Archäologie: Chinas Venedig der Steinzeit
Vor rund 5300 Jahren erhob sich aus dem Delta des unteren Jangtse eine blühende Metropole. Die Menschen konnten die Stadt zu Fuß betreten. Eine Straße führte durch die hoch aufragenden Mauern. Die meisten Bewohner fuhren aber wohl eher mit dem Boot. Denn um die Stadt erstreckte sich ein weit verzweigtes Netz von Kanälen, über das die Bewohner bis ins Zentrum der Metropole gelangen konnten. Dort ragte bis zu 15 Meter hoch eine Plattform auf, die auf einer Fläche von 630 mal 450 Metern aus Erde aufgeschüttet worden war. Obenauf stand ein ausgedehnter palastartiger Komplex samt großen Kornspeichern. Zwischen Plattform und Stadtmauern lagen Nekropolen mit reich ausgestatteten Gräbern. Die Wasserwege jenseits der Umwehrung ließen sich durch eine Reihe gewaltiger Dämme und Speicherseen regulieren.
Die Stadt, die heute unter dem Namen Liangzhu bekannt ist, war fast 1000 Jahre lang bewohnt. Ihre Kultur bestimmte auch das Leben in der umliegenden Region, die regelmäßig vom Fluss überschwemmt wurde. Mehr als 100 Kilometer entfernt von der Stadt entdeckten Forscher noch ähnliche Funde wie in Liangzhu. Die Ausgräber fanden auch heraus, dass die Stadt um 2300 v. Chr. untergegangen war – und danach in Vergessenheit geriet. Erst in den letzten zehn Jahren kamen Archäologen dem wahren Ausmaß der frühen Metropole auf die Spur.
Ihre Forschungen zeigen: Liangzhu war eine staatlich organisierte Gesellschaft, offenbar die bislang älteste bekannte ihrer Art in Ostasien. »Meiner Ansicht nach gibt es weltweit nichts Vergleichbares, das so früh datiert und hinsichtlich der Wasserbewirtschaftung – oder überhaupt hinsichtlich irgendeiner Art von Bewirtschaftung – derart monumental angelegt ist«, sagt Vernon Scarborough von der University of Cincinnati in Ohio. Frühe Zivilisationen entstanden demnach nicht allein im alten Ägypten oder Mesopotamien. Auch im fernen Osten blühte um 3300 v. Chr. eine hoch technisierte Kultur auf. Das heißt: Die Idee der Zivilisation erblickte mehrfach das Licht der Welt.
Gräber mit kostbaren Jadeobjekten
Die ersten Hinweise auf eine prähistorische Kultur im Jangtse-Delta entdeckte 1936 Shi Xingeng. Der Forscher, der im West Lake Museum von Hangzhou arbeitete, benannte die Stätte nach der nahe gelegenen Stadt Liangzhu. Shi hatte vor allem Überreste einer eher unscheinbaren schwarzen Keramikware gefunden. Erst in den 1970er und 1980er Jahren erregte Liangzhu große Aufmerksamkeit, als die Nekropolen im Umfeld der alten Stadt frei gelegt wurden.
In den meisten Gräbern lagen zwar kaum Beigaben, doch einige wenige Bestattungen enthielten hunderte kunstvolle Gegenstände aus Jade – darunter die frühesten Beispiele der für Chinas alte Kulturen so typischen Cong-Röhren sowie so genannte Bi-Scheiben. Das sind dünne, in der Mitte durchlochte Steindisken. Auf vielen dieser Stücke ist die Figur eines Mannes dargestellt, der einen üppigen, mit Federn verzierten Kopfschmuck trägt. Er reitet auf einem Ungeheuer mit riesigen Kulleraugen und gebleckten Zähnen. Gut möglich, dass die beiden Mythengestalten oder im Kult bedeutsame Figuren waren. Jedenfalls tauchen der Furcht erregende Reiter und sein Tier noch auf weiteren Grabbeigaben auf, wie Ritualäxten, Anhängern und Ziertäfelchen für Kopfbedeckungen.
