News: Auf dem Weg durch die Zelle
Wissenschaftler um Irina Majoul und Dieter Söling vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen haben nun erstmals in lebenden Zellen an den Transportprozess gekoppelte Protein-Protein-Wechselwirkungen zeigen können. Sie untersuchten dabei den Transport des so genannten KDEL-Rezeptors "Erd2". Besetzt man diesen Rezeptor, der sich normalerweise im so genannten Golgi-Kompartiment aufhält, durch ein KDEL-Protein, so wird er rasch in Transport-Vesikel umsortiert, die den besetzten Rezeptor in ein anderes Kompartiment, das endoplasmatische Retikulum, transportieren. Diese Sortierungs-und Transportvorgänge beruhen auf sehr fein abgestimmten Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Regulatorproteinen. Um derartige Wechselwirkungen sichtbar zu machen, wurden in Cambridge spezifische Fusionsgene hergestellt, die, wenn sie in die Zelle gebracht werden, etwas veränderte Proteine erzeugen. Die mit solchen Fusionsgenen erzeugten Proteine unterscheiden sich von den an der Sortierung beteiligten Proteinen dadurch, dass sie an einem Ende noch ein zusätzliches Protein haben, das fluoreszieren, also leuchten kann. Man kann fluoreszierende Proteine mit unterschiedlichen spektralen Eigenschaften verwenden und dabei die Eigenschaften der fluoreszierenden Proteinanteile so wählen, dass die Fluoreszenz eines Proteins (das kürzere Wellenlängen absorbiert) ein anderes Fluoreszenzprotein (mit Absorption im langwelligen Bereich) zur Fluoreszenz anregt. Dieses Phänomen nennt man Fluoreszenz-Resonanz-Energietransfer (FRET). Ein FRET-Phänomen lässt sich aber nur nachweisen, wenn beide fluoreszierende Komponenten (hier die beiden fluoreszierenden Fusionsproteine) sehr nah beieinander liegen (näher als 6 Nanometer = 6 millionstel Millimeter). Das Auftreten von FRET zwischen zwei Fusionsproteinen kann daher als Hinweis auf eine Interaktion dieser Proteine gewertet werden.
Um festzustellen, ob nach Besetzung des KDEL-Rezeptors bestimmte Proteine miteinander in Wechselwirkung treten, haben sich Irina Majoul und ihre Kollegen eines Tricks bedient, um den Besetzungsgrad des Rezeptors variieren zu können: Sie haben der zu untersuchenden Zelle von außen Choleratoxin angeboten, das durch Mutation ungiftig gemacht wurde. Choleratoxin kann an den KDEL-Rezeptor in gleicher Weise binden wie zelleigene KDEL-Proteine. Dass Choleratoxin in die Zellen aufgenommen und bis an den KDEL-Rezeptor im Golgi-Kompartiment transportiert wird, hatte Majoul zusammen mit Dieter Söling bereits früher gezeigt. Mit Hilfe dieses Tricks konnte sie nun nachweisen, dass bei lebenden Zellen, in denen verschiedene Paarungen von fluoreszierenden Fusionsproteinen auftraten, die Besetzung des KDEL-Rezeptors (durch Choleratoxin) bei bestimmten Paarungen mit zeitgleichen Änderungen des FRET-Signals einherging. So ließ sich zeigen, dass die Besetzung des Rezeptors zunächst dazu führt, dass mehrere Rezeptormoleküle miteinander in Wechselwirkung treten (Oligomerisierung) und dass der besetzte, oligomerisierte KDEL-Rezeptor anschließend mit bestimmten weiteren Proteinen interagiert und damit die Bildung des so genannten budding-Komplexes einleitet. Dieser Komplex bewirkt die Ausbildung von Membranausstülpungen, aus denen anschließend Transportvesikel oder Transport-Tubuli entstehen. Gleichzeitig kommt es während der Ausbildung des Komplexes zu einer Sortierung des besetzten KDEL-Rezeptors in diese Membranausstülpungen.
Die beschriebenen Vorgänge wären ohne die in der Arbeitsgruppe "Hochauflösende Optische Mikroskopie" von Stefan Hell entwickelte Multifokale Multiphoton-Mikroskopie (MMM) kaum darstellbar gewesen. Bei dieser Methode wird die Fluoreszenz nicht mit tiefblauem oder ultraviolettem Licht ausgelöst, sondern im nahen Infrarot, welches im allgemeinen verträglicher für die Zelle ist. Dabei wird der Farbstoff nicht mit einem, sondern mit zwei gleichzeitig absorbierten Infrarot-Photonen angeregt (Multiphotonenabsorption). Weil dieser Prozess nur bei ausreichender Photonendichte stattfindet, wird die Fluoreszenz nur in einer relativ dünnen Schicht um die Fokalebene herum aktiviert. Dies verbessert die Lokalisation der fluoreszierenden Fusionsproteine in der Zelle und erhöht die Messpräzision von FRET. Der besondere Trick von MMM ist eine rotierende, mit 30 Mikrolinsen versehene Scheibe, die den Laserstrahl in 30 Teilstrahlen aufteilt. Damit wird die auf die einzelnen Abschnitte der Zelle einstrahlende Energie vermindert und gleichzeitig der Beobachtungsbereich in 20-30 mal kürzerer Zeit abgetastet. So ist es mit dem MMM-Verfahren möglich, dynamische Vorgänge in Zellen auch über längere Zeitabschnitte (ein bis drei Stunden) zu beobachten, was neue Möglichkeiten für zellbiologische Untersuchungen an lebenden Zellen eröffnet.
Als nächstes wollen wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob auch so genannte SNARE-Proteine, die eine entscheidende Rolle beim Verschmelzen der Transportvesikel mit der Zellmembran spielen, an der Sortierung von transportierten Proteinen beteiligt sind.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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