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Wissenschaft im Alltag: Eine tragende Rolle

Vier gerade mal postkartengroße Flächen bringen die Kräfte des Motors auf die Straße, trotzen in Kurven Fliehkräften und halten auch auf nassen Blättern und festgefahrener Schneedecke den Kontakt zur Fahrbahn.
Diagonalreifen: fest, aber hart
Das Reifenprofil im Profil | Bei Radialreifen oder Gürtelreifen laufen zwei textile Lagen vom Wulst radial zur Laufffläche, überqueren diese in einem Winkel von 88 bis 90 Grad und enden dann auf der anderen Seite. Entlang der Laufffläche verringert ein zusätzlicher steifer Gürtel aus Textilfasern oder Stahlseilen den Rollwiderstand und stabilisiert den Reifen.
Zudem gleicht die komprimierbare Luft im Innern Unebenheiten aus und federt leichte Stöße ab. Trotz der Strapazen wahren Reifen auch bei hohen Drehzahlen ihre Form. Dafür sorgt ein komplexer Aufbau aus bis zu 200 Materialien wie Kautschuk, Stahl, Textilien, Kunststoffen und Ruß.

Kautschuk gibt die erforderliche Elastizität, dichtet ab und leitet gemeinsam mit dem Ruß Wärme ab, die durch Reibung und Kompression der Luft entsteht. Insbesondere Gewebelagen halten die Form. Beim so genannten Diagonalreifen kreuzen sich ihre Fäden in einem spitzen Winkel. Das macht den Reifen zwar fest, aber auch hart. Dieser Typ wird heute nur noch bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Motorrädern eingesetzt. Pkws fahren derzeit auf Radialreifen. Wie der Name schon sagt, verlaufen die Textilfäden dort radial von der Achse aus entlang der Seitenwand und queren die Lauffläche beinahe in einem 90-Grad-Winkel. Den Gürtelreifen verstärkt ein zusätzlicher steifer Ring aus Textilfasern oder Stahlseilen.

WUSSTEN SIE SCHON?

Die Profiltiefe eines Sommerreifens darf nicht weniger als 1,6 Millimeter betragen. Experten vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat empfehlen aber, Sommerreifen schon bei weniger als 2,5 Millimetern, Winterreifen bei weniger als 4 Millimetern auszutauschen. Besonders bei starkem Regen sind abgefahrene Reifen gefährlich, denn das Wasser kann durch die zu engen Rillen nicht mehr abgeleitet werden und das Fahrzeug verliert den Bodenkontakt (Aquaplaning).
Die Lauffläche unterteilt ein Profil aus längs und quer verlaufenden Rillen in blockartige Bereiche. Wasser auf der Straße kann so seitlich abfließen. Einschnitte in den Profilblöcken, die Lamellen, vermitteln zusätzliche Reibung und damit Haftung. Allerdings erhöht eine solche Struktur auch das Abrollgeräusch. Ab einer Geschwindigkeit von sechzig Kilometer pro Stunde hört man sogar hauptsächlich den Reifen, nicht den Motor. Die Europäische Union fordert deshalb ab 2007 auch diesen Anteil am Fahrzeuglärm zu reduzieren. Dazu schneiden die Ingenieure Profilblöcke schräg, sodass ihre Einlaufkanten nicht auf einmal die Straße berühren, sondern abrollen wie ein guter Laufschuh. Neben dem Reifengeräusch senkt das den Rollwiderstand, spart also Treibstoff.

Der Bremsweg hängt auch von den Reifen ab | Sinkt die Temperatur unter plus sieben Grad Celsius, empfehlen Experten Winterreifen. Nicht nur verdrängt ihr Profil Matsch und Schnee besser, die Gummimischung eines Sommerreifens wird auch zu hart, was den Bremsweg verlängert und die Seitenführung verschlechtert. Ein höherer Anteil Naturkautschuk hält Winterreifen bei Minusgraden elastisch.
Lärm entsteht auch bei höheren Geschwindigkeiten, wenn die Luft beim Straßenkontakt zwischen den Profilblöcken zusammengepresst wird und pfeifend entweicht. Dafür gibt es derzeit noch keine überzeugende Lösung. Zu den großen Themen der Reifenentwickler gehört auch die Verkehrssicherheit. Sensoren messen zum Beispiel den Schlupf der Reifen für das Antiblockiersystem (ABS): Verliert ein Rad beim Bremsen die Bodenhaftung, dreht es durch, die Steuerelektronik löst die Bremse, bis der Kontakt zur Straße wieder hergestellt ist. Künftig sollen Sensoren dazukommen, die direkt die am Reifen auftretenden Kräfte messen können, woraus der Bordcomputer eventuell notwendige automatische Abbremsmanöver errechnen kann.

WUSSTEN SIE SCHON?

Den Luftreifen erfand der englische Ingenieur Robert William Thompson schon 1845, um Kutschen sanfter über holprige Wege rollen zu lassen. Doch seine Prototypen hielten der Belastung nicht stand, Vollgummireifen waren haltbarer. Der Tierarzt John Boyd Dunlop kam 1888 erneut auf die Luftfederung, um das Dreirad seines Sohnes zu verbessern. Er klebte einen dünnen Gummischlauch auf eine Holzscheibe, schützte das Ganze mit einem Streifen Segeltuch und pumpte den Schlauch auf. Als er dieses erste luftgefederte Rad und das Original-Vollgummirad miteinander verglich, kam Ersteres fast doppelt so weit. Thompsons Patent war mittlerweile abgelaufen, sodass Dunlop die Erfindung wirtschaftlich nutzen konnte.
Laut einer Studie des ADAC fährt mehr als ein Drittel aller Fahrzeuge mit zu geringem Reifendruck. Die Gefahr: Der Gummimantel erhitzt sich zu stark und löst sich im schlimmsten Fall ab. Weil mit starkem Druckverlust erhöhter Schlupf einhergeht, entwickelten Dunlop und Bridgestone eine Software, die Informationen der ABS-Sensoren unter diesem Aspekt auswertet. Siemens VDO und Goodyear wollen sogar einen Drucksensor im Reifen einbetten, der über einen wenige Quadratmillimeter großen Sender (Transponder) Daten zu Druck und Temperatur an den Bordcomputer übermittelt. Anhand von Radumfang und Drehzahl bestimmt dieser die schon zurückgelegten Kilometer und errechnet bei Druckverlust die noch tolerierbare Strecke.

Reifen mit "Notlaufeigenschaften" halten bei gedrosseltem Tempo auch ohne Luft noch 50 bis 150 Kilometer, etwa indem verstärkende Streifen die Seitenwand stützen. Allerdings sind solche Reifen härter und haben einen höheren Rollwiderstand. Diesen Nachteil umgeht das PAX-System von Michelin: Ein Innenring aus Gummi stützt bei einer Panne die Lauffläche; allerdings benötigt dieses System eine spezielle Felge. Das Tochterunternehmen Kleber entwickelt sogar einen selbstheilenden Reifen: Bis 4,7 Millimeter große Löcher in der Lauffläche dichtet eine hochelastische Schicht aus Polymeren ab.



"Wissenschaft im Alltag" ist eine regelmäßige Rubrik in Spektrum der Wissenschaft. Eine Sammlung besonders schöner Artikel dieser Rubrik ist soeben als Dossier erschienen.

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