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Eierstockkrebs behandeln: Erst die Eileiter, dann die Eierstöcke?

Eierstockkrebs entsteht oft in den Eileitern, nicht in den Eierstöcken. Womöglich reicht es also, zunächst nur sie zu entfernen. So würde keine vorzeitige Menopause ausgelöst.
Auf fünf Stühlen sitzt jeweils eine Frau
In Deutschland erkranken jährlich etwa 7300 Frauen an Eierstockkrebs. Bei den meisten wird der Krebs erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Frauen mit einem erhöhten Risiko sollten sich deshalb sehr regelmäßig von ihrem Frauenarzt oder ihrer Frauenärztin untersuchen und beraten lassen.

Ana Castillo hatte vor allem eine Frage an ihre Ärzte, nachdem sie sich im Jahr 2019 beide Brüste entfernen ließ: »Was ist der nächste Schritt?« Denn sie wusste: Das war erst der Anfang. Die US-Amerikanerin ist Trägerin einer veränderten Form des Gens BRCA2, die das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, um das Drei- bis Fünffache erhöht. Das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, steigt mit BRCA2 sogar um das 9- bis 14-Fache. Durch die Entfernung ihrer beiden Brüste wurde Ana Castillos Brustkrebsrisiko drastisch gesenkt. Um auch ihr Risiko für Eierstockkrebs zu verringern, schlugen ihre Ärzte am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, zwei mögliche Vorgehensweisen vor: Zum einen könnte sie sich im Alter von etwa 45 Jahren ihre Eierstöcke und Eileiter entfernen lassen – die Standardoperation, um das Risiko für Frauen, die Mutationen in BRCA2 oder bestimmten anderen Genen tragen, zu verringern. Zum anderen könnte Ana Castillo sich, im Alter von damals 36 Jahren, nur die Eileiter entfernen lassen und ihre Eierstöcke für weitere zehn Jahre behalten.

Dass es diese zweite Möglichkeit überhaupt gibt, ist das Ergebnis einer Revolution: In den vergangenen 20 Jahren hat sich unser Verständnis, wie Eierstockkrebs entsteht, massiv verändert. Es ist heute allgemein anerkannt, dass die meisten – wenn nicht sogar alle – Fälle der häufigsten Form von Eierstockkrebs, des so genannten hochgradigen serösen Ovarialkarzinoms (HGSOC), in einem der beiden Eileiter entstehen. Diese transportieren die Eizellen von den Eierstöcken zur Gebärmutter.

»Das ist von großer klinischer Bedeutung«, sagt David Huntsman, ein gynäkologischer Onkologe an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. »Es hat eine enorme Chance für die Prävention von Eierstockkrebs geschaffen.« Das bedeutet, dass Frauen wie Ana Castillo neue Optionen für risikomindernde Operationen haben könnten, die weniger Nebenwirkungen haben als der herkömmliche Ansatz. Denn die Entfernung der Eierstöcke löst eine sofortige Menopause aus: ein plötzlicher Östrogenverlust, der zu nächtlichen Schweißausbrüchen, Hitzewallungen und verminderter Libido führt und das Risiko von Herzerkrankungen und Osteoporose erhöht. Die Auswirkungen treffen alle auf einmal ein und möglicherweise viele Jahre früher, als es bei einer natürlichen Menopause der Fall wäre.

Eierstockkrebs könnte früher erkannt werden

Derzeit werden klinische Studien durchgeführt, um zu testen, wie wirksam es ist, die Eileiter und Eierstöcke zur Krebsvorbeugung zu entfernen. Darüber hinaus könnte ein besseres Verständnis davon, wie Eierstockkrebs entsteht, nicht nur für die Frauen mit genetisch erhöhtem Risiko Vorteile bringen, sondern auch für diejenigen, die bereits an Eierstockkrebs erkrankt sind und diese Gene nicht haben. Es könnte dazu führen, dass die tödliche Krankheit früher erkannt und besser behandelt werden kann.

Mehr als ein Jahrhundert lang gingen Ärztinnen und Ärzte sowie Forschende davon aus, dass sich Eierstockkrebs aus Zellen auf der Oberfläche des Eierstocks entwickelt – eine Erklärung, die erstmals vom britischen Chirurgen Thomas Spencer Wells im Jahr 1873 vorgeschlagen wurde. Diese Erklärung war intuitiv genug, um allgemein akzeptiert zu werden – es schien einleuchtend, dass große Tumoren, die auf und um die Eierstöcke herum gefunden wurden, aus Eierstockgewebe entstanden sein mussten.

