Infektionskrankheiten: Das Kuckucksei des Kolumbus
Trotz Antibiotika hat die Geschlechtskrankheit Syphilis nichts von ihrem Schrecken verloren. Doch woher stammt die Seuche? Hatte sie tatsächlich der Amerika-Entdecker Christoph Kolumbus auf seiner Rückreise nach Europa im Gepäck?
Treponemen, diese sich korkenzieherartig windenden Bakterienfäden, stellen die Wissenschaftler immer wieder vor Rätsel – und das schon lange. Nicht weil gegen die Parasiten kein Kraut gewachsen wäre. Denn seit über fünfzig Jahren gilt Penicillin als überaus wirksame Waffe gegen Syphilis wie auch gegen weniger gefährliche, vorwiegend tropische Treponematosen, die vor allem die Haut betreffen. Entsprechend gelang es den Medizinern schon vor Jahrzehnten, neben der Syphilis Leiden wie die Frambösie oder Himbeerseuche und die endemische oder tropische Syphilis durch das Antibiotikum weit gehend zurückzudrängen.
Out of Europe
Allerdings sind längst nicht alle Forscher von dieser Kolumbus-Hypothese überzeugt. Denn einerseits sind in Amerika keinerlei Anzeichen für frühere, vergleichbare Seuchen bekannt. Andererseits meinten Archäologen an europäischen Skeletten aus dem Mittelalter Hinweise auf Syphilis aufgespürt zu haben.
Ein internationales Forscherteam um Kristin Harper von der Emory-Universität in Atlanta versuchte nun, den Ursprung der Treponamatosen phylogenetisch zu ermitteln, indem es einen Genstammbaum konstruierte [1]. Aus allen Regionen der Welt bezogen die Wissenschaftler zunächst insgesamt 23 Proben der drei bekannten Subspezies von Treponema pallidum. Darunter waren zwei erstmals analysierte Proben, die während einer Expedition zu einer isoliert lebenden Population im südamerikanischen Guyana Hautgeschwüren entnommen worden waren.
Verräterischer Genstammbaum
Bei diesem Genvergleich erwiesen sich die Varianten aus Afrika und Asien, die Frambösie auslösen, als besonders ursprünglich. Demgegenüber scheinen die Syphilis erzeugenden Stämme erst vor kurzer Zeit entstanden zu sein. Als deren engste Verwandte identifizierten die Forscher die Stämme aus Guyana, die ebenfalls die nicht sexuell übertragene Frambösie verursachen.
Demnach könnte der Urahn von Treponema pallidum als Frambösie-Erreger aus tropischen Regionen der Alten Welt hervorgegangen sein. Mit den Wanderungen des Menschen gelangte er dann vielleicht nach Amerika.
Andere Forscher bleiben skeptisch. So bemängelt Connie Mulligan von der Universität von Florida in Gainesville, für eine verlässliche Einordnung der Erreger-Subspezies in einen Stammbaum seien immer noch zu wenige Daten erhoben worden [2]. Insbesondere stütze sich der angebliche Neuweltursprung der Syphilis auf lediglich zwei südamerikanische Erregerproben, die dann auch noch in derselben Region gewonnen worden seien. Die für den Vergleich ausgewählten vier Genorte der beiden neuen Erregerstämme beurteilten die Kritiker als zahlenmäßig zu gering und methodisch wenig geeignet.
Weg aus der Wildnis
Harper und ihre Kollegen geben zu, dass die begrenzte Zahl von Proben oder deren teilweise fehlende geografische Streuung die Aussagekraft ihrer Ergebnisse einschränken. Außerdem hätten die beiden neuen Proben den langen Weg aus der Wildnis Guyanas ins Labor nicht ganz unbeschadet überstanden.
Ob Kolumbus den Europäern tatsächlich ein fatales Kuckucksei ins Nest gelegt hat, bleibt somit umstritten. Und noch weitere Fragen stellen sich den Forschern: Warum lassen sich genetisch kaum unterscheidbare Erregerstämme so verschieden übertragen – entweder sexuell oder durch bloßen Hautkontakt? Verbirgt sich hinter der vermeintlichen Vielfalt von Subspezies vielleicht nur ein einziger Keim, der den jeweiligen äußeren Bedingungen – etwa dem Klima oder dem Immunstatus seines Wirtes – entsprechend verschieden schwere, variable Krankheitsbilder hervorruft? Dann wäre Christoph Kolumbus zumindest in dieser "Krankengeschichte" zum unbedeutenden Statisten degradiert.
