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News: Eine Struktur des Alterns

Ein erwachsener Mensch verbraucht in Ruhe etwa 40 Kilogramm des Energieträgers ATP am Tag, bei anstrengender Arbeit ist es weit mehr. Um diese Menge nach und nach bereitzustellen, besitzen die Zellen spezielle Reaktionsräume, die Mitochondrien, an deren Membran rund 90 Prozent des ATP gebildet werden. Wissenschaftler haben die räumliche Struktur eines der benötigten Proteine entschlüsselt. Und eine andere Forschergruppe hat gezeigt, daß ein fehlerhaftes Molekül Spulwürmer vorzeitig altern läßt. Der zugrunde liegende Prozeß könnte auch an der Alterung von Menschen beteiligt sein.
Wenn wir unsere Mahlzeit schon genüßlich beendet haben, fängt die Arbeit für unsere Zellen erst an: Sie bauen die Nahrung ab, indem sie den Molekülen Elektronen entziehen. Diese durchlaufen dann eine Reihe von Proteinen und kleineren Molekülen, welche die sogenannten Atmungskette in der inneren Membran der Mitochondrien bilden. Dabei werden Protonen von der einen Membranseite zur anderen transportiert und eine elektrische Spannung aufgebaut. Schließlich werden die Elektronen auf Sauerstoffmoleküle übertragen, die sich mit Wasserstoffionen zu Wasser verbinden. Den Konzentrationsunterschied und die Spannung nutzt die Zelle, um den Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) zu synthetisieren, der dann überall dorthin gelangt, wo Energie benötigt wird.

Einem internationalen Team von Wissenschaftlern um den Biophysiker Bing Jap vom Lawrence Berkeley National Laboratory ist es gelungen, Kristalle von dem Proteinkomplex III – dem sogenannten Cytochrom bc1 – zu züchten und die räumliche Anordnung des Moleküls mit einer Auflösung von fast 0,3 Nanometern zu vermessen (Science vom 3. Juli 1998). Eine der Hauptschwierigkeiten bestand darin, das Protein mit Hilfe von Detergenzien aus der Membran herauszulösen. Danach haben die Forscher Kristalle gezüchtet und diese mit Röntgenstrahlen beschossen. Sie fanden heraus, daß die elf verschiedenen Teile sich zu einem großen Protein anordnen, von denen zwei Stück sich zu dem Komplex III zusammenlagern. Anhand der Struktur läßt sich auch im Detail verfolgen, welchen Weg die Elektronen im Cytochrom bc1 nehmen.

Jede Störung der Atmungskette führt unweigerlich zu einer Abnahme der Energieproduktion. Schlimmer noch: Durch den "Energiestau" können sich Sauerstoffradikale bilden, die Zellstrukturen schädigen und möglicherweise Mutationen in der DNA auslösen. Naoaki Ishii von der Tokai University School of Medicine in Kanagawa, Japan, und seine Mitarbeiter haben eine Variante des Spulwurms Caenorhabditis elegans gezüchtet, die nur halb so lange lebt wie normal. Jetzt konnte Ishii nachweisen, daß ein Defekt im Komplex II (Succinat-Dehydrogenase) der Atmungskette dafür verantwortlich ist (Nature vom 13. August 1998). Das Gen für eines der Proteine weist einen Fehler auf, der durch die Behandlung des Wurmes mit korrigierender DNA ausgeglichen werden konnte. Die Wissenschaftler vermuten, daß entweder der mißgestaltete Komplex II die Bildung von Sauerstoffradikalen vorantreibt oder die gefährlichen Moleküle nicht so gut aufnimmt und entschärft wie das normale Protein.

Viele Forscher sind der Ansicht, daß Sauerstoffradikale am Alterungsprozeß der Zellen beteiligt sind. Außerdem könnten sie mit verschiedenen Krankheiten in Zusammenhang stehen, wie zum Beispiel Krebs oder Alzheimer. Noch sind die genauen Strukturen des sehr großen Komplex I und des kleinen Komplex II unbekannt. Doch die Wissenschaftler sind ihnen bereits auf der Spur – auf der Suche nach dem Grund des Alterns.

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