Dieses Modell des Eierstockkrebses wurde jedoch von der klinischen Realität widerlegt. Tatsächlich fanden Ärzte fast nie Krebserkrankungen im Frühstadium und noch seltener, Vorläuferläsionen, die auf den Eierstock beschränkt waren. »Ein Ursprung in den Epithelzellen der Eierstöcke passte einfach nicht zum Krankheitsbild«, sagt David Huntsman.

1999 schlug Louis Dubeau, ein Pathologe an der University of Southern California in Los Angeles, eine glaubwürdige Alternativhypothese vor. Er wies darauf hin, dass die Tumorzellen der Eierstöcke gemeinsame Merkmale mit gesunden Zellen aus den Eileitern und der Gebärmutterschleimhaut aufweisen. Und er vermutete, dass der Krebs daher aus Geweben mit ähnlichem Entwicklungsursprung entstehen könnte. Einige Jahre später gab es erste Beweise, die den Eileiter als Ursache ausmachten: Forscher in den Niederlanden unter der Leitung des gynäkologischen Onkologen Jurgen Piek berichteten, dass Eileiter, die bei risikomindernden Operationen entfernt wurden, manchmal präkanzeröse Läsionen enthielten, also Vorstufen von Krebs, die als seröses Tubenintraepithelkarzinom (STIC) bezeichnet wurden (es war damals noch üblich, die Eileiter zusammen mit den Eierstöcken zu entfernen, da es einfacher war und man davon ausging, dass die Eileiter bei fehlenden Eierstöcken keine Funktion hätten).

»Das war wirklich der Wendepunkt«Ronny Drapkin, gynäkologischer Pathologe an der University of Pennsylvania

Nach der Entfernung der Eileiter hatten die Pathologen diese in der Regel nicht genauer untersucht, so dass die Bedeutung dieser STIC-Läsionen zunächst nicht klar war. Als Christopher Crum, Pathologe am Brigham and Women's Hospital in Boston, Massachusetts, Mitte der 2000er Jahre beschloss, diese Strukturen systematischer zu untersuchen, stellten er und sein Team fest, dass STIC-Läsionen in den Eileitern von Frauen mit Eierstockkrebs-Risikogenen weit verbreitet waren, insbesondere an dem Ende, das näher am Eierstock liegt. »Das war wirklich der Wendepunkt«, sagt Ronny Drapkin, ein gynäkologischer Pathologe an der University von Pennsylvania in Philadelphia, der an Crums Studie mitgearbeitet hat.

In den folgenden zehn Jahren fanden die Forschenden immer mehr Beweise für einen Zusammenhang zwischen den Eileitern und HGSOC. Weitere Pathologiestudien an Trägerinnen des Risikogens bestätigten das Vorhandensein von STIC-Läsionen in den Eileitern sowie frühere Veränderungen an den Epithelzellen der Eileiter, die mit dem Verlust des Tumorsuppressorgens TP53 einhergehen. Studien an Mausmodellen zeigten, wie Eileiter-Epithelzellen nach und nach in HGSOC-Zellen umgewandelt werden können. Darüber hinaus wurden in Studien genetische Mutationen und Veränderungen der Genexpression verfolgt, um im Detail zu ermitteln, wie gesunde Eileiterzellen in präkanzeröse Läsionen und dann in Krebserkrankungen übergehen.

Die Eileiter sind jedoch nicht der Ursprung aller Eierstockkrebsarten. Bestimmte, seltenere Arten von Eierstocktumoren scheinen von den Eierstöcken selbst oder von anderen Geweben auszugehen. Und STIC-Läsionen können in den Eileitern von nicht mehr als 60 Prozent der Frauen mit HGSOC festgestellt werden. Die Frage ist, ob dies bedeutet, dass der Krebs in einigen Fällen an anderer Stelle entsteht, oder ob die kleinen STIC-Läsionen manchmal einfach übersehen werden.

Auch Betroffene reden mit

Anfang der 2010er Jahre waren die Beweise für die Eileiter-Ursprungshypothese von HGSOC so stark, dass Ärzte, Wissenschaftler und auch einige Trägerinnen von Eierstockkrebs-Risikogenen in Erwägung zogen, zunächst die Eileiter frühzeitig zu entfernen und erst in einer zweiten Operation die Eierstöcke – wenn die Patientinnen näher an der Menopause sind.

