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News: Blicke sagen mehr als Worte

Die Wünsche von den Augen ablesen kann es noch nicht, aber auf Worte versteht sich das neue Eingabesystem britischer Forscher schon sehr gut.
Dasher
Man mag es sich gar nicht vorstellen, wie es ist, keinen Arm, keine Hand, ja noch nicht einmal den kleinen Finger rühren zu können. Wenn zusätzlich noch die Fähigkeit zu sprechen verloren geht, bleibt lediglich der Blick als einziges Mittel der Kommunikation. Zwar gab es in den letzten Jahren zum Teil erhebliche Fortschritte, Verständigungsmöglichkeiten auf technischem Wege zu ersetzen, aber an schnelles "Sprechen" oder Schreiben war mit den elektronischen Hilfsmitteln häufig nicht zu denken.

Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich muss beispielsweise bei Blick-kontrollierten Eingabesystemen jeder einzelne Buchstabe mühselig auf einer virtuellen Tastatur am Bildschirm angestarrt werden, um ihn auf diese Weise für ein Wort auszuwählen – ein Vorgang der völlig gegen unsere üblichen Sehgewohnheiten verstößt und höchste Konzentration erfordert. "Augen sind nun mal nicht dafür gemacht, Knöpfe zu drücken", meinen David Ward und David MacKay von der University of Cambridge zurecht.

Abhilfe könnte nun ihre neue Software schaffen, die die beiden Erfinder dankenswerterweise nicht nur kostenlos zur Verfügung stellen, sondern auch als so genanntes Open-Source-Projekt verbreiten wollen. Der Programm-Code soll also für jedermann frei zugänglich sein, und wer Ideen und Verbesserungen an der Original-Software hat, darf selbst Hand anlegen. Doch was macht Dasher (to dash: sausen, sich eilen) besser als andere Programme?

Als Schnittstelle zum Mensch dient dem Programm jedes beliebige richtungsweisende Eingabesystem, wie beispielsweise eine Maus, ein Trackball, ein Touchscreen, oder eben ein so genannter Eye-Tracker – ein digitales Kamerasystem, das erkennt auf welchen Punkt des Bildschirms die Augen gerade blicken.

Anstelle nun damit einen Zeiger über eine virtuelle Tastatur auf dem Bildschirm zu jagen, wählt der Nutzer bei Dasher die Buchstaben aus einer Reihe von übereinander gestapelten rechteckigen Kästen aus. Der Clou ist dabei, dass, sobald sich der Blick auf eine Box konzentriert, diese vergrößert wird und in ihr die nächsten Buchstaben angezeigt werden – nicht jedoch alle, sondern zunächst nur die, die am wahrscheinlichsten sind. Diese erscheinen in einem besonders großen Kasten. Wenig wahrscheinliche Möglichkeiten erscheinen entsprechend kleiner. Auf diese Weise kann der Schreibende die Buchstaben oder Wortfragmente aus den Boxen zusammenklauben, die nacheinander erscheinen, sodass schließlich ein sinnvoller Text am Bildschirm entsteht.

"Das System funktioniert wie ein Videospiel, in dem der Nutzer immer tiefer in eine riesige Bibliothek schaut", erklärt MacKay. "Ein Sprachmodell wird benutzt, um die Bibliothek gerade so zu gestalten, dass sich schnell und leicht mögliche Sequenzen und Buchstaben zusammenstellen lassen und Schreibfehler unterdrückt werden." Es funktioniert also ähnlich wie gängige Texterkennungssysteme für Mobiltelefone, die beim Tippen von Kurzmeldungen Vorschläge für das vollständige Wort geben. Der Vorteil von Dasher ist jedoch, dass gleich mehrere Vorschläge angezeigt werden, wobei sich die Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Vorschlags in der Größe des Kastens ausdrückt.

Offensichtlich lässt sich mit diesem System tatsächlich leichter schreiben, denn erfahrene Nutzer erreichten mit Dasher Geschwindigkeit von bis zu 25 Worten pro Minute. Probanden, die an die virtuelle Bildschirmtastatur gewöhnt waren, erreichten hier maximal 15 Worte in der gleichen Zeit. Zudem war deren Fehlerquote rund fünfmal so hoch wie bei Dasher.

Schließlich lässt sich das System auch ohne große Probleme an jede beliebige Sprache anpassen, weshalb die Forscher vor allem auch für den asiatischen Raum einen Markt sehen. Denn für Dasher wäre es ein Leichtes mit den Tausenden von Schriftzeichen umzugehen, die für eine herkömmliche Tastatur ein erhebliches Hindernis darstellen. Auch mobilen Anwendungen bleibt das Eingabesystem nicht verschlossen, wovon auch gesunde Menschen profitieren könnten. Denn auch hier geht das Tippen mit einem Stift auf einer winzigen Bildschirmtastatur in aller Regel langsamer vonstatten als die Eingabe mit Dasher.

Von der Leistungsfähigkeit kann sich jeder vermutlich im Laufe der nächsten Wochen selbst ein Bild machen, denn dann möchten die Entwickler ihr Programm zum freien Download im Internet anbieten – wahlweise für Windows- oder Linux-Betriebssysteme und in einer Version für Pocket-PCs.

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