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Nanologik: Das fünfte Element

Wissenschaftler haben nanometerkleine Schaltungen ersonnen, die wie logische Bauelemente arbeiten - ohne sich auf eine der möglichen Funktionen festzulegen.
Logische Schaltung
Heutige Computer arbeiten mit einer Unzahl von Transistoren. Sie lenken elektrische Ströme durch oder geben sich sperrig: Fließen Ladungsträger, interpretiert das elektronische Hirn diesen Sachverhalt als eine logische Antwort "Ja" oder "1", fließen keine, so entspricht das einem "Nein" oder der Ziffer Null. Mit Hilfe der Boole'schen Algebra lassen sich damit beliebige mathematische oder anderweitige Probleme lösen, die einer Ja-Nein-Entscheidung bedürfen oder komplex aus solchen zusammengesetzt sind. Die gesamte Elektrotechnik basiert auf derartigen Abfolgen von Einsen und Nullen und deren Arithmetik – angefangen vom PC über das Mobiltelefon bis hin zur "intelligenten" Waschmaschine.

Dieser Technik sind aber Grenzen gesetzt. Warum gibt der Akku meines Laptops nach spätestens zwei Stunden seinen Geist auf, oder warum wird das Mobiltelefon an meinem Ohr plötzlich so warm? Die Antwort ist relativ simpel: Die Ladungsträger – die Elektronen – zwängen sich durch die Leitungen und reiben sich sprichwörtlich an deren Atomen. Und wie jeder aus seiner Kindheit weiß, der kalte Finger oder blaugefrorene Ohren hatte: Reibung erzeugt Wärme. Für die elektronischen Helferleins bedeutet die Abwärme aber einen herben Verlust an Energie, der durch eine Quelle – einen Akku, eine Batterie oder durch das Verkabeln mit einer Steckdose – nachgeführt werden muss.

In der Computertechnik kommt ein weiteres Malheur hinzu: Auf Grund quantenmechanischer Eigenheiten stören sich die Elektronen bei zunehmender Integrationsdichte immer mehr. Bei extrem hoher Miniaturisierung ist die Entscheidung, ob ein Strom nun in diese oder jene Richtung fließt, nicht mehr eindeutig zu treffen. Die Rechenlogik, die auf klaren Entweder-Oder-Aussagen basiert, bricht hoffnungslos zusammen.

Flexible Nanoschalter | Eine Kombination aus fünf miteinander wechselwirkenden, nanometergroßen Dipolen können verschiedene Schalteigenschaften annehmen. Damit lassen sich relativ einfach Rechner bauen, in denen keine Elektronenflüsse mehr für die Datenverarbeitung sorgen, sondern magnetische Felder. Künftig könnte dies zu äußerst kompakten und leistungsstarken Geräten führen.
Für Abhilfe sollen nach Ansicht vieler Entwickler Schalterelemente sorgen, die magnetisch arbeiten. Magnetische Materialien haben in der Rechnertechnik eine lange Tradition, vorwiegend in der Datenspeicherung. Pioniere der ersten Stunden können sich noch an die schweren Spulen kilometerlanger Magnetbänder erinnern. Festplatten haben sie mittlerweile verdrängt oder ähnlich komfortable moderne MRAMs. Dieses Kürzel steht für Magneto-resistives Random Access Memory und bedeutet, dass die Speicherbausteine mit magnetischen Feldern beliebig oft wiederbeschreibbar sind und ihre Daten auch dann nicht verlieren, wenn der Strom abgeschaltet wird. Das ist ein Vorteil dieser Technologie. Ein weiterer ist, der relativ geringe Stromverbrauch beim Umschalten der Datenpunkte von Eins auf Null (oder umgekehrt). Und zu guter Letzt lassen sich damit ungemein kompakte Geräte bauen.

Versuchen die Hersteller solcher Speichermedien nun aber mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich die magnetisch niedergelegten Bits und Bytes gegenseitig beeinflussen und damit ihren Informationsgehalt verlieren, hat eine Arbeitsgruppe um Alexandra Imre vom Zentrum für Nanowissenschaften und Technologie der Notre-Dame-Universität zusammen mit ihrem Kollegen György Csaba vom Institut für Nanoelektronik der Technischen Universität München genau dies im Sinn: Sie wollen nichts Geringeres als den Transistor vom Thron stoßen, ihn regelrecht überflüssig machen.