In mehreren Ländern wurden klinische Versuche dazu gestartet. Angesichts der Tatsache, dass Eierstockkrebs so tödlich ist und dass es bereits eine wirksame risikomindernde Operation gibt, gingen die Forschenden die Frage vorsichtig an. Außerdem fragten sie systematisch Betroffene nach ihrer Meinung. In den Niederlanden organisierten die Forscher Fokusgruppen von Frauen mit Risikogenmutationen, um die Ziele und geplanten Methoden ihrer Studie zu diskutieren. Die Teilnehmenden der Fokusgruppen sprachen sich vor allem dafür aus, dass die Studie nicht nach dem Zufallsprinzip durchgeführt werden sollte, sagt Joanne de Hullu, gynäkologische Onkologin an der Radboud-Universität in Nimwegen, Niederlande. »Sie wollten ihre eigene Entscheidung treffen.«

Die Studie, die aus diesen Fokusgruppen hervorging und als TUBA-Studie bekannt ist, nahm 577 Frauen mit Risikogenmutationen auf und stellte sie vor die Wahl, sich Eierstöcke und Eileiter auf einmal entfernen zu lassen oder sich zwei Operationen zu unterziehen: Bei der ersten werden die Eileiter entfernt und bei der zweiten, im Alter von 40 bis 50 Jahren, die Eierstöcke.

»Ich hoffe, dass die Forschenden in der Lage sind, einige Antworten für künftige Generationen zu finden«Ana Castillo, Betroffene

Von den Teilnehmerinnen, die sich bisher einer Operation unterzogen haben, entschieden sich 72 Prozent dafür, zunächst nur die Eileiter entfernen zu lassen, 28 Prozent wählten die konventionelle Operation. Die Gruppe derjenigen, denen nur die Eileiter entfernt wurden, hatte ein Jahr später weniger Wechseljahresbeschwerden, berichteten die Forschenden in der Studie.

Eine ähnliche Studie namens WISP wurde in den Vereinigten Staaten 2016 begonnen und steht kurz vor dem Abschluss. An der Studie unter der Leitung von Karen Lu, einer Gynäkologin am MD Anderson Cancer Center, nahmen mehr als 400 Frauen mit Risikogenmutationen teil. Etwa die Hälfte entschied sich für die risikoreduzierende Standardoperation, die andere Hälfte für das zweistufige Verfahren. Ana Castillo gehört zu dieser zweiten Gruppe; da sie Mitte 30 ist, fiel ihr die Entscheidung nicht schwer. »Ich möchte diesen zusätzlichen Schritt machen und ein bisschen vorsichtiger sein – und wenn ich an der Studie teilnehmen kann, warum nicht«, sagt Ana Castillo. »Ich hoffe, dass sie in der Lage sind, einige Antworten für künftige Generationen zu finden.«

Ähnlich wie bei der TUBA-Studie sollte auch bei der WISP-Studie untersucht werden, ob die zweistufige Operation im Vergleich zum Standardverfahren Vorteile in Bezug auf die Lebensqualität bietet. Die Forscher analysieren derzeit die Daten der WISP-Studie, um festzustellen, ob das spätere Entfernen der Eierstöcke mit einer höheren Lebensqualität verbunden ist, einschließlich einer größeren Zufriedenheit der Teilnehmerinnen mit ihrem Sexualleben.

Weder die TUBA- noch die WISP-Studie waren jedoch groß genug, um angemessen bewerten zu können, wie wirksam die beiden Verfahren jeweils das Eierstockkrebsrisiko verringern können. Beide Studien hatten die Maßgabe abzubrechen, wenn eine unerwartet große Zahl von Frauen in der Gruppe mit zweistufiger Operation Krebs entwickelt hätte. Der Schwellenwert dafür sei sehr niedrig angesetzt gewesen, stellte Joanne de Hullu fest. Dieser Mechanismus wurde in beiden Fällen nicht ausgelöst. Um die risikomindernde Wirkung des zweistufigen Verfahrens genau zu bewerten, sind jedoch größere Studien mit einer längeren Nachbeobachtungszeit erforderlich.

