News: Es bleibt eben doch ein Dorf
Zumindest in einer Beziehung scheint das World Wide Web sich in der gleichen Weise weiterzuentwickeln, wie manche Gesellschaften: Die Reichen werden immer reicher. Aber hier ist dies nicht ökonomisch zu verstehen. Gleich zwei Studien aus neuerer Zeit weisen darauf hin, daß der Anteil von Internetseiten, auf die von vielen Stellen her von außen verwiesen wird, viel größer ist, als es in einem zufälligen Netzwerk zu erwarten wäre - wahrscheinlich deswegen, weil Leute, die neue Seiten erstellen, dazu tendieren, auf bereits recht bekannte Sites zu verlinken. Eine Folge dieses Verhaltens ist, daß die Wege zwischen einzelnen Sites auch dann noch recht kurz bleiben, wenn das Netz exponential wächst.
Als Versuchsobjekt mußte ein Universitätsnetz herhalten: Albert-László Barabási, Physiker an der University of Notre Dame in Indiana, und seine Kollegen analysierten die Links, die von den 325 729 Seiten innerhalb ihrer Domain ("nd.edu") ausgingen oder auf sie verwiesen. Dabei fanden sie heraus, daß sie einer Verteilung folgten, die Potenzgesetz ("power law") genannt wird. Danach ist die Anzahl der Seiten mit n Verknüpfungen proportional zu 1/n2. Seiten mit zwanzig Verweisen sind also nur einviertel Mal so häufig wie solche mit zehn Links. Nach Barabási sind solche Muster typisch für sich selbstorganisierende Systeme, wie zum Beispiel neuronale Netzwerke. Da die Wissenschaftler herausfanden, daß dieses Gesetz auch von verschiedenen anderen Domains erfüllt wurde, nehmen sie an, es läßt sich auf die Gesamtheit der auf etwa 800 Millionen geschätzten Seiten im World Wide Web übertragen. Danach müßten ein paar Dutzend Seiten tausend oder mehr auf sie verweisende Links besitzen. Wenn die Verlinkung von Websites untereinander aber zufällig erfolgen würde, wären solche Sites mit wenigstens tausend Links nicht existent (Nature, Ausgabe vom 9. September 1999, Originalartikel). Mit diesen Ergebnissen steht Barabásis Gruppe nicht allein da. In der gleichen Ausgabe von Nature beschäftigt sich Bernardo Huberman vom Xerox Palo Alto Research Center in Kalifornien mit der Wachstumsdynamik des WWW und auf der WWW8-Konferenz 1999 in Toronto stellten Wissenschaftler der Cornell University und von IBM ein fast identisches Gesetz vor.
Ausgehend von der gefundenen Regelmäßigkeit leitete Barabási die durchschnittliche Anzahl von Clicks ab, um von einer Seite zu einer anderen im Netz zu gelangen. Er kam zu einem Ergebnis von 19 – wobei die Zahl auf 21 steigen würde, wenn das Netz mit einem Faktor zehn wächst. Erstaunlich, wie wir dann doch immer wieder den weitesten Weg finden, um zum Ziel zu gelangen.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 8/99, Seite 44
"Neue Pfade durch den Internet-Dschungel"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum Ticker vom 9.7.1999
"Haben die Spürhunde im Datendschungel die Fährte verloren? " - Spektrum Ticker vom 23.4.1998
"Wer suchet, der findet – jetzt auch im Internet "
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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