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News: Die Zähne Afrikas

Die Geschichte der Menschheit spiegelt sich in ihren Zähnen wider. Dieser Meinung ist zumindest Joel D. Irish von der University of New Mexico , Albuquerque. Er versucht anhand der Ähnlichkeiten der Zähne verschiedener Menschenstämme unsere Entwicklungsgeschichte nachzuvollziehen.
Das Thema Ursprung der Menschheit hat schon manch hitzige Debatte entfacht. Möglicherweise wurde über wenig so erregt diskutiert wie über die Out-of-Africa-Idee. Niemand zweifelt daran, daß vor ungefähr zwei Millionen Jahren der Homo erectus von Afrika aus sich über Eurasien ausbreitete und sich dabei in eine Vielzahl unterschiedlicher, regionaler Formen aufspaltete.

Damit hört die Übereinstimmung der Meinungen aber auch auf. Einige Forscher in den USA, darunter Milford Wolpoff von der University of Michigan, glauben, daß sich die modernen Menschen aus dem Homo erectus ihrer jeweiligen Region entwickelt hätten. In diesem „multiregionalen“ Szenario hätten sich Europäer direkt aus dem Neandertaler entwickelt (im Usprung eine europäischer Variante des Homo erectus), Chinesen würden den chinesischen Varianten des Homo erectus entstammen, usw.

Eine weitere Schule, die am nachdrücklichsten durch Christopher Stringer am Natural History Museum in London verkörpert wird, ist überzeugt, daß alle modernen Menschen sich aus einem Stamm entwickelten, der vor ungefähr 200.000 Jahren in der Zone südlich der Sahara erstmals auftauchte. Dieser Stamm verteilte sich über die ganze Welt und verdrängte die einheimischen Formen. Moderne Europäer weisen eine größere genetische Verwandtschaft mit modernen Chinesen auf als mit Neandertalern.

Ein Beweisstück, das die Out-of-Africa-These unterstützt, ist, daß Menschen aus dem Afrika südlich der Sahara genetisch erstaunlich verschieden sind. Es gibt dort eine so große genetische Vielfalt wie im Rest der Welt zusammengenommen. Das deutet darauf hin, daß Afrikaner einen längeren Zeitraum für die genetische Diversifikation zur Verfügung hatten als andere. Dies heißt dann aber auch, daß alle „anderen“ sich erst später entwickelten.

Dies ist eine Argumentationskette, die sich auf die moderne Genetik stützt. Manche ziehen aber andere Fakten vor – wie zum Beispiel die Zähne. Joel Irish hat eine Reihe dentaler Charakteristiken identifiziert – wie die Form von Zahnkronen und ähnliches, die für die Zone südlich der Sahara einzigartig sind oder zumindest unter Bewohnern dieses Gebietes viel häufiger vorkommen als anderswo (Journal of Human Evolution, Januar-Ausgabe 1998). Es hat sich gezeigt, daß dieselben primitiven Merkmale, die ansonsten längst verloren gegangen sind, in menschlichen Fossilien vom Neandertaler bis zurück zu Formen wie dem Australopithecus afarensis auftauchen, der vor mehr als drei Millionen Jahren in Ostafrika lebte.

Dieser Verlust scheint in mehreren Stufen in der Zeit stattgefunden zu haben, als die Menschen sich von Afrika aus über die Welt verbreiteten. Es ist nicht so, daß Afrikaner aus der Zone südlich der Sahara alle diese primitiven Merkmale besäßen und andere Menschen überhaupt nicht: die Zähne werden denen der dieser Zone immer weniger ähnlich, je größer die Entfernung von dieser Zone wird. Moderne Chinesen und Ureinwohner Amerikas weisen die geringste Ähnlichkeit auf. Diese Erkenntnisse scheinen die These eines gemeinsamen, relativ jungen afrikanischen Ursprungs zu unterstützen.

Oder etwa nicht? Andere könnten dagegenhalten, daß Afrikaner aus der Zone südlich der Sahara so unterschiedlich von anderen Menschen sind, daß der Ursprung des modernen Menschen anderswo gesucht werden sollte. In diesem Fall würde der moderne Afrikaner eine ziemlich späte und spezialisierte Entwicklung darstellen. Dagegen spricht aber die entscheidende Ähnlichkeit zwischen Menschen südlich der Sahara und uralten, primitiven Formen. Die Bewahrung primitiver Merkmale ist einfacher, als sie zu verlieren und sie dann wiedergewinnen zu müssen.

Eine interessante Entdeckung ist, daß einige dentale Merkmale der Menschen aus dieser Zone auch bei den Ureinwohnern Australiens zu finden sind. Dies könnte bedeuten, daß der moderne Out-of-Africa-Stamm, aus dem die Australier sich entwickelt haben, mehr primitive Merkmale bewahrt hat, als der ursprügliche Stamm, aus dem andere Südostasiaten sich entwickelt haben.

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