News: Das größte "Fernglas" der Welt
Um die volle Leistungsfähigkeit des neuen Teleskops zu nutzen, werden die von jedem Einzelspiegel reflektierten Lichtstrahlen überlagert, das heißt, zur Interferenz gebracht. Dieser physikalische Kunstgriff ist der Grund für die oben erwähnte außerordentlich hohe Bildschärfe. Ein weiterer Vorteil des Large Binocular Telescope ist sein vergleichsweise großes Gesichtsfeld von ungefähr 40 Bogensekunden -entsprechend dem scheinbaren Durchmesser des Planeten Jupiter. Am LBT gewinnen die Astronomen also großräumige Aufnahmen, die noch kleinste Details zeigen. Ausgestattet ist das Fernrohr mit adaptiver Optik, die das "Flimmern" der Luft ausschaltet und ungestörte Bilder liefert. Zudem hält ein System von mechanischen, computergesteuerten Stösseln die Spiegel stets in der richtigen Form (aktive Optik).
Vier Instrumente analysieren das Licht aus den Tiefen des Alls: eine elektronische Kamera mit großem Gesichtsfeld (Weitfeld-CCD), ein Paar Infrarot-Spektrografen (LUCIFER), eine Kamera im gemeinsamen Brennpunkt (LINC) sowie - im rechten Spiegel untergebracht - ein optischer Spektrograf (MODS). Alle Instrumente sollen ständig am Teleskop montiert bleiben. Die Wissenschaftler können mit jedem "Auge" unabhängig voneinander dasselbe Objekt beobachten, durch leichtes "Kippen" der Sehachsen aber auch unterschiedliche Objekte studieren oder sich mit beiden "Augen" im Interferenzmodus ein und dasselbe Objekt mit höchstem Auflösungsvermögen vornehmen. "Dadurch garantiert das LBT einzigartige Flexibilität", sagt Hans-Walter Rix vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie.
Mit dem Large Binocular Telescope werden die Astronomen vor allem weit entfernte Milchstraßensysteme, junge Doppelsterne und neu geborene Sonnen inmitten von protoplanetaren Scheiben ins Visier nehmen. Mit dem so genannten Null-Interferometer wollen die Experten nach extrasolaren Himmelskörpern fahnden. Dabei soll das Instrument das Licht eines fernen Sterns "ausblenden", um das schwache Glimmen der vom Stern sonst überstrahlten Planeten sichtbar zu machen.
Die Komponenten des Large Binocular Telescope werden zurzeit in den drei Partnerländern USA, Italien und Deutschland gefertigt: Das drehbare, 53 Meter hohe und 2000 Tonnen schwere Teleskopgebäude steht auf dem 3200 Meter hohen Mount Graham an der amerikanisch-mexikanischen Grenze vor seiner Vollendung; die beiden Teleskopspiegel wurden ebenfalls in den USA gegossen. Deutsche Astronomen arbeiten intensiv an der Planung und Fertigung der hoch empfindlichen Messinstrumente. Und die Firma Ansaldo Energia in Mailand hat die eigentliche Teleskopstruktur entwickelt und gebaut. Die mehr als 20 Meter hohe Struktur muss Hunderte von Tonnen auf Bruchteile eines Millimeters genau bewegen.
"Es ist begeisternd zu sehen, dass nach über zehn Jahren Vorbereitung, Planung und Bau die einzelnen Teile dieses Teleskops fertig werden", sagt Rix. "Jetzt können wir uns voll auf die Integration der Komponenten konzentrieren. Denn nur wenn die beste Mechanik, die besten Spiegel und die besten Instrumente reibungslos zusammenspielen, können wir mit diesem Fernrohr astronomische Spitzenforschung betreiben". Es werde aber noch zwei bis drei Jahre dauern, bis die einzelnen Bauteile zusammengefügt sind und miteinander harmonieren. "Aber dann haben wir ein neues, beispiellos scharfes Werkzeug in der Hand, um die Rätsel des Universums zu entschlüsseln."
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.