Aussagekräftigere Studien kommen

Diese Studien werden jetzt in Angriff genommen. Lu und de Hullu arbeiten gemeinsam an einer internationalen Studie mit dem Namen TUBA-WISP2, in die 3000 Frauen mit Risikogenen für Eierstockkrebs aufgenommen werden sollen, die ebenfalls die Wahl zwischen einer ein- und einer zweistufigen Operation haben. Eine andere Studie, SOROCK, hat ein ähnliches Design, konzentriert sich aber auf Trägerinnen der mutierten Form des Gens BRCA1, die ein besonders hohes Risiko für Eierstockkrebs haben. (Wer die schädliche BRCA2-Variante in sich trägt, hat ein Risiko von 11 bis 17 Prozent, im Lauf seines Lebens an Eierstockkrebs zu erkranken, verglichen mit etwa 1,2 Prozent der Menschen in der Allgemeinbevölkerung. Diejenigen mit einer BRCA1-Mutationen haben ein Risiko von 39 bis 44 Prozent.) Es werde wahrscheinlich noch ein Jahrzehnt dauern, bis diese Studien endgültige Ergebnisse liefern, so die Forscher.

Etwa 80 Prozent der Eierstockkrebserkrankungen treten bei Frauen auf, die kein bekanntes Risikogen tragen. Bei diesen Personen mit durchschnittlichem Risiko gibt es nur wenig direkte Nachweise dafür, wie der Eierstockkrebs entstanden ist. Viele Forscher gehen jedoch davon aus, dass die Eileiter in vielen Fällen von HGSOC auch in dieser Gruppe eine Rolle spielen. Und das eröffnet eine Chance zur Krebsprävention für eine viel breitere Bevölkerungsgruppe, sagt David Huntsman.

Vor einem Jahrzehnt begannen Ärzte im kanadischen British Columbia, Frauen, die sich einer chirurgischen Sterilisation zur Geburtenkontrolle unterziehen, die Option anzubieten, ihre Eileiter zu entfernen, anstatt sie zu veröden, wie es früher üblich war. Außerdem wurde es für Chirurgen zur Standardpraxis, die Eileiter im Rahmen von Hysterektomien zu entfernen. Ein Forscherteam, dem auch David Huntsman angehört, hat die Häufigkeit von Eierstockkrebs in diesen Gruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung verfolgt.

Neue Standardbehandlung für Sterilisation

Bislang hat diese Untersuchung gezeigt, dass die Entfernung der Eileiter weder die Operationskosten noch die Risiken erhöht und auch keine vorzeitige Menopause auslöst. Das als opportunistische Salpingektomie bezeichnete Verfahren wird inzwischen in ganz Kanada und in anderen Ländern angewandt. Die Ärzte sprechen auch über eine Ausweitung auf andere Unterleibsoperationen, wie die Entfernung des Blinddarms oder der Gallenblase.

»Nach zehn Jahren sehen wir die ersten Anzeichen für eine Wirksamkeit«, sagt David Huntsman. Diese Daten sind noch nicht veröffentlicht, aber er glaubt, dass die Studie die Diskussion verändern wird. »Ich denke, dass die Empfehlung dieser Änderung in der Praxis als Standardbehandlung angesehen werden wird«, sagt er.

Doch nur eine Minderheit der Menschen wird sich zufällig zu einem günstigen Zeitpunkt einer Operation unterziehen, um dieses Verfahren durchführen zu lassen. Die Forscher suchen daher auch nach weniger invasiven Möglichkeiten, Eierstockkrebs präventiv anzugehen. So ist beispielsweise seit Langem bekannt, dass orale Verhütungsmittel das Erkrankungsrisiko senken, ebenso wie Schwangerschaft und Stillen. Früher ging man davon aus, dass diese Faktoren, die den Eisprung unterdrücken können, eine wiederholte Schädigung der Eierstockoberfläche verhindern, die nach und nach zum Krebsrisiko beitragen könnte. Doch nun untersuchen Forscher das Zusammenspiel zwischen Eierstock und Eileiter während des Eisprungs.

Welche Rolle spielen Hormone?

Die Freisetzung von Hormonen und chemischen Signalstoffen, so genannten Zytokinen, könnte zur Umwandlung von Eileiterzellen in Krebszellen beitragen. »Die Zellen werden jeden Monat mit diesen Zytokinen und Hormonen bombardiert«, sagt Sophia George, Forscherin für Brust- und Eierstockkrebs an der University of Miami in Florida. Risse in der Eierstockoberfläche könnten es auch Zellen, die sich aus dem Eileiter lösen, ermöglichen, in den Eierstock einzudringen und sich weiter zu verändern.

