Robotik: Die Suche nach dem sympathischen Blechmann
Die Arbeitswelt der Zukunft wird durch die Kooperation von Mensch und Maschine geprägt. Doch wie soll Kollege Roboter beschaffen sein, damit seine menschlichen Mitarbeiter ihn akzeptieren? Österreichische Soziologen suchen eine Antwort.
Die unbekannte Spezies kündigt sich mit leisem Rattern an. Köpfe drehen sich, Passanten bleiben stehen. Dann ein Ruck, ein mechanisches Surren, und eine elektronische Frauenstimme sagt: "Hallo, mein Name ist ACE. Wenn Sie mit mir interagieren wollen, berühren Sie bitte den Bildschirm."
Einige Meter entfernt, versteckt hinter den Arkaden eines Geschäftshauses, beobachtet Astrid Weiss das Geschehen. Sie hat ACE an diesem Montagmorgen Ende Juli auf die Menschen losgelassen – als Test einer zukünftigen Alltagswelt.
Darum erforscht die Salzburger Soziologin, wie Menschen auf den Kontakt mit den Maschinen reagieren. Weiss arbeitet am ICT&S-Center der Universität Salzburg, das sich auf die Interaktion zwischen Technologie und Gesellschaft spezialisiert hat. Das Institut ist Mitglied beim internationalen Projekt Robot@CWE, das bis 2009 neuartige Roboter entwickeln will: Maschinen, die so sicher sind, dass Menschen mit ihnen zusammen arbeiten können.
Der Roboter als zukünftiger Arbeitskollege
Eine solche Kooperation zwischen Mensch und Maschine gilt vielen Experten als die Trendwende in der Arbeitswelt der Zukunft. Bereits 2005 schweißten, frästen und lackierten nach Schätzungen der International Federation of Robotics weltweit 923 000 Roboter in Industriehallen Autoteile oder Baustoffe. Gleichzeitig waren etwa 32 000 professionelle Serviceroboter im Einsatz – und die Nachfrage steigt bis 2009 voraussichtlich jedes Jahr um sechs Prozent. Auch das Militär ist interessiert: Die südkoreanische Regierung etwa testet seit Anfang des Jahres drei bewaffnete Maschinen als Grenzschützer zu Nordkorea.
Roboter könnten auf Baustellen schwere Lasten tragen, in Krankenhäusern Botendienste erledigen oder bei Erdbeben in Gefahrenzonen vordringen und Daten an die Rettungshelfer senden.
Angst vor dem Unbekannten
Doch die beste Technik nützt nichts, wenn die Menschen nicht mit ihr arbeiten wollen. "Genau hier kommt die Akzeptanzforschung ins Spiel", erklärt Soziologin Weiss. "Wir wollen herausfinden, was Menschen motivieren könnte, mit Robotern zusammen zu arbeiten."
Um ACE stehen inzwischen etwa zehn Menschen. Aus gebührendem Abstand beobachten sie den Automaten. Manche lachen und tuscheln leise miteinander, andere winken wild in die Kameras der Maschine.
Es sind die Vorurteile und Ängste der Menschen auf dem Karlsplatz, welche die Forscher interessieren. "In unserem Kulturkreis gibt es leider eine generelle Technikskepsis", erläutert Weiss. "Es ist die ewige Angst, dass wir uns selbst die Wesen erschaffen, die uns einst stürzen werden." Werden Roboter unsere Arbeitskraft ersetzen? Werden Servicemaschinen dereinst unsere Alten und Kranken versorgen? Und wollen wir überhaupt mit Kollege Roboter zusammen in Labor oder Fabrik stehen?
Um solche Fragen zu klären, fördert die Europäische Union eigens ein internationales Projekt namens Ethicbots, das sich den Problemen des Zusammenlebens von Mensch und Maschine widmet. Doch wenn es darum geht, welche Anforderungen Krankenschwestern, Industriearbeiter und Astronauten an ihre zukünftigen elektronischen Mitarbeiter stellen könnten, tappen die Experten von Ethicbots ebenso im Dunkeln wie Robotiker und Wirtschaft. Denn bislang gibt es nur wenige empirische Untersuchungen; die meisten Annahmen und Schätzungen bleiben spekulativ.
