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Aktuelles Stichwort: Dual-Use-Chemikalien

Deutsche Unternehmen haben mit Genehmigung der Bundesregierung zwischen 2002 und 2006 potenzielle Ausgangsstoffe für die Sarin-Produktion nach Syrien exportiert. Die Verbindungen seien für rein zivile Zwecke vorgesehen gewesen, sagt das Wirtschaftsministerium. Zu Recht?
Ethanol-Produktion in den USA

Durch eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Katrin Kunert wurde diese Woche bekannt, dass deutsche Unternehmen zwischen 2002 und 2006 so genannte Dual-Use-Chemikalien nach Syrien geliefert haben – mit Genehmigung der Bundesregierung. Die aufgelisteten Stoffe sind neben ihrer zivilen Verwendung auch in der Produktion chemischer Waffen einsetzbar. Sie sind in den Anhängen der Dual-Use-Verordnung der EU gelistet, um sie aus der EU auszuführen, braucht man deswegen eine spezielle Genehmigung.

Tatsächlich gibt es für nahezu alle Verbindungen, für die so eine Exportbeschränkung gilt, viele legitime zivile Verwendungszwecke – viele dieser Stoffe sind für die moderne Technik kaum verzichtbar und werden im großem Stil global gehandelt und verwendet. Von Natriumfluorid zum Beispiel, einem der in der Anfrage erwähnten Stoffe, werden weltweit jährlich mehrere Millionen Tonnen produziert – ausschließlich für zivile Anwendungen.

Liste der genehmigten Exporte nach Syrien | Auszug aus der Antwort auf die Anfrage von Katrin Kunert: Zyanide und Fluorierungsmittel lieferten deutsche Unternehmen nach Syrien – die Stoffe sind potenzielle Ausgangsstoffe für die Chemiewaffenproduktion.

Natriumfluorid ist eine von drei fluorhaltigen Chemikalien, die in der Liste aufgeführt werden und die potenzielle Grundstoffe für die Herstellung des Nervengases Sarin bilden: Fluorwasserstoff, Ammoniumhydrogendifluorid, das Fluorwasserstoff freisetzt, sowie das ebenfalls gelieferte Natriumfluorid dienen in der Waffentechnik zur Herstellung von Methylphosphonsäuredifluorid. Das wiederum reagiert mit dem Alkohol Isopropanol zu Sarin.

Allerdings ist dieser Reaktionstyp, Fluorierung genannt, allgemein eine wichtige und häufige Reaktion in der organischen Chemie. Mit ihr stellt man so unterschiedliche Produkte wie den fluorhaltigen Kunststoff Teflon, das Antibiotikum Ciprofloxacin oder Schmiermittel auf Basis von Perfluorpolyethern her. Tatsächlich ist gerade Fluorwasserstoff trotz seiner Giftigkeit eine Allerweltschemikalie und spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle in der Halbleiterproduktion für Elektronikbauteile.

Neben den Fluorverbindungen listet die Antwort auf die Anfrage Zubereitungen für die Galvanik, die Kalium- und Natriumzyanid enthalten. Diese beiden Verbindungen kann man theoretisch nutzen, um das Nervengas Tabun herzustellen, einen chemisch mit dem Sarin verwandten Stoff. Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass Syrien Tabun produziert oder eingesetzt hätte. In der zivilen Industrie verwendet man diese Lösungen, um dünne Metallschichten auf Oberflächen zu erzeugen, zum Beispiel beim Verchromen oder Verzinken. Das Zyanid dient hier dazu, schwer lösliche Metalle wie Gold in Lösung zu halten, bis die Reaktion stattfindet. Solche Elektrolytlösungen für die Galvanik enthalten meist wenige Prozent Zyanid.

Wie auch die Zyanidverbindungen verwendet man auch Fluorwasserstoff und Ammoniumhydrogendifluorid außerdem, um die Oberflächen von Metallteilen zu veredeln – sie sind Bestandteil des so genannten Glanzbades, bei dem man die Oberfläche der Metallteile durch starke Säuren und elektrischen Strom von mikroskopischen Unebenheiten befreit. Für Natriumfluorid wiederum gibt es eine Reihe spezialisierter Anwendungen in der Metallurgie – der Stoff ist aber auch in normaler Zahnpasta enthalten.

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