News: Die langen Klauen der Sucht
Beliebte Versuchstiere für Suchtverhalten sind Ratten. Sie lernen recht schnell, sich über Hebel selbst Kokain zu spritzen. Und wenn die Forscher sie dann zwangsentwöhnen, lässt ihre Verhalten grundlegende Schlüsse über die Folgen des Entzugs zu. Auch Jeffrey Grimm und seine Kollegen vom National Institute on Drug Abuse in Baltimore machten ihre Ratten kokainsüchtig. Sie hielten die Trainingsstunden jedoch nur bei roter Beleuchtung ab, und jede Kokaingabe belohnten sie mit einem kombinierten Ton- und Lichtsignal. Auf diese Weise lernten die Tiere, die äußeren Reize mit der Droge zu verknüpfen.
Dann setzten die Forscher die Ratten auf Entzug. Zwar durften die Tiere weiterhin den Hebel drücken, und auch das Rotlicht, das den Nagern die Verfügbarkeit der Droge signalisierte, war an. Doch sie pressten vergeblich. Die Ratten, die gerade am Tag zuvor sich noch die letzte Kokaindosis holen konnten, gaben am schnellsten die erfolglosen Versuche auf. Ihre Artgenossen hingegen, die schon seit zwei Monaten darauf verzichten mussten, brauchten wesentlich länger, bis sie den Fehlschlag akzeptierten.
In einem zweiten Versuch setzten die Wissenschaftler zusätzlich das Ton-Licht-Signal der Kokaingabe ein, um die Ratten zu narren. Drückten die Tiere nun den Hebel, zeigte das Signal eine erfolgreiche Injektion an – die jedoch gar nicht erfolgte. Und wiederum erwiesen sich die Nager mit der längsten Entzugszeit am ausdauerndsten, bis sie das Hebeldrücken aufgaben.
Diese Ergebnisse stimmen mit Beobachtungen an süchtigen Menschen überein. Grimm und seine Mitarbeiter schließen daraus, dass das Craving womöglich erst nach einiger Zeit einsetzt und eventuell deutlich länger anhält. Der Mechanismus, der dieser Verzögerung zugrunde liegt, ist noch nicht klar. Doch das Verhalten entwickelt sich in einer Phase, in der die neurologischen Anpassungen, die während eines Kokainentzugs auftreten, sich zunehmend zurückbilden. Die Gefahr für einen Rückfall ist also dann am stärksten, wenn der akute Entzug längst vorbei ist. Das Verlangen lässt eben nicht los – später noch weniger als früher.
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