Feldstudien mit Roboter
Ethicbots-Mitglied Rafael Capurro von der Hochschule der Medien in Stuttgart fordert darum schon lange, die Akzeptanz gegenüber Robotern empirisch zu klären: "Bevor man die Geräte großflächig auf den Markt bringt, sollte man erst einmal herausfinden, wie die Menschen auf sie reagieren würden." Genau dies ist die Absicht von Weiss und ihrem Team.
Erste Ergebnisse verblüffen. "Die Passanten wenden Verhaltensmuster, die sie im Umgang mit Menschen gewohnt sind, auch auf den Roboter an", beschreibt Astrid Weiss ihre Beobachtungen. Die Leute auf dem Karlsplatz antworten auf die Begrüßungsformel des Automaten, versuchen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, stellen Fragen. Damit entsprechen sie dem Grundansatz der Akzeptanzforschung in der Robotik: Wenn die Maschine wie ein Mensch agiert, kann dieser einfacher auf sie reagieren.
Die Sehnsucht nach Einfühlsamkeit
Darum glauben die Akzeptanzforscher, dass ein Roboter dann Erfolg haben könnte, wenn er wie ein einfühlsamer Zuhörer auftritt. Er sollte auf Gestik und Mimik reagieren, Blickkontakt halten und natürlich die Sprache seines Gegenübers verstehen. Auch das Aussehen ist wichtig, erklärt Weiss: "Tendenziell gilt, dass der Roboter menschenähnlich sein sollte." Dennoch dürfe der Automat nicht vorgeben, etwas zu sein, das er nicht ist. "Sobald man nicht mehr entscheiden kann, ob man nun Mensch oder Maschine vor sich hat, steigt die Angst ins Unermessliche", warnt die Soziologin.
Nicht alle Passanten wünschen sich indes einen humanoiden Roboter. Viele männliche Befragte bevorzugen bei einer Bildauswahl eher industrietechnische Automaten mit Greifarm und Zahnrädern, weil diese effizienter seien als menschenähnliche Maschinen.
Ob Alt oder Jung, Mann oder Frau: Die Angst vor dem Kollegen Roboter hält sich bei den Befragten in Grenzen. Kaum jemand befürchtet, dass eine Maschine ihm dereinst seinen Arbeitsplatz streitig machen könne. Eine Zusammenarbeit indes halten viele für möglich – wenn es nicht zu technisch wird. "Die wenigsten wollten ein Handbuch studieren", erläutert Astrid Weiss, "sie konnten sich aber vorstellen, einen Roboter via Sprache zu steuern."
Auf dem Karlsplatz ist der Roboter inzwischen zu einem Straßenprediger aufgefahren. "Ihr braucht keine Computer der Hölle", ereifert der sich und starrt wütend auf die Maschine. Die umstehenden Passanten schauen grinsend von ihm zu ACE und zurück. Weiss und ihre Kollegen beobachten das Schauspiel amüsiert: "Vielen Menschen fehlt noch die Vorstellung, was es heißen könnte, mit Robotern zusammen zu arbeiten. Aber die Akzeptanzforschung steht in der Robotik ja auch gerade erst am Anfang."
Ein mannshoher Roboter ist auf den Münchner Karlsplatz gerollt. Bunte Kabel winden sich um einen stilisierten Kopf, der sich ruckend auf die Passanten ausrichtet. Zwei kleine Kameras fixieren ein älteres Paar, das einen Meter entfernt erstaunt inne gehalten hat. Die Frau fasst sich als erste ein Herz: Mutig tritt sie auf die Maschine zu.
Einige Meter entfernt, versteckt hinter den Arkaden eines Geschäftshauses, beobachtet Astrid Weiss das Geschehen. Sie hat ACE an diesem Montagmorgen Ende Juli auf die Menschen losgelassen – als Test einer zukünftigen Alltagswelt.
"Wenn Sie mit mir interagieren wollen, berühren Sie bitte den Bildschirm"
(ACE)
Denn glaubt man Experten, so werden Roboter schon in wenigen Jahrzehnten unsere Häuser reinigen, Alte pflegen oder im Baumarkt bedienen. (ACE)
Darum erforscht die Salzburger Soziologin, wie Menschen auf den Kontakt mit den Maschinen reagieren. Weiss arbeitet am ICT&S-Center der Universität Salzburg, das sich auf die Interaktion zwischen Technologie und Gesellschaft spezialisiert hat. Das Institut ist Mitglied beim internationalen Projekt Robot@CWE, das bis 2009 neuartige Roboter entwickeln will: Maschinen, die so sicher sind, dass Menschen mit ihnen zusammen arbeiten können.
