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News: Es fehlen die Worte

Auch wenn die Mutter sich noch gut an das entzückende Kleidchen zum zweiten Geburtstag erinnert, man selbst muss bei der Erzählung leider passen. Über der frühesten Kindheit liegt ein Nebel, den nur wenige Menschen durchdringen können. Doch die Erinnerungen sind da - es gelingt uns offenbar nur wie schon damals nicht, sie in Worte zu fassen.
Der erste Kuss, der erste Schultag, das erste Fahrrad – je weiter wir in Gedanken in die Kindheit zurückgehen, desto bruchstückhafter werden die Erinnerungen. Und was vor dem dritten Geburtstag geschah, liegt bei den meisten Menschen sowieso ganz im Dunkeln: Die so genannte frühkindliche Amnesie hat ihr Gedächtnis für diese Zeit verschleiert.

In jenem Alter stoßen Kinder allerdings auch in eine neue Welt vor: Sie lernen sprechen und damit, Eindrücke und Erfahrungen in Worte zu fassen. Schon lange vermuten Wissenschaftler, dass der Gedächtnisverlust und die sprachliche Entwicklung zusammenhängen.

Gabrielle Simcock und Harlene Hayne von der University of Otago wollten sich diese Verknüpfung einmal genauer ansehen. Also bescherten sie einigen Zwei- bis Dreijährigen ein wahrlich unvergessliches Erlebnis: Sie steckten deren Lieblingsspielzeug in eine geheimnisvoll aussehende Maschine mit zahlreichen Türen, Hebeln und Knöpfen, die nach zwei einfachen Handgriffen unter aufregendem Gebimmel, Gepfeife und Geblitze nur noch eine geschrumpfte Miniaturausgabe des hineingesteckten Teddys ausspuckte. Und ob nun sprachlos vor Entsetzen oder stammelnd vor Überraschung, beim selben Besuch mussten die Kleinen auch noch eine umfassende Kostprobe ihres bisherigen Wortschatzes zum Besten geben.

Ein Jahr später standen Simcock und Hayne wieder vor der Tür und ließen die Kinder von dem beeindruckenden Erlebnis erzählen. Zur Überraschung der Forscherinnen benutzten die Jungen und Mädchen dabei nur Begriffe, die sie damals bereits kannten – sie waren offenbar nicht in der Lage, die Erfahrung mit inzwischen neu erlernten Worten zu beschreiben, auch wenn diese inzwischen zu ihrem alltäglichen Vokabular gehörten.

Als die Kleinen die Maschine jedoch erneut vorgesetzt bekamen, erinnerten sie sich problemlos an die nötigen Handgriffe, und auch ihr damaliges Spielzeug erkannten sie auf Bildern einwandfrei wieder. Die Wissenschaftlerinnen schließen daraus, dass die Kinder ihre Erinnerungen nicht in Sprache umsetzen können, wenn sie die Worte zur Zeit des Ereignisses noch nicht erlernt hatten.

Andrew Meltzoff von der University of Washington ist fasziniert von der Idee, dass das menschliche Gehirn zunächst einen wortlosen Code verwendet, um Erinnerungen zu speichern, um dann später zu einem wortbasierten System überzugehen. Und dieser Schritt scheint endgültig: Wollen wir Gedächtnisinhalte beschreiben, die weiter zurückliegen, fehlen uns dafür offenbar schlicht die Worte.

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