Sinnesorgan: Dino-Schwänze könnten zum Tasten gedient haben
Waren sie tödliche Schlagwaffen, erotisches Flirtsignal oder gar knallende Peitschen? Die superlangen Schwänze der Sauropoden reißen Fachleute bis heute zu kreativen Spekulationen hin. Eine weitere Hypothese stellt nun der Paläontologe Matthew Barron von der privaten BPP University in London in den Raum. Seiner Ansicht nach könnten die gigantischen Pflanzenfresser ihre Schwänze genutzt haben, um sich gegenseitig zu ertasten – und auf diesem Weg ihre Herden zu koordinieren. Demnach hätten die Tiere ihre langen Schwanzenden kontinuierlich nach beiden Seiten ausgeschwenkt, um auf diese Weise Kontakt zu den Tieren hinter sich zu halten, schreibt er in »Historical Biology«. Der Forscher argumentiert, durch ihren möglicherweise recht steifen Hals und großen Körper sei ihr Blickfeld möglicherweise die meiste Zeit eingeschränkt gewesen; ein Tast-Schwanz hätte deswegen bedeutend zur Raumwahrnehmung der Tiere beitragen können.
Die langen Hälse und Schwänze von gigantischen Sauropoden wie Diplodocus sind bis heute rätselhaft. Fest steht: Sie sind nicht einfach nur deswegen lang, weil die Tiere allgemein so groß sind. Die Zahl ihrer Wirbel ist im Verlauf ihrer Evolution deutlich gestiegen: Von 9 Halswirbeln auf 15 oder mehr, die Zahl der Schwanzwirbel stieg von 40 auf bis zu über 80. Während man beim verlängerten Hals der Sauropoden davon ausgeht, dass er schlicht die Reichweite beim Fressen erhöhte, ist der extrem verlängerte Schwanz bislang mysteriös. Die vermutete Funktion als reines Gegengewicht für den Hals zum Beispiel erklärt die hohe Anzahl der Wirbel in der dünnen Schwanzspitze nicht, während andere Vermutungen, zum Beispiel als Sexsignal, sich einem experimentellen Beleg entziehen.
Deswegen präsentieren Fachleute immer wieder neue Vermutungen. Im Jahr 2015 baute eine Arbeitsgruppe sogar ein Modell, um zu testen, ob die Schwanzspitzen möglicherweise – wie eine Peitsche – zum Erzeugen von Knallgeräuschen dienten. Für seine Idee des Schwanzes als Sinnes- und Koordinationsorgan argumentiert Barron, dass es die gigantischen Tiere sehr viel Energie gekostet hätte, ihre Position in der Herde durch permanente Rundumblicke zu erfassen. Womöglich wäre das aus biomechanischen Gründen gar nicht komplett möglich gewesen: Die Jungtiere waren – anders als bei heutigen Großsäugern wie Elefanten – sehr viel kleiner als die erwachsenen Tiere und seien womöglich leicht im toten Winkel verschwunden. Insgesamt könne diese Form des kontinuierlichen Körperkontakts eine einheitlichere Bewegung der Gruppe ermöglicht haben, spekuliert der Forscher.
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