Der Roboter als zukünftiger Arbeitskollege
Eine solche Kooperation zwischen Mensch und Maschine gilt vielen Experten als die Trendwende in der Arbeitswelt der Zukunft. Bereits 2005 schweißten, frästen und lackierten nach Schätzungen der International Federation of Robotics weltweit 923 000 Roboter in Industriehallen Autoteile oder Baustoffe. Gleichzeitig waren etwa 32 000 professionelle Serviceroboter im Einsatz – und die Nachfrage steigt bis 2009 voraussichtlich jedes Jahr um sechs Prozent. Auch das Militär ist interessiert: Die südkoreanische Regierung etwa testet seit Anfang des Jahres drei bewaffnete Maschinen als Grenzschützer zu Nordkorea.
Bislang müssen die meisten Industrieroboter jedoch wegen der Gefahr von Unfällen hinter Gitter – eine Kooperation zwischen Mensch und Maschine ist noch zu riskant. Doch die Robotiker arbeiten fieberhaft an besseren Modellen. "Gäbe es pfiffige Roboter, die dem Menschen als Handlanger dienen und sich frei in den Produktionsräumen bewegen, könnte dies die Produktion wieder nach Europa bringen", meint Gerd Hirzinger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen.
Roboter könnten auf Baustellen schwere Lasten tragen, in Krankenhäusern Botendienste erledigen oder bei Erdbeben in Gefahrenzonen vordringen und Daten an die Rettungshelfer senden.
"Gäbe es pfiffige Roboter, könnte dies die Produktion wieder nach Europa bringen"
(Gerd Hirzinger)
"Kollaborative Robotik ist ein lukrativer Wirtschaftszweig", betont auch Dirk Wollherr von der Technischen Universität München, die ebenfalls bei Robot@CWE mitmacht. Sein Team konstruierte den Roboter ACE und bereitete ihn für seinen Einsatz auf dem Karlsplatz vor. (Gerd Hirzinger)
Angst vor dem Unbekannten
Doch die beste Technik nützt nichts, wenn die Menschen nicht mit ihr arbeiten wollen. "Genau hier kommt die Akzeptanzforschung ins Spiel", erklärt Soziologin Weiss. "Wir wollen herausfinden, was Menschen motivieren könnte, mit Robotern zusammen zu arbeiten."
Um ACE stehen inzwischen etwa zehn Menschen. Aus gebührendem Abstand beobachten sie den Automaten. Manche lachen und tuscheln leise miteinander, andere winken wild in die Kameras der Maschine.
"In unserem Kulturkreis gibt es leider eine generelle Technikskepsis"
(Astrid Weiss)
Eine zierliche junge Frau späht skeptisch zwischen den Köpfen zum Roboter empor, um sich kurz darauf abzuwenden und in der Menge zu verschwinden. Doch sie wird aufgehalten: Ein Mitarbeiter der Universität Salzburg passt sie ab – um ihre Eindrücke mit einem Fragebogen zu erfassen. (Astrid Weiss)
Es sind die Vorurteile und Ängste der Menschen auf dem Karlsplatz, welche die Forscher interessieren. "In unserem Kulturkreis gibt es leider eine generelle Technikskepsis", erläutert Weiss. "Es ist die ewige Angst, dass wir uns selbst die Wesen erschaffen, die uns einst stürzen werden." Werden Roboter unsere Arbeitskraft ersetzen? Werden Servicemaschinen dereinst unsere Alten und Kranken versorgen? Und wollen wir überhaupt mit Kollege Roboter zusammen in Labor oder Fabrik stehen?
Um solche Fragen zu klären, fördert die Europäische Union eigens ein internationales Projekt namens Ethicbots, das sich den Problemen des Zusammenlebens von Mensch und Maschine widmet. Doch wenn es darum geht, welche Anforderungen Krankenschwestern, Industriearbeiter und Astronauten an ihre zukünftigen elektronischen Mitarbeiter stellen könnten, tappen die Experten von Ethicbots ebenso im Dunkeln wie Robotiker und Wirtschaft. Denn bislang gibt es nur wenige empirische Untersuchungen; die meisten Annahmen und Schätzungen bleiben spekulativ.
