News: Eine Brille für Blinde
Doch wie es Jahre dauert, bis ein Kind sprechen lernt, so dauert es auch Jahre, bis ein Computer sehen kann. Denn nur, was er einmal gelernt hat, kann er auch wiedererkennen. Anwendung findet die Mustererkennung bislang z.B. bei der medizinischen Bildauswertung, in der Erdfernerkundung, bei Briefsortieranlagen oder der Dokumentenauswertung.
Wo einem Sehenden ein Blick reicht, ist der Blinde auf seine Restsinne und die Erinnerung an vorhergehende Besuche angewiesen. Die Orientierung und Navigation in einem bekannten Gelände ist für viele Blinde äußerst schwierig, besonders für ältere Menschen oder spät Erblindete. Besuchen sie unbekannte Orte, ist die Orientierung ohne die Hilfe Sehender kaum möglich. Diese geringe Mobilität bedeutet eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität für den einzelnen Blinden. Aber mittels der Blindenbrille kann die Bewegungsfreiheit erheblich verbessert werden. Durch die an der Brille angebrachten Minikameras werden sogenannte Landmarken einstudiert, zum Beispiel der Bäcker an der Ecke, die Schule oder das Museum. Diese Landmarken können dann bei einem erneuten Besuch wiedererkannt werden, denn der Rechner kann dem Blinden per Sprachausgabe sagen, wo er sich befindet.
Objekte wie Verkehrszeichen, Ampeln, Briefkästen und Telefonzellen, die in jeder Stadt gleich aussehen, lehrt man den Computer einmal. Fortan kann er dem Blinden die Frage nach der nächsten Infrastruktur-Einrichtung – auch in einem völlig fremden Gebiet beantworten; ihm beispielsweise sagen, wo die nächste Telefonzelle steht. Der Computer soll auch lernen, anhand der Linien eines entsprechenden Objektes ihm unbekannte Gebilde zu erkennen, zum Beispiel, daß es sich um eine Häuserzeile oder einen Wald handeln muß.
Noch ist der Rechner, der die Bilderflut verarbeitet und in Sprache umwandelt, so groß wie eine Kühltruhe. Aber in spätestens drei Jahren soll er die Größe eines Laptops haben und in einem kleinen Rucksack seinen Platz finden. Aber auch eine andere Möglichkeit der Datenübertragung ist für die Freiburger Wissenschaftler denkbar: Per Funk könnten die Daten von der Videokamera an einen zentral aufgestellten Großrechner übertragen werden. Dieser gibt dem Blinden dann per Funk zurück, wo er sich aufhält. Und für die Zukunft wird sogar daran gedacht, der Blindenbrille auch das Lesen beizubringen. Und damit die Brille auch wirklich die Bedürfnisse den Blinden erfüllt, arbeiten Professor Burkhardt und sein Team eng mit den Blindenverbänden zusammen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 29.05.1998
"Ein 'virtueller Blindenstock'"
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