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News: Aufs Korn genommen

Sauerstoff-Atome sind mit dem Elektronenmikroskop nicht eben leicht in atomarer Auflösung abzubilden. Nachdem es Wissenschaftlern dennoch Mitte des Jahres erstmals an einem Stück Kristall gelang, schaute sich nun ein anderes Team die Fehler in solchen Kristallen an.
Korngrenze
Viele Materialien lassen sich mittlerweile mit modernen Elektronenmikroskopen in atomarer Auflösung untersuchen. Doch einzelne Atome im Kristallgitter von Metalloxiden, wie Elektrokeramiken oder Hochtemperatur-Supraleitern, sichtbar zu machen, ist vor allem bei leichten Elementen wie Sauerstoff eine große Herausforderung. Diese leichten Elemente streuen die Elektronen nur schwach und geben daher im Elektronenmikroskop nur einen unzureichenden Kontrast, der zudem leicht von dem schwererer Atome überdeckt wird, die in den meisten Oxiden den Sauerstoff umgeben.

Dabei ist die atomare Verteilung von Sauerstoff in einem Material von großem wissenschaftlichen wie industriellen Interesse, da die elektrischen Eigenschaften oxidischer Materialien und die Balance zwischen elektronischer und ionischer Leitfähigkeit ganz wesentlich durch die Anwesenheit von Sauerstoff bestimmt wird. Fehler im Kristallgitter, wie etwa Korngrenzen, spielen hierbei eine besondere Rolle. Korngrenzen sind Grenzflächen beziehungsweise –schichten zwischen Kristallbereichen ("Körnern") gleicher Ordnung, aber unterschiedlicher Orientierung. Sie finden sich in jedem polykristallinen Material und haben eine Dicke von nur einem bis etwa fünf Atomdurchmessern.

Insbesondere für die Funktion von mikroelektronischen Bauelementen, Kondensatoren oder Brennstoffzellen sind Korngrenzen bedeutsam, denn sie haben erheblichen Einfluss auf physikalische Materialeigenschaften wie zum Beispiel die elektrische Leitfähigkeit. An solchen Kristallbaufehlern kann die Konzentration des Sauerstoffs deutlich von ihrer mittleren Konzentration im ungestörten Gitter abweichen. Und so können Korngrenzen in Elektrokeramiken beispielsweise elektrisch geladen sein und damit eine Barriere für bewegte Ladungsträger darstellen.

Um diese Grenzen genauer aufs Korn zu nehmen, bedienten sich die Wissenschaftler um Zaoli Zhang vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart eines speziellen Hochspannungs-Höchstauflösungs-Elektronenmikroskop mit einer Elektronenenergie von 1250 Kiloelektronenvolt und einer Punktauflösung von 1,2 Ångström. Mit diesem Gerät gelang es, die Sauerstoffatome von Strontiumtitanat (SrTiO3) direkt sichtbar zu machen. Das zeigte unter anderem auch der Vergleich mit Computersimulationen der Struktur.

Ebenso zeigte auch das Bild einer Korngrenze im Vergleich zur Computersimulation, dass hier Sauerstoff-Atomsäulen – Ketten aus Sauerstoff-Atomen – vorhanden sind. Aus dieser Aufnahme ließ sich direkt entnehmen, dass die Korngrenzenebene aus abwechselnd angeordneten Strontium–Sauerstoff- und Titan-Atomsäulen aufgebaut ist. Ferner stellten die Wissenschaftler fest, dass das Intensitäts-Profil entlang der Korngrenze deutliche Fluktuationen an den Sauerstoff-Positionen aufweist. Auch hier halfen Computersimulationen weiter: So zeigte sich, dass sich die Intensitäts-Fluktuationen auf fehlende Sauerstoff-Atome zurückführen lassen, was wiederum Aufschluss über die Sauerstoff-Konzentration entlang der Korngrenze gibt.

Die hohe Bildqualität sowie die vergleichsweise einfache Interpretierbarkeit der elektronenmikroskopischen Aufnahmen erlaubten zudem, die Atompositionen mit einer Genauigkeit von nur fünf Pikometern zu bestimmen. Es stellte sich heraus, dass sich benachbarte Titan-Säulen an der Korngrenze gegenseitig abstoßen, was vermutlich durch die hohe positive Ladung der Titan-Ionen verursacht wird. Im Gegenzug verringern sich die Abstände der Strontium-Sauerstoff-Säulen. Insgesamt ergibt sich eine Aufweitung der Korngrenze gegenüber einem starren Gittermodell um 43 Pikometer – ein Ergebnis, das in sehr guter Übereinstimmung mit theoretischen Rechnungen steht.

Nachdem es zuvor bereits einer Jülicher Arbeitsgruppe um Knut Urban unter Verwendung neuartiger Elektronenlinsen gelungen war, Sauerstoffatome in Materialien direkt abzubilden, zeigen die jetzt vorgestellten Ergebnisse, dass dies auch in der Nähe von Kristallbaufehlern möglich ist. Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg, keramische Materialien auf atomarem Maßstab zu verstehen. Zukünftige Experimente müssen nun die Frage klären, wie diese mikroskopischen Strukturen die makroskopischen Eigenschaften von Materialien, wie zum Beispiel die elektrische Leitfähigkeit, prägen. Dann, so spekulieren die Wissenschaftler, lassen sich auch Vorhersagen zu Materialeigenschaften treffen oder sogar gezielt Materialien mit bestimmten Eigenschaften herstellen.
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