Emissionsnebel: Das "rennende Huhn" IC 2944
"Das rennende Huhn" ist einer dieser Gasnebel, deren animalische Namenspaten sich nur mit viel Fantasie erahnen lassen. Die Europäische Südsternwarte ESO zeigt nun einen neuen Einblick in das charakteristische Farbenspiel eines Sternentstehungsgebiets, dessen Umrisse bei der Namensgebung an kosmisches Federvieh erinnert haben müssen. Das energiereiche Licht heißer, junger Sterne regt Wolken aus Wasserstoff in der Umgebung zu rotem Leuchten an. Dabei ist ein solcher Nebel relativ kurzlebig: In wenigen Millionen Jahren wird der rötliche Schein langsam verblassen.
Die neue Aufnahme gelang mit der Weitfeld-Kamera des 2,2-Meter-Teleskops der ESO auf dem Berg La Silla in Chile. Das Bild blickt in den Torso eines etwa 6000 Lichtjahre von uns entfernten Nebels. Er nennt sich formal IC 2944 und liegt im südlichen Sternbild Zentaur. Gerade außerhalb der rechten oberen Ecke des Bilds befindet sich der Stern Lambda Centauri. Der Umriss des "rennenden Huhns" ist in dieser Aufnahme übrigens nicht auszumachen, dafür wäre ein deutlich größerer Bildausschnitt nötig.
Vor dem Hintergrund des leuchtenden Nebels fallen einige dichte, dunkle Wolken auf, so genannte Globulen. Im Jahr 1947 beschrieb der Astronom Bart Bok diese Gebilde aus Staub und Gas erstmals. Drei Jahre später entdeckte Andrew David Thackeray eine Kette solcher Dunkelwolken in IC 2944. Diese Wolken, die in der ESO-Aufnahme gut zu erkennen sind, heißen daher auch "Thackerays Globulen".
Bereits im Jahr 2002 veröffentlichte die NASA hochauflösende Hubble-Aufnahmen einiger dieser dunklen Wolken. Die Globulen enthalten das Material mehrerer Sonnen und könnten sich daher in ferner Zukunft verdichten und in ihrem Inneren neue Sterne bilden – sofern sie vorher nicht von ihrer unfreundlichen Umgebung auseinander gerissen werden. Die Weitfeld-Kamera der ESO bietet zwar nicht die Auflösung des Weltraumteleskops, deckt dafür im Vergleich zu Hubble aber einen wesentlich größeren Bereich des Himmels ab, etwa von der Größe unseres Mondes.
Besonders interessant sind derartige Aufnahmen aus dem sichtbaren Spektralbereich im Vergleich mit Bildern, die Wärmestrahlung (Infrarot) zeigen. Denn bei größeren Wellenlängen werden aus Dunkelwolken leuchtende Objekte. So zeigt sich auch das "rennende Huhn" von einer ganz anderen Seite, vergleicht man das Bild der ESO mit einer Aufnahme des Wide-Field Infrared Survey Explorer (WISE) der NASA. Dort verschwinden die dunklen Staubklumpen und geben den Blick auf dahinter liegende Sterne frei.
WISE ist empfindlich für infrarote Wellenlängen. So werden Sterne und Regionen sichtbar, die im optischen Bild der ESO verborgen sind. Insbesondere ausgedehnte grünliche Staubwolken rund um den Nebel fallen auf. Sie schlucken sichtbares Licht und geben dafür Wärmestrahlung mit 12 Mikrometern Wellenlänge ab. Eine ausgedehnte ringförmige Staubstruktur entstand, als die Sonnenwinde der jungen Sterne umgebendes Material von sich stießen. Im Bild der ESO schluckt dieser Staub besonders am unteren Bildrand das Licht der dahinter liegenden Sterne, so dass die Bereiche dunkler erscheinen. Auch Thackerays Globulen sind in der WISE-Aufnahme verschwunden.
Das neue Bild ist eine Aufnahme aus dem ESO-Programm "Cosmic Gems" ("kosmische Edelsteine"). Dabei nutzt die ESO ihre Teleskope, um zwischen den regulären wissenschaftlichen Beobachtungen einzelne Aufnahmen von optisch ansprechenden Himmelsobjekten zu erzeugen. Diese Bilder sollen die Schönheit des Weltalls und die Arbeit der ESO an die Öffentlichkeit tragen.
Das neue Bild vom Rumpf des "rennenden Huhns" IC 2944 ist daher vorrangig hübsch anzuschauen und nicht von besonderem wissenschaftlichen Wert. In unserem Vergleich mit der Infrarotaufnahme der gleichen Region demonstriert das ESO-Bild aber auch sehr gut, wie sich verschiedene Aufnahmetechniken ergänzen können, um dem Beobachter eine umfassendere Vorstellung von kosmischen Vorgängen zu geben.
Mike Beckers
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