Feldstudien mit Roboter
Ethicbots-Mitglied Rafael Capurro von der Hochschule der Medien in Stuttgart fordert darum schon lange, die Akzeptanz gegenüber Robotern empirisch zu klären: "Bevor man die Geräte großflächig auf den Markt bringt, sollte man erst einmal herausfinden, wie die Menschen auf sie reagieren würden." Genau dies ist die Absicht von Weiss und ihrem Team.
Die Befragung auf dem Karlsplatz ist die erste in einer Reihe von Untersuchungen, die das interdisziplinäre Salzburger Institut im Rahmen des Projektes Robot@CWE durchführen will. Anfang September soll eine erste Auswertung vorliegen, empirische Tests im Labor und in anderen Städten werden folgen. Im Gespräch mit Experten soll zudem ermittelt werden, welche Wissenslücken durch Befragungen gefüllt werden könnten. Letztlich kann so bis 2009 eine Richtlinie entwickelt werden, die angibt, welche Fähigkeiten ein Roboter besitzen muss, um von seinen Mitmenschen akzeptiert zu werden.
Erste Ergebnisse verblüffen. "Die Passanten wenden Verhaltensmuster, die sie im Umgang mit Menschen gewohnt sind, auch auf den Roboter an", beschreibt Astrid Weiss ihre Beobachtungen. Die Leute auf dem Karlsplatz antworten auf die Begrüßungsformel des Automaten, versuchen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, stellen Fragen. Damit entsprechen sie dem Grundansatz der Akzeptanzforschung in der Robotik: Wenn die Maschine wie ein Mensch agiert, kann dieser einfacher auf sie reagieren.
Die Sehnsucht nach Einfühlsamkeit
Darum glauben die Akzeptanzforscher, dass ein Roboter dann Erfolg haben könnte, wenn er wie ein einfühlsamer Zuhörer auftritt. Er sollte auf Gestik und Mimik reagieren, Blickkontakt halten und natürlich die Sprache seines Gegenübers verstehen. Auch das Aussehen ist wichtig, erklärt Weiss: "Tendenziell gilt, dass der Roboter menschenähnlich sein sollte." Dennoch dürfe der Automat nicht vorgeben, etwas zu sein, das er nicht ist. "Sobald man nicht mehr entscheiden kann, ob man nun Mensch oder Maschine vor sich hat, steigt die Angst ins Unermessliche", warnt die Soziologin.
Nicht alle Passanten wünschen sich indes einen humanoiden Roboter. Viele männliche Befragte bevorzugen bei einer Bildauswahl eher industrietechnische Automaten mit Greifarm und Zahnrädern, weil diese effizienter seien als menschenähnliche Maschinen.
"Frauen nehmen den Roboter also eher als soziales Wesen wahr"
(Astrid Weiss)
Frauen hingegen geben an, lieber mit einem humanoiden Gerät arbeiten zu wollen. Er sei ihnen sympathischer. "Frauen nehmen den Roboter also eher als soziales Wesen wahr", kommentiert die Soziologin. (Astrid Weiss)
Ob Alt oder Jung, Mann oder Frau: Die Angst vor dem Kollegen Roboter hält sich bei den Befragten in Grenzen. Kaum jemand befürchtet, dass eine Maschine ihm dereinst seinen Arbeitsplatz streitig machen könne. Eine Zusammenarbeit indes halten viele für möglich – wenn es nicht zu technisch wird. "Die wenigsten wollten ein Handbuch studieren", erläutert Astrid Weiss, "sie konnten sich aber vorstellen, einen Roboter via Sprache zu steuern."
Auf dem Karlsplatz ist der Roboter inzwischen zu einem Straßenprediger aufgefahren. "Ihr braucht keine Computer der Hölle", ereifert der sich und starrt wütend auf die Maschine. Die umstehenden Passanten schauen grinsend von ihm zu ACE und zurück. Weiss und ihre Kollegen beobachten das Schauspiel amüsiert: "Vielen Menschen fehlt noch die Vorstellung, was es heißen könnte, mit Robotern zusammen zu arbeiten. Aber die Akzeptanzforschung steht in der Robotik ja auch gerade erst am Anfang."
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