Doch woher kam die Seuche, die einst in Europa auch unter dem Namen "Franzosenkrankheit" wütete? Lange Zeit galt als sicher, dass Christoph Kolumbus und seine Mannschaft den Syphilis-Erreger Treponema pallidum aus der gerade entdeckten Neuen Welt nach Europa importiert hatten – brach doch 1495, nur zwei Jahre nach ihrer Rückkehr, in Europa die allererste Epidemie der damals häufig tödlich verlaufenden Geschlechtskrankheit aus.
Out of Europe
Allerdings sind längst nicht alle Forscher von dieser Kolumbus-Hypothese überzeugt. Denn einerseits sind in Amerika keinerlei Anzeichen für frühere, vergleichbare Seuchen bekannt. Andererseits meinten Archäologen an europäischen Skeletten aus dem Mittelalter Hinweise auf Syphilis aufgespürt zu haben.
Ein internationales Forscherteam um Kristin Harper von der Emory-Universität in Atlanta versuchte nun, den Ursprung der Treponamatosen phylogenetisch zu ermitteln, indem es einen Genstammbaum konstruierte [1]. Aus allen Regionen der Welt bezogen die Wissenschaftler zunächst insgesamt 23 Proben der drei bekannten Subspezies von Treponema pallidum. Darunter waren zwei erstmals analysierte Proben, die während einer Expedition zu einer isoliert lebenden Population im südamerikanischen Guyana Hautgeschwüren entnommen worden waren.
Verräterischer Genstammbaum
Bei diesem Genvergleich erwiesen sich die Varianten aus Afrika und Asien, die Frambösie auslösen, als besonders ursprünglich. Demgegenüber scheinen die Syphilis erzeugenden Stämme erst vor kurzer Zeit entstanden zu sein. Als deren engste Verwandte identifizierten die Forscher die Stämme aus Guyana, die ebenfalls die nicht sexuell übertragene Frambösie verursachen.
Demnach könnte der Urahn von Treponema pallidum als Frambösie-Erreger aus tropischen Regionen der Alten Welt hervorgegangen sein. Mit den Wanderungen des Menschen gelangte er dann vielleicht nach Amerika.
"Die Syphilis ist eines der frühesten Beispiele für Globalisierung"
(George Armelagos)
Im Gepäck europäischer Invasoren könnte er schließlich den Weg zurück nach Europa der Renaissancezeit gefunden und dort als Treponema pallidum subspez. pallidum die erste Syphilis-Epidemie ausgelöst haben. Von hier aus stand ihm dann die ganze Welt offen. "Man kann sagen, die Syphilis ist eines der frühesten Beispiele für Globalisierung", betont Mitautor George Armelagos, ein entschiedener Verfechter der Kolumbus-Hypothese.(George Armelagos)
Andere Forscher bleiben skeptisch. So bemängelt Connie Mulligan von der Universität von Florida in Gainesville, für eine verlässliche Einordnung der Erreger-Subspezies in einen Stammbaum seien immer noch zu wenige Daten erhoben worden [2]. Insbesondere stütze sich der angebliche Neuweltursprung der Syphilis auf lediglich zwei südamerikanische Erregerproben, die dann auch noch in derselben Region gewonnen worden seien. Die für den Vergleich ausgewählten vier Genorte der beiden neuen Erregerstämme beurteilten die Kritiker als zahlenmäßig zu gering und methodisch wenig geeignet.
Weg aus der Wildnis
Harper und ihre Kollegen geben zu, dass die begrenzte Zahl von Proben oder deren teilweise fehlende geografische Streuung die Aussagekraft ihrer Ergebnisse einschränken. Außerdem hätten die beiden neuen Proben den langen Weg aus der Wildnis Guyanas ins Labor nicht ganz unbeschadet überstanden.
Ob Kolumbus den Europäern tatsächlich ein fatales Kuckucksei ins Nest gelegt hat, bleibt somit umstritten. Und noch weitere Fragen stellen sich den Forschern: Warum lassen sich genetisch kaum unterscheidbare Erregerstämme so verschieden übertragen – entweder sexuell oder durch bloßen Hautkontakt? Verbirgt sich hinter der vermeintlichen Vielfalt von Subspezies vielleicht nur ein einziger Keim, der den jeweiligen äußeren Bedingungen – etwa dem Klima oder dem Immunstatus seines Wirtes – entsprechend verschieden schwere, variable Krankheitsbilder hervorruft? Dann wäre Christoph Kolumbus zumindest in dieser "Krankengeschichte" zum unbedeutenden Statisten degradiert.
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