatur von 37 Grad vermehren. Das Institut für technische Chemie der ETH Lausanne isoliert die Antikörper aus der Hamsterzellenkultur, die gereinigt als puderzuckerartiges Pulver, reines Anti-D Immunoglobulin, vorliegen. 5O Milligramm dieses Präparates, das nach nur einem Jahr Forschung und Entwicklung in Lausanne hergestellt werden konnte, würden für etwa 150 Behandlungen genügen.
Eine routinemäßige Anwendung kommt erst nach umfangreichen Sicherheitstests und klinischen Studien in Frage. Es muß nachgewiesen werden, daß das gentechnisch hergestellte Produkt ebenso sicher und wirksam wie das bisherige Präparat ist. Dies soll in Zusammenarbeit mit dem ZLB und einem weiteren Industriepartner geschehen. Läuft alles erwartungsgemäß, so dürfte das neue Produkt in etwa fünf Jahren für die rhesusnegativen Schwangeren verfügbar sein.
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