Bislang hielten Forscher derartige Objekte für Zeugnisse späterer Kulturen. So hätten frühestens Angehörige der Zhou-Dynastie, ab 1046 v. Chr., Kunstwerke aus Jade gefertigt. Doch nun lagen solche Stücke in einer 5000 Jahre alten, neolithischen Nekropole. Es war ein erster Fingerzeig, dass Liangzhu möglicherweise eine hierarchisch strukturierte Gesellschaft beherbergt hatte, deren Handwerker kunstvolle Artefakte fertigten und deren Elite wohlhabend genug war, sich solch kostbare Stücke zu leisten.
Die Entdeckungen gaben Anlass für weitere Grabungen. Zwischen 1987 und 1993 fanden die Forscher die künstlich angelegte Erhebung im Herzen der Stadt. Sie bedeckt eine Fläche von fast 300 000 Quadratmetern. Die Menschen von Liangzhu hatten darauf aus Holz und Bambus einen großen Baukomplex errichtet, den die Ausgräber als Mojiaoshan bezeichneten. Anschließend kamen die Reste von Stadtmauern ans Licht: mehr als 20 Meter breit, noch 4 Meter hoch anstehend und umgeben von Wassergräben. Ähnlich einem Quadrat mit abgerundeten Ecken umfassten die Mauern aus Erde eine Fläche von 1900 mal 1700 Metern. Und offensichtlich hatten die Einwohner Nahrung im Überfluss: Neben der großen Plattform stießen die Ausgräber auf eine Grube mit ungefähr 13 000 Kilogramm verkohltem Reis. Womöglich, so vermuten die Archäologen, war das Getreide in einem der Kornspeicher auf Mojiaoshan verbrannt und dann nahebei in der Grube verscharrt worden.
Ein gigantisches System aus Dämmen und Kanälen
Zuletzt 2016 und 2017 erschienen jeweils in »Chinese Archaeology« und »PNAS« wissenschaftliche Studien, die es in sich hatten: Forscher um Liu Bin vom Zhejiang Provincial Institute of Cultural Relics and Archaeology in Hangzhou hatten erstmals die monumentalen wasserbaulichen Maßnahmen der Liangzhu-Kultur kartiert. Sie werteten Satellitenbilder aus, nahmen Bohrkerne und legten bei weiteren Grabungen westlich der Stadt eine Reihe niedrig gebauter Dämme frei. Um das Überflutungsgeschehen in der Ebene zu regulieren, waren dort unterschiedlich lange Sperrbauten auf dem nassen Untergrund angelegt worden – der mit Abstand größte misst 5 Kilometer in der Länge und 50 Meter in der Breite. Arbeiter hatten dafür unzählige mit Stroh umwickelte »Sandsäcke« aufgeschichtet, deren Struktur sich noch heute im Erdreich abzeichnet. Überdies hatten die Erbauer flussaufwärts fünf höhere Dämme angelegt: Zwischen 50 und 200 Meter lang ragen sie teils noch 10 Meter hoch auf. Hinter den Dämmen sammelte sich einst das aus dem Gebirge abfließende Wasser in riesigen Speicherseen. Mit Hilfe der Sperrbauten ließ sich der Wasserhaushalt auf einer Fläche von mehr als 10 000 Hektar kontrollieren, fast 6,5 Milliarden Kubikmeter Wasser wurden gebändigt. C-14-Datierungen sowie eine stilistische Analyse von Jadeobjekten, die in der Nähe der Deiche zu Tage kamen, ergaben: Einige Dämme standen bereits vor 5200 Jahren, also zur Zeit von Liangzhu. Und mancher Deich überdauerte die Jahrtausende bis heute: Der Qiuwu-Damm etwa ist noch immer in Betrieb.
Die Stauseen sicherten die Bewässerung der Reisfelder. Ebenso hielten sie Überschwemmungen zurück. Sie speisten zudem 51 Wasserwege, die das Gebiet um Liangzhu vernetzten. Dabei handelte es sich teils um natürliche Flussläufe, teils um Kanäle, die zusammengenommen eine Länge von ungefähr 30 Kilometern ergaben. »Der Austausch muss größtenteils per Boot erfolgt sein – es war eine Stadt der Kanäle ebenso wie der Straßen«, schreiben Colin Renfrew von der University Cambridge und Liu Bin 2018 in »Antiquity«. Vielleicht am ehesten vergleichbar ist Liangzhu mit dem mittelalterlichen Venedig oder den berühmten »Wasserstädten« in der Nähe von Schanghai, die jedoch einige tausend Jahre später entstanden sind.
