CRISPR-Gentechnik: Die nächste Genschere ist ein Schredder
Die Genschere CRISPR-Cas9 war ein glücklicher Zufallsfund aus dem Waffenarsenal der Natur: Bakterien setzen sie ursprünglich dazu ein, um das Erbgut von eindringenden Viren zu zerlegen und sich so selbst zu schützen. Dabei arbeitet CRISPR-Cas9 eher wie ein Florett und setzt zwar sehr gezielte, aber doch minimale Stiche gegen eine fremde DNA. Eben diese Eigenschaft prädestiniert es für Gentechniker, die treffsicher eine Zielsequenz ansteuern möchten, um dort einzelne Basen mit exakten Schnitten zu entfernen. Dass Bakterien neben dem Florett auch die grobe Keule kennen, beschreibt nun ein Team von Molekularbiologen unter der Federführung von Yan Zhang von der University of Michigan: Das von ihnen vorgestellte System Type-I-CRISPR-Cas3 dockt zwar auch sehr genau an einem Punkt der Ziel-DNA an, beginnt von dort aus aber wie ein Rasenmäher längere Genabschnitte vollständig zu schreddern. Genau diesen Typ Werkzeug könnten Gentechniker in Zukunft vielleicht einmal gut brauchen, schreiben die Autoren in »Molecular Cell«.
Kern des neuen Gentools sind die CRISPR-Typ-1-Komplexe, die in Bakterien viel häufiger sind als der Typ 2, der zusammen mit Cas9 berühmt geworden ist. Im Typ-1-CRISPR sind verschiedene, aus mehreren Untereinheiten bestehende Ribonukleoproteine zu einem »Cascade« getauften Komplex zusammengebaut, die gemeinsam Zielsequenzen der DNA erkennen und binden. Wie CRISPR-Cas9 lassen sie sich exakt zu einem gewünschten Ziel dirigieren, dazu dient eine kurze, beliebig programmierbare crRNA-Sequenz. Bisher war nie untersucht worden, was ein System wie Type-I-CRISPR-Cas3 im wirklichen Leben mit DNA-Molekülen anstellt, nachdem es an sie gebunden hat. Im Versuch von Zhang und Kollegen zeigte sich nun in menschlichen embryonalen Stammzellen und anderen Zellkulturen, dass der Komplex mit Cas3 lange Deletionen verursacht: Er rutscht über viele Kilobasen an dem DNA-Strang entlang und baut ihn dabei ab. Der Komplex sei »wie ein DNA-Schredder mit Motor«, so Zhang.
Dies könne zum Beispiel nützlich sein, um die Aufgabe von längeren, nicht codierenden Abschnitten der DNA zu untersuchen: Man könnte sie mit Typ-1-CRISPR-Cas3 gezielt abbauen und sehen, was dies für Folgen hat. In bestimmten Punkten arbeitet die molekulare Keule dabei wahrscheinlich exakter als das Standard-CRISPR-Cas9. Die dirigierende crRNA ist länger und bindet daher wohl spezifischer nur dort, wo sie soll. Noch nicht gut geklärt ist, wann und warum der Schredder sich nach seiner Aktion an der DNA wieder ausschaltet. Die Forscher beobachteten, dass er zwar immer größere Abschnitte der Ziel-DNA zerlegte, dass das Werkzeug aber mal schon nach 0,5 Kilobasen, manchmal auch erst nach 50 Kilobasen stoppte. Das neue Werkzeug eigne sich daher vorerst vor allem zu Untersuchungszwecken und nicht für eine mögliche medizinische Anwendung. Insgesamt zeigt sich ein weiteres Mal, dass der CRISPR-Werkzeugkasten der Bakterien vielfältig ausgestattet ist.
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