Obwohl man annimmt, dass sich präkanzeröse STIC-Läsionen während der reproduktiven Jahre bilden, entwickelt sich Eierstockkrebs normalerweise erst nach der Menopause. Die Forscher untersuchen daher, wie hormonelle Veränderungen den Prozess vorantreiben könnten. Die Erkenntnisse aus diesen Studien führen möglicherweise zu oralen Verhütungsmitteln, Hormonersatztherapien oder Verhütungsmitteln, die eine schützende Wirkung gegen Eierstockkrebs haben. Vielleicht wird sogar ein Medikament entwickelt, das Eierstockkrebs im Frühstadium aufhält oder die Krankheit ganz verhindert. Solche Fortschritte wären vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen ein Segen, wo die Prävalenz von Eierstockkrebs in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich zunehmen wird und wo risikomindernde Operationen vermutlich nicht überall verfügbar sind, sagt George.

Laut den Forschern hilft die Erkenntnis, dass viele Eierstockkrebsarten ihren Ursprung im Eileiter haben, zu erklären, warum diese Tumoren so tödlich sind. Vorläuferläsionen von STIC im Eileiter sind klein – vielleicht ein bis zwei Millimeter groß und manchmal nur eine einzige Zelle dick – und werden daher von der medizinischen Bildgebung kaum erkannt. Und da sich die Eileiter in der Bauchhöhle befinden, können abnorme Zellen, die aus ihnen ausgeschieden werden, leicht in die Eierstöcke oder an andere Stellen gelangen. Das bedeutet, dass der Eierstockkrebs in den meisten Fällen bereits Metastasen gebildet hat, wenn er diagnostiziert wird.

»Es bietet ein Zeitfenster, in dem man den Krebs möglicherweise erkennen und dann operieren kann, bevor er zu einer viel, viel tödlicheren Krankheit wird«Victor Velculescu, Onkologieforscher an der Johns Hopkins University School of Medicine

Molekulare Uhr für Eierstockkrebs

Das neue Wissen hat aber auch zu neuen Ideen für Screening und Früherkennung geführt, was bei Eierstockkrebs ein besonders schwer zu lösendes Problem darstellt. In einer Studie aus dem Jahr 2017, in der die Entwicklung von HGSOC aus normalen Eileiterzellen verfolgt wurde, berechneten die Forscher auch eine Art molekulare Uhr für Eierstockkrebs. Sie fanden heraus, dass es in der Regel etwa sieben Jahre dauert, bis sich eine STIC-Läsion zu einem Eierstocktumor entwickelt, und zwei weitere Jahre, bis sich der Krebs weiter ausgebreitet hat.

»Es bietet ein Zeitfenster, in dem man den Krebs möglicherweise erkennen und dann operieren kann, bevor er zu einer viel, viel tödlicheren Krankheit wird«, sagt Victor Velculescu, ein Onkologieforscher an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, Maryland und Mitglied des Studienteams. Victor Velculescu entwickelt einen Test, der nach Mustern von zellfreien DNA-Fragmenten im Blut sucht, die als Fingerabdruck des Krebses dienen. »Wenn wir den Krebs frühzeitig erkennen können, könnten wir möglicherweise eine Resektion des Eileiters vornehmen, so dass sich die chirurgische Behandlung eher auf den Eileiter als auf die Eierstöcke selbst konzentrieren könnte«, sagt er.

Andere Forscher suchen in der Flüssigkeit, die aus der Gebärmutter entnommen wird, oder im Rahmen eines Gebärmutterhalsabstrichs nach Anzeichen für Eierstockkrebs. Bislang lassen sich mit solchen Ansätzen fortgeschrittene Krebsarten besser erkennen als frühe. Doch die Hoffnung ist, auf diese Weise Biomarker zu finden, die in einem früheren Stadium der Krankheit im Blut nachgewiesen werden können, so die Forscher. Eine weitere Idee besteht darin, die Eileiter mit einem Instrument namens Falloskop auf Krebsvorstufen zu untersuchen und Zellen zu entnehmen – ähnlich wie bei einer Darmspiegelung zur Darmkrebsvorsorge. Einige Forscher bezweifeln jedoch, dass dies bei Frauen mit durchschnittlichem Risiko kosteneffektiv wäre.

Noch ist keine dieser Möglichkeiten reif für eine breite klinische Einführung. Aber wie Ana Castillo es ausdrückt: »Die Wissenschaft macht in ein paar Jahren große Fortschritte, nicht wahr?« Es besteht Grund zur Hoffnung.

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