Über das Kanalsystem schaffte man auch Baumaterialien wie Holz und Stein in die Stadt. Das belegen petrologische Untersuchungen. Die Fundamente der Stadtbefestigung fußten nämlich auf Steinmaterial, das aus dem nördlich gelegenen Gebirge stammte. Per Boot brachte man die unbehauenen Bruchsteine nach Liangzhu. Im Mauerring der Stadt gab es acht Wasserpforten, durch die Boote einfahren konnten.
Anbruch einer neuen Epoche
Während die Forschungen in Liangzhu weitergehen, deuten Entdeckungen anderswo in China darauf hin, dass das »Venedig« im Jangtse-Delta das Phänomen einer sozialen und kulturellen Umbruchzeit war. Erst im Jahr 2019 legten chinesische Archäologen dar, dass vor mehr als 5000 Jahren ein Wandel einsetzte: Im Gebiet des unteren und mittleren Jangtse – in der heutigen Provinz Sichuan – sowie entlang des unteren Gelben Flusses entstanden zahlreiche Siedlungen. Einige, darunter Shijiahe im mittleren Jangtse, waren so groß, dass nur gut organisierte Arbeiterschaften in der Lage gewesen sein können, die Gräben und Mauern anzulegen. »Liangzhu ist mit Abstand das größte Beispiel, aber es gibt noch andere umwehrte Stadtzentren«, sagt die Sinologin und Archäologin Jessica Rawson von der University of Oxford. »Die Handwerkskunst war in mehreren Regionen Chinas bereits sehr fortgeschritten, nicht nur für das Material Jade, sondern auch bei verschiedenen Keramiken.« Einige dieser Stätten standen miteinander in Kontakt, wobei die größeren Siedlungen vermutlich als lokale Machtzentren fungierten. Zeugnisse von Liangzhus Kultur etwa fanden sich in Gegenden mehr als 100 Kilometer von der Stadt entfernt.
All diese Funde liefern ein völlig anderes Bild, als es Forscher bisher von Chinas Geschichte gezeichnet haben. Einigermaßen sicher ist: Erstmals vor etwa 10 000 Jahren tauchten kleine Gemeinschaften von Reisbauern auf. Doch bis vor Kurzem ging man davon aus, dass die erste frühstaatliche Gesellschaft in China, die auf einer hierarchisierten Gesellschaft beruhte, erst vor 3600 Jahren mit dem Aufstieg der Shang-Dynastie in der Zentralchinesischen Ebene entstand. Das weit im Südosten gelegene Liangzhu weist aber bereits viele Merkmale einer staatlich organisierten Gesellschaft auf, die sich dann etwa 1700 Jahre früher formiert hätte als bislang angenommen. Nach Ansicht von Colin Renfrew und Liu Bin ist genau das der Fall gewesen.
- Der Bevölkerungsgröße: Lius Team schätzt, dass einst zwischen 22 900 und 34 500 Menschen die Stadt bewohnten. Das war um ein Vielfaches mehr, als für jede andere frühe Gemeinschaft in China nachgewiesen ist.
- Sehr wahrscheinlich war die Gesellschaft von Liangzhu stark hierarchisch gegliedert. Das folgern die Wissenschaftler aus dem großen Gefälle zwischen den wenigen sehr reich ausgestatteten und den vielen ärmlich bedachten Gräbern.
- Schließlich gibt es einige monumentale Bauten: die Stadtmauern, die Mojiaoshan-Plattform mit dem Palastkomplex und das System aus Dämmen. Die Gemeinschaft, genauer gesagt, die Elite war also in der Lage, derartige Baumaßnahmen zu organisieren, zu verwalten und durchzuführen.