Magnetschaltung | Schaltarithmetik des neuen, flexibel einsetzbaren Bauelements, das künftig die dominante Transistorentechnik ablösen könnte. Die Bauteile – nanometergroße Dipole – lassen sich frei programmieren und können so verschiedene Funktionen wahrnehmen.
Dazu haben sie jetzt eine Schaltung aus wenige Nanometer kleinen magnetischen Dipolen entworfen, mit denen sie die logischen Bauelemente Nicht-Und (NAND) und Nicht-Oder (NOR) herstellen können. Aus einer Kombination beider lassen sich beliebige aussagenlogische Schaltungen zusammensetzen und damit funktionierende Rechner.

Im Fokus der Arbeitsgruppe steht eine kreuzförmige Anordnung aus fünf Dipolen, die sie mit Hilfe der Elektronenstrahl-Lithografie in einem dünnen Film aus einer polykristallinen Nickel-Eisen-Verbindung erzeugten. Drei der äußeren Dipole können den in der Mitte liegenden zur Änderung seiner Polarität bewegen – je nachdem, welche magnetische Ausrichtung die drei jeweils besitzen. Als Input agiert die außen liegende Dreier-Combo, deren Polarität die Wissenschaftler von außen manipulieren können. Zeigt der Nordpol des mittleren (Rechen-)Magneten nach unten, lässt sich das als Zustand Null interpretieren, umgekehrt als "1". Das fünfte Element fungiert als Output. Es steht stets antiparallel zur zentralen Einheit und sorgt somit für die Negation (N oder NOT) des Ergebnisses.

Mit diesem Fünfergespann können die Experimentatoren nun höchst flexibel unterschiedliche logische Schaltungen aufbauen. Wird beispielsweise der links neben dem Zentrum stehende Schaltmagnet durch einen äußeren Anreiz stets auf dem Wert "1" gehalten, dann funktioniert diese Konfiguration wie ein NAND-Schaltelement: Es liefert immer den Wert "1", es sei denn, alle drei Schaltelemente geben als Input diesen Wert vor. Zeigt dagegen der linke Schaltmagnet stets den Wert "0", arbeitet das Kollektiv als NOR: Der Output ist stets Null, es sei denn, alle Input-Werte geben ebenfalls eine Null vor.

Weiterleiten lässt sich die so gewonnene Information ebenso mit gleichartigen Dipolmagneten, die dazu in einer Kette angebracht sein müssen, wobei die Nord- oder Südpole jeweils wechselweise angeordnet sind. Das entspricht einer "natürlichen" Anordnung, da sich gleichartige Pole ja gegenseitig abstoßen. Klappt ein Schaltvorgang nun das erste Glied einer solchen Kette um, ändert ein Dipol nach dem anderen ebenfalls seine Polarität. Auslesen lässt sich das Ergebnis mit einer ähnlichen Technik, die heute bereits bei der Datennahme der so genannten MRAMs benutzt wird.

Neben der Möglichkeit, mit dieser Technik sehr kompakte Rechner bauen zu können, verweisen die Wissenschaftler auf einen weiteren Vorteil: Prinzipiell lassen sich die Einheiten relativ problemlos neu programmieren – im Gegensatz zu den fest "verdrahteten" Transistoren. Halten die Computerfachleute für eine Rechenaufgabe beispielsweise verschiedene Elemente auf einem fest vorgegebenen Wert, um sie als NANDs oder NORs zu nutzen, können sie die Dipole für eine andere Rechenaufgabe ganz neu kodieren, sodass nun ganz andere Schaltelemente als NANDs oder NORs fungieren.

Noch steckt diese Technik in den Kinderschuhen. So lässt die Genauigkeit bei der Herstellung der Schaltelemente zu wünschen übrig: Nur etwa die Hälfte der produzierten Elemente funktioniere bislang wie gewünscht. Doch ging es den Experimentatoren zunächst darum zu zeigen, dass elektronische Schaltung mit dieser Technik prinzipiell machbar sind. Dafür bietet ihr Versuch bereits jetzt hochinteressante Perspektiven.

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