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News: Einen Gang zurückgeschaltet

Wie auf einem riesigen Förderband bewegen sich in den Meeren Wassermassen aus den tropischen Regionen in die höheren Breiten, sinken dort ab und fließen in der Tiefe wieder zurück. Dieser Kreislauf bringt Wärme in die kühleren Bereiche, und ertragreiche Gewässer für die Küsten, wo die kalten Tiefenströmungen wieder an die Oberfläche dringen. Jetzt vermuten Wissenschaftler allerdings, daß eine von zwei Strömungen vor der Antarktis im letzten Jahrhundert dramatisch langsamer geworden ist. Eine derartig umfassende Veränderung in den Meeresströmungen erschwert es wesentlich, die Rolle der Weltmeere für das Klima richtig einzuschätzen.
Der Strom von Oberflächenwasser in die Tiefsee kann nicht direkt verfolgt werden. Wissenschaftler verwenden stattdessen leicht zu messende und unveränderliche Indikatoren, die vom Oberflächenwasser aufgenommen werden, bevor es dichter wird und in die Tiefe sinkt. Zu diesen Indikatoren zählt zum Beispiel die Konzentration an Phosphat und Sauerstoff, die sich beim Absinken der Wassermassen nicht verändern sollte.

Wallace Broecker und seine Kollegen vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University in Palisades, New York, untersuchten anhand dieses Parameters die Strömungsverhältnisse und den Wasseraustausch vor der Antarktis. Ihren Meßwerten zufolge ist die Absinkgeschwindigkeit des dortigen Oberflächenwassers innerhalb der letzten hundert oder zweihundert Jahre auf ein Drittel gesunken (Science vom 11.1999). "Die Vorstellung, daß sich die Tiefenwasserzirkulation so stark verändert hat, ist erschreckend", meint Broecker. Er sieht eine Verbindung der momentanen Verlangsamung zu den viel tiefgreifenderen Veränderungen in den Meeresströmungen während einer Kälteperiode vor 11 000 Jahren. Aus Atlantiksedimenten läßt sich ablesen, daß auch damals die Bildung von Tiefenwasser langsamer ablief und zeitweise sogar ganz aussetzte. Da normalerweise aus den südlicheren Regionen warmes Wasser nachfließt, um das abgesunkene Oberflächenwasser zu ersetzen, führte die Störung damals zu einer Abkühlung der nördlichen Regionen. In der Zwischenzeit sank dafür das Wasser im Süden schneller, und diese Gebiete erwärmten sich stärker.

Etwas ganz ähnliches könnte auch der Grund für die 500 Jahre andauernde sogenannte "Kleine Eiszeit" gewesen sein, die um 1880 endete, meint Broecker. Seitdem hätte sich die Geschwindigkeit der Tiefenwasserbildung im Süden verringert. Und da einige Wissenschaftler davon ausgehen, daß auch die kleine Eiszeit nur die letzte Schwankung in einem 1500jährigen Klimazyklus ist, lauern womöglich noch einige Veränderungen im Verborgenen.

Falls dem wirklich so ist, wird die Abgrenzung der anthropogen bedingten Klimaschwankungen von den natürlichen noch schwieriger werden. Die Weltmeere werden vielleicht nur noch geringere Mengen an Treibhausgasen aufnehmen und sie in der Tiefe speichern können, wo sie keinen Schaden anrichten. Auch wird jegliche Zukunftsvorhersage noch komplizierter werden, als sie es jetzt sowieso schon ist.

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