Dabei sei besonders beeindruckend, dass die Menschen von Liangzhu all das ohne Lasttiere wie Pferde, Esel oder Ochsen errichteten, betont Jessica Rawson. »Alles war von menschlicher Arbeit abhängig«, sagt sie. »Und entscheidend dabei war, diese Arbeitskräfte zu organisieren.« Denn für die Baumaßnahmen mussten Bauern von der Feldarbeit freigestellt werden können. Das Team um Liu hat berechnet, dass allein für die Dämme von Liangzhu rund 2,9 Millionen Kubikmeter Erde bewegt wurden. 3000 Arbeiter hätten dafür schätzungsweise acht Jahre gebraucht. »Ohne Planung wäre so ein Wasserbauprojekt nicht realisierbar gewesen«, ist Rawson überzeugt. Außerdem: »Eine kleine Gruppe von Menschen wäre dazu nicht in der Lage gewesen – das war Management im großen Stil.«
Hochkultur ohne Schrift?
Weltweit kennen Archäologen kaum eine Hochkultur, die im 4. Jahrtausend v. Chr. vergleichbare Wasserbauwerke wie in Liangzhu verwirklicht hat. Wer aber die Wiege der Zivilisation sucht, blickt meist in den Vorderen Orient. Dort hatten sich zur selben Zeit einige städtische Gesellschaften herausgebildet, etwa Tell Brak in Syrien oder Uruk am Euphrat im heutigen Irak. Auch diese Städte florierten dank eines fortschrittlichen Wassermanagements. Doch in Größe und Komplexität haben die Menschen von Liangzhu deutlich mehr Aufwand getrieben. Liu und Renfrew sind überzeugt davon, dass die Staudämme von Liangzhu »womöglich weltweit die frühesten gemeinschaftlich errichteten Bauwerke in dieser Größenordnung sind«. Vernon Scarborough stimmt zu. Der Archäologe von der University of Cincinnati besuchte die Stätte 2017 und war überrascht, wie stark die Bewohner von Liangzhu in ihre Umwelt eingegriffen hatten. »Es gibt keine andere derart wasserbaulich veränderte Landschaft, die ebenso alt ist.«
Eine Sache allerdings fehlt bisher in Liangzhu: Die Archäologen haben noch keine eindeutigen Belege für eine Schrift gefunden. Und ohne Schrift, so die verbreitete Forschungsmeinung, könne sich kein Staat herausbilden. Möglicherweise sind aber einige Bilder, die Keramik- und Jadeobjekte zieren, nicht als reiner Dekor zu verstehen. Zhang Chunfeng von der Pädagogischen Universität Ostchina in Schanghai ist sich sicher, dass ein Teil der Symbole Schriftzeichen waren. Bisher sind 656 Symbole bekannt, von denen einige immer gleich arrangiert sind. Sie prangen etwa auf Gefäßen und dabei stets an derselben Stelle, etwa auf dem Fuß oder an der Mündung. Zhang folgert nun daraus, dass sie vielleicht wie ein Etikett Auskunft über den Inhalt gaben. Die Sprachforscherin fand auch heraus, dass einige Zeichen nach bestimmten Regeln verändert wurden, um ihnen womöglich eine neue Bedeutung zu verleihen. Beispielsweise wurden Striche hinzugefügt oder Motive anders miteinander kombiniert – aber eben nicht willkürlich, sondern regelhaft. War in Liangzhu also ein Schriftsystem im Entstehen gewesen? »Einige Symbole waren vermutlich nur dekorativ, manche besaßen eine bestimmte Bedeutung, und für den Rest ist es schwierig, ihre genaue Funktion zu bestimmen«, sagt die Forscherin. Sicher sein könne man nur, meint Zhang, wenn eine Art Rosetta-Stein für die Symbole von Liangzhu vorliegen würde.
Die Archäologen um Liu Bin haben genügend Daten über die Frühzeitmetropole gesammelt, um den Entstehungsprozess einer komplexen Stadtgesellschaft zu erhellen. Bekannt ist, dass der Übergang von der Lebensweise als Jäger und Sammler zu einem bäuerlichen Lebensstil in die Entstehung von Siedlungen mündete – die Gruppen begannen, sich nahe ihren Feldern niederzulassen. Irgendwann bündelten die Bauern ihre Ressourcen und setzten vermehrt auf Zusammenarbeit. Als Folge vergrößerten sich die Gemeinschaften. Das erklärt jedoch noch nicht, warum eine Gesellschaft dann den Sprung zur Metropole wagte. Was war der Anlass, dass Menschen Technologien entwickelten, eine Verwaltung errichteten und sich in der Folge eine hierarchische Gesellschaft herausbildete?
