Zwischen belebt und unbelebt: Bakterium verwandelt sich in Virus
Ein parasitisches Bakterium, das anscheinend auf dem Weg in die halb belebte Zwischenwelt der Viren ist, hat eine Arbeitsgruppe um Christoph M. Deeg von der University of British Columbia entdeckt. Auf der Suche nach Viren, die einzelliges Plankton befallen, stieß die Arbeitsgruppe auf den eigenartigen Organismus Chromulinavorax destructans, der Bakterien fressende Einzeller befällt. Wie das Team in einer Veröffentlichung auf dem Preprint-Server »BioRxiv« berichtet, hat die parasitische Mikrobe keinen eigenen Stoffwechsel, sondern nutzt ausschließlich die Ressourcen des infizierten Mikroorganismus – selbst das Energiemolekül ATP kann sie nicht selbst herstellen. Außerhalb seines Wirtes ist das Bakterium so scheintot wie ein Virus: Es kann keine Nährstoffe umsetzen oder sich teilen.
Zum Leben erwacht der Parasit erst, wenn er von seinem Wirt gefressen wird. Er kapert die Nahrungsvakuole, quasi den Magen des größeren Wirtes, und wandelt ihn für seine Zwecke um. Wie Deeg und sein Team schreiben, zieht das Bakterium anschließend dessen Mitochondrien an sich heran, so dass bald zwei Drittel der Wirtszelle mit diesen Zellkraftwerken gefüllt sind, die den Parasiten mit Energie versorgen. Dann bilden sich in der Zelle große Blasen, die anscheinend Erbgut für den Nachwuchs des Bakteriums enthalten; diese Blasen teilen sich in neue, reife Parasitenzellen, der Wirtsorganismus platzt, und die Angreifer schwärmen erneut aus.
Der Lebenszyklus von C. destructans entspricht in nahezu allen Details jenem von klassischen Viren; auch die Größe der Zellen ähnelt jenen Riesenviren, nach denen die Arbeitsgruppe eigentlich suchte. Zwei Dinge machen C. destructans dennoch zu einem Bakterium: Einerseits seine Abstammung – sein Genom zeigt, dass die Mikrobe zu einer Gruppe parasitisch lebender Bakterien gehört. Andererseits führt es, bevor es den Erreger verlässt, einen Zellteilungsschritt durch, für den es auch noch eigene Gene besitzt. Der Rest seines Erbgutes besteht hauptsächlich aus Genen für Transportmoleküle, die Nährstoffe aus der Wirtszelle ziehen. Möglicherweise wird Chromulinavorax destructans in Zukunft sein Genom weiter reduzieren und zu einem echten Virus werden. Nur sein Erbgut wird dann noch seinen ungewöhnlichen Werdegang verraten.
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