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Meeresbiologie: Dem Grün nicht grün

Warm wird oft gleichgesetzt mit reichhaltiger Lebewelt - und in vielen Fällen trifft das auch zu. Für eine ganz entscheidende Gruppe von Lebewesen allerdings nicht: Auf Grund steigender Wassertemperaturen hat das Phytoplankton der Weltmeere in den letzten hundert Jahren abgenommen.
Marine Kieselalgen
So winzig sie sind, so bedeutend ist ihre Arbeit: Das Phytoplankton der Meere liefern etwa die Hälfte der globalen Primärproduktion und die Basis für alle darauf aufbauenden Nahrungsnetze der Ozeane. Und doch gibt es relativ wenig verlässliche Daten darüber, wie sich die Planktondichte in den Jahrzehnten verändert hat und welche Faktoren hier entscheidend eingreifen. Zwar liefern Satellitenbilder inzwischen tiefe Einblicke in das Geschehen an abgelegenen Meeresregionen, doch reichen sie nur bis 1979 zurück – zu kurz für das Erfassen von Langzeittrends.

Planktonblüte | Satelliten liefern nicht nur Bilder von Planktonblüten wie hier im Nordostatlantik, sondern auch Messergebnisse zur Planktondichte. Für Langzeittrends reichen ihre Daten jedoch nicht weit genug zurück.
Statt scharfer Augen aus dem All genügt Forschern aber seit dem 19. Jahrhundert auch eine weiße runde Platte von etwa 30 Zentimetern Durchmesser, die an Schnüren ins Wasser gelassen wird. Ist diese so genannte Secchi-Scheibe von Bord aus nicht mehr zu erkennen, hat sie die Sichttiefe erreicht, aus der sich ihrerseits dank empirischer Modelle die Planktondichte ermitteln lässt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ergänzen direkte spektroskopische Messungen des Chlorophyllgehalts in Wasserproben die Dichtebestimmung von Algengemeinschaften

So konnten Daniel Boyce von der kanadischen Dalhousie University in Halifax und seine Kollegen doch auf einen umfangreichen Datenfundus zurückgreifen, um die Entwicklung der Planktonbestände bis 1899 zurückzuverfolgen. Und während die Satellitenaufnahmen bislang ein uneinheitliches Bild lieferten, ist die Botschaft der historischen Messergebnisse klar: Global gesehen hat die Phytoplanktondichte im letzten Jahrhundert im Schnitt um ein Prozent jährlich abgenommen [1].

Nur im östlichen Pazifik sowie im nördlichen und östlichen Indischen Ozean verzeichneten die Wissenschaftler Zuwächse. Doch reichen diese nicht aus, um die Abnahme insbesondere in den hohen Breiten und den Tropen auszugleichen. Die offenen Ozeane, wo die größte Produktivität herrscht, sind dabei stärker betroffen als küstennahe Regionen. Zusätzlich zu diesem Langzeittrend fanden die Wissenschaftler auch kurzfristigere Schwankungen, die sich gut mit regionalen Klimaphänomenen wie El-Niño-Ereignissen korrelieren lassen.

Wie kommt's? Für die kleinen Primärproduzenten wird es offenbar zu warm, stellten die Forscher fest. Denn nach sorgfältiger statistischer Analyse kristallisierte sich die Wassertemperatur als Hauptfaktor für die Phytoplanktonbesiedlung heraus. Je wärmer allerdings die Oberflächenschichten, desto weniger Nährstoffnachschub erreicht die winzigen Organismen aus der Tiefe. Von Luft und Licht allein kann aber auch eine Alge nicht leben.

Marine Diatomeen | Phytoplanktonorganismen wie diese Kieselalgen sind für etwa die Hälfte der globalen Primärproduktion verantwortlich. Doch steigende Wassertemperaturen machen den winzigen Kreaturen zu schaffen.
Die zentrale Rolle der Temperatur bestätigt eine weitere, parallel veröffentlichte Studie zur Biodiversität der Meere. Hier allerdings zeigt sich das bekannte Bild: In wärmeren Regionen fanden die Forscher um Derek Tittensor, aus derselben Arbeitsgruppe um Boris Worm an der Dalhouse University, prinzipiell auch eine reichhaltigere Fauna.

Sie hatten 13 Taxa querbeet durch das Tierreich ausgewählt und versucht, den übergeordneten Einflussfaktor für deren Biodiversitätszentren herauszukristallisieren. Dabei ergaben sich zwei Muster: Bei den küstennah lebenden Organismen konzentriert sich die größte Vielfalt im Westpazifik und nimmt global mit dem Breitengrad entlang der Küsten ab. Neben der Wassertemperatur spielt hier auch das Lebensraumangebot, gemessen als Küstenlänge, eine Rolle. Bei den Freiwasserbewohnern hingegen liegen die artenreichsten Regionen vor allem zwischen dem 20. und 40. Breitengrad Nord wie Süd rund um den Globus.

Was diese gegensätzlichen Ergebnisse für die Zukunft solch unterschiedlicher Felder wie Stoffkreisläufe, Ozeanströmungen oder auch Fischereierträge bedeuten, darüber wagen selbst die Forscher nicht zu spekulieren. Sie sind sich nur einig darin: Das Geschehen muss weiterhin gründlich und kontinuierlich beobachtet werden. Angesichts der globalen Bedeutung der Meere in allen Facetten sicher keine überzogene Forderung.

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