Ließ Wasser Zivilisationen blühen?
Laut Vernon Scarborough befeuerte ein Umstand die Entstehung der Stadtgesellschaft von Liangzhu: die Unwägbarkeiten der Natur. So bestand gerade in der Regenzeit das Risiko, dass Nutzflächen überschwemmt wurden. Im Sommer hingegen verdorrten die Reisfelder womöglich unter lang andauernder Trockenheit. Und damit war die Ernte gefährdet. Zu Anfang haben die Bauern wahrscheinlich nicht gleich ihre Energien in wasserbauliche Anlagen investiert. Eher haben sie zunächst versucht, die launische Natur mit Ritualen und Kulten günstig zu stimmen. Zu solchen Anlässen waren dann auch die verstreut lebenden Gruppen regelmäßig zusammengekommen. Durch die gemeinschaftlich begangenen Kulte könnten sich soziale Normen etabliert und sich Einzelne als Anführer hervorgetan haben, etwa weil sie das Wetter vorhersagen konnten und so das Wohl der Gemeinschaft förderten.
Sobald eine soziale Hierarchie existierte, gab es eine Elite, die genügend Arbeiter für Bauprojekte mobilisieren konnte. Weil das Wassermanagement der gesamten Gemeinschaft zugutekam, verfestigte sich wohl auch die bestehende Gesellschaftsordnung. Der herrschenden Schicht fielen folglich mehr Macht und Reichtum zu. Und beides ermöglichte es der Elite wiederum, weitere kunstvolle Objekte fertigen und monumentale Bauten errichten zu lassen.
»Wasser ist sicher nicht die einzige Ursache für die Entstehung komplexer Gesellschaften, aber es ist eine der wichtigsten«Vernon Scarborough, Archäologe, University of Cincinnati in Ohio
Dieselben Umstände, die in Liangzhu zur Herausbildung einer frühstaatlichen Gemeinschaft führten, herrschten nach Ansicht von Scarborough auch im Vorderen Orient – nur dass sich die Menschen dort vor allem gegen Dürreperioden wappnen mussten. »Es ging darum, Wasser, das ja nur begrenzt zur Verfügung stand, aus dem Tigris oder Euphrat abzuleiten, um so die wachsenden Städte zu versorgen.« Wie in Liangzhu hatten die Einwohner erkannt, dass ihr Dasein sicherer wäre, wenn sie die Umweltbedingungen beeinflussen könnten. Auch diese Entwicklung hat vermutlich zum Gesellschaftswandel beigetragen. Die Gruppen kooperierten enger, Einzelne taten sich dabei hervor, und allmählich bildeten sich Eliten heraus. »Wasser ist sicher nicht die einzige Ursache für die Entstehung komplexer Gesellschaften, aber es ist eine der wichtigsten«, sagt Scarborough.
Fluten brachten das Ende
Liangzhu entstand, weil das Land von Überschwemmungen heimgesucht wurde. Doch genau das führte wohl zu ihrem Untergang. Wang Zhanghua und ihr Team von der Pädagogischen Universität Ostchina untersuchten Sedimentschichten in der Region. Offenbar, so fanden die Forscher heraus, brachen immer wieder Flutwellen aus dem Ostchinesischen Meer über das Gebiet herein – erstmals vor etwa 4500 Jahren. Dadurch lagerten sich Algen und kleinen Meeresfossilien ab. Die Forscher um Wang dokumentierten die Schichten direkt über den Hinterlassenschaften der Liangzhu-Kultur. Die Fluten verwüsteten das Gebiet nicht nur, sie versalzten auch allmählich den Boden – bis kaum noch Reis angebaut werden konnte. »Die wichtigste wirtschaftliche und soziale Grundlage der Menschen von Liangzhu brach weg«, fasst Wang zusammen.
Die Stadt wurde verlassen. Die Menschen wanderten in andere Regionen ab – samt ihren Kenntnissen. Liu Bin und seine Kollegen gehen davon aus, dass spätere Kulturgruppen Elemente aus Liangzhu wie die Jade-Congs aufgegriffen haben. Doch schon die Liangzhu-Zivilisation selbst hatte die Landschaft um ihre Kanalmetropole nachhaltig verändert – und das bis heute.
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