News: Der Dino und die Kontinente
Die Wissenschaftler bargen Teile des Schwanzes des Tieres sowie einen nahezu vollständigen Schädel. Obwohl die Schädelknochen über eine Fläche von 2 Quadratmetern verstreut gefunden wurden, waren sie erstaunlich gut erhalten, sagt Lawrence Witmer, Assistenzprofessor für Anatomie am Ohio University's College of Osteopathic Medicine. "Die Leute glauben gewöhnlich, daß die beste Art von Fossil ein intaktes Exemplar ist, aber das stimmt nicht", sagt Witmer. "Intakte Fossilien erlauben es Wissenschaftlern nicht, die inneren Strukturen eines Tieres zu sehen. Dieses Fossil ist etwas Besonderes, nicht nur weil es in separaten Knochenteilen gefunden wurde, sondern auch, weil es gut erhalten ist. Wir können die Knochen tatsächlich wie in einem Puzzle zusammensetzen."
Es scheint, daß das Tier kurz nach seinem Tod von einer Flut begraben wurde, so daß die Überreste vor Aasfressern und gegen Verwesung geschützt wurden, sagt David Krause, Professor für Anatomie an der SUNY und Leiter der Expedition, die im Jahre 1996 die Entdeckung machte.
Der gute Zustand des Fossils ist nur einer von vielen Gründen, warum die Wissenschaftler so freudig erregt sind über ihren Fund, sagt Sampson vom New York College of Osteopathic Medicine. Von wahrscheinlich noch größerer Bedeutung ist die Tatsache, daß das Tier sehr dem gehörnten TheropodenCarnotaurus ähnelt, der bisher nur aus Argentinien bekannt ist. Sowohl Majungatholus als auch Carnotaurus gehören zu der Dinosaurierfamilie der Abelisauridae, die in der späten Kreidezeit lebte. Bislang wurden Mitglieder dieser Familien nur in Indien und Südamerika gefunden.
Das Auftreten derart eng verwandter Dinosaurier auf weit voneinander entfernten Landmassen stützt ein neues Modell zur Plattentektonik. "Dinosaurier lebten zu einer Zeit, als alle Kontinente verbunden waren. Deshalb können wir an ihnen Hypothesen über den Zeitpunkt des Auseinanderbrechens der Erdkontinente überprüfen", sagt Sampson. "Bis heute nahm man an, daß sich die Kontinente in einer bestimmten Weise spalteten, wobei Südamerika und Afrika als einheitlicher Block wegbrachen. In diesem Falle wären Tiere aus Südamerika und Afrika eng miteinander verwandt. Aber dieses Tier, das in Madagaskar gefunden wurde – einer Insel vor der Südostküste Afrikas – ist enger verwandt mit Tieren, die man sonst auf der anderen Seite der Welt findet."
Die Forscher vermuten, daß während der Kreidezeit lange eine Landverbindung zwischen Südamerika und Madagaskar bestand, die es Dinosauriern erlaubte, die großen Entfernungen zwischen diesen beiden Gebieten zurückzulegen. Nach ihren Vorstellungen trug die Antarktis wesentlich zu dieser Brücke bei. "Man könnte die Vorhersage wagen, daß die Antarktis, und möglicherweise Afrika, Orte sind, an denen man weitere Abelisaurier finden wird", meint Witmer.
Majungatholus wurde ursprünglich nach einem isolierten Schädelfragment benannt, das einem Pachycephalosaurus zugeschrieben wurde. Der neue Schädel zeigt jedoch eindeutig, daß Majungatholus kein Vegetarier war, wie Wissenschaftler lange geglaubt hatten, sondern ein fleischfressender Theropode und entfernter Cousin des Tyrannosaurus rex. "Diese Erkenntnisse sind wichtig für das Verständnis der globalen Verteilungen der Dinosaurier, weil der Majungatholus sonst der einzige Pachycephalosaurus wäre, der auf der südlichen Hemisphäre gefunden wurde", sagt Sampson.
Vorläufige Studien am Majungatholus deuten darauf hin, daß er eine Gesamtkörperlänge von sieben bis neun Metern hatte und zu seiner Zeit der größte Räuber auf Madagaskar war. Majungatholus besaß eine sehr ungewöhnliche Knochenstruktur und Gesichtszüge, die eventuell dazu dienten, potentielle Partner anzulocken oder potentielle Feinde abzuschrecken. Seine Gesichtsknochen waren rauh, und er besaß eine knochige Beule über seinen Augenhöhlen. Die Beule war wahrscheinlich von einer Art Horn bedeckt, vielleicht ähnlich dem Horn eines Rhinozeros.
Die Struktur seines Unterkiefers deutet darauf hin, daß er ein intramandibuläres Gelenk besaß, das Bewegung innerhalb des Unterkiefers erlaubte. Diese Art von Gelenk hat es dem Majungatholus leichter gemacht, sein Futter zu kauen. Es ähnelt den Gelenken, die man bei einigen Vögeln sowie bei Eidechsen und Schlangen unserer Zeit findet.
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