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Festkörperphysik: Unkonventioneller Supraleiter in seltenem Mineral entdeckt

Eine rätselhafte Spielart eines Quantenphänomens, bei dem ein Material jedweden elektrischen Widerstand verliert, war bislang nur von künstlichen Stoffen bekannt. Nun wurde sie in einem reinen Kristall einer Verbindung gefunden, die auch in der Natur vorkommt.
Helles Licht durchströmt eine Struktur aus bläulichen geometrischen Objekten
Quantenphysikalische Mechanismen sorgen bei manchen Materialien dafür, dass Strom widerstandsfrei durch sie hindurchfließt.

Eine Forschungsgruppe um Ruslan Prozorov vom US-amerikanischen Ames National Laboratory hat im Februar 2024 zum ersten Mal in einem natürlich vorkommenden Mineral unkonventionelle Supraleitung nachgewiesen. Der Effekt ist eine Variante des Phänomens, bei dem ein Material seinen elektrischen Widerstand verliert, die sich nicht durch die herkömmliche Theorie der Supraleitung erklären lässt.

Angefangen mit Quecksilber wurden zu Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Materialien gefunden, die bei extrem tiefen Temperaturen Strom ohne Widerstand transportieren. In den 1950er Jahren entwickelten drei Forscher dafür die so genannte BCS-Theorie, laut der Elektronen mit Schwingungen des Kristallgitters wechselwirken, so ihre gegenseitige Abstoßung überwinden und reibungsfrei fließen. Später jedoch wurde eine unkonventionelle Form der Supraleitung entdeckt, die sich damit nicht beschreiben ließ. Der genaue Mechanismus hinter dem Effekt ist bis heute unklar.

Inzwischen sind tausende supraleitende Stoffe bekannt, darunter etliche, die nicht der klassischen Theorie der Supraleitung gehorchen. Meist sind die chemischen Zusammensetzungen und Kristallstrukturen kompliziert; bislang wies kein natürlich vorkommendes Material unkonventionelle Supraleitung auf. So schwer das Phänomen zu erklären ist, so künstlich schien es obendrein zu sein.

Manche der natürlich auftretenden Minerale sind durchaus auf klassische Art supraleitend, insbesondere wenn man sie als hochreine Kristalle im Labor züchtet. So zeigte künstlich hergestelltes Kupfersulfid bereits 1929 Supraleitung; in natürlichen Kristallen, die stets atomare Verunreinigungen durch andere Elemente enthalten, ließ sie sich erst 2006 messen.

Die Gruppe um Prozorov schaute sich nun das seltene Mineral Miassit näher an. Bei der Verbindung aus Rhodium und Schwefel wurde bereits in den 1950er Jahren Supraleitung nachgewiesen. Prozorovs Team kamen allerdings einige Daten zu Miassit verdächtig vor. So hält der Stoff mit der chemischen Zusammensetzung Rh17S15 unerwartet hohe Magnetfelder aus, bevor die Supraleitung zusammenbricht. Auch andere Eigenschaften passten nicht zur BCS-Theorie.

Die Forscher züchteten Miassit-Einkristalle mit einer homogenen Struktur und maßen die elektronischen Eigenschaften bei verschiedenen Temperaturen. Und tatsächlich: Die Ergebnisse lassen sich nur erklären, wenn es in der Verbindung zu unkonventioneller Supraleitung kommt. Die Autoren rechnen wegen der zahlreichen Kristalldefekte bei Miassit in freier Wildbahn nicht damit, dass sich das Phänomen dort offenbart: »Die Natur weiß ihre Geheimnisse zu wahren«, schreiben sie in ihrer Veröffentlichung. Dennoch könnte die Entdeckung dabei helfen, die quantenphysikalischen Hintergründe der unkonventionellen Supraleitung aufzudecken, indem sie dem Katalog einen kuriosen Eintrag hinzufügt – einen, den selbst im an Überraschungen reichen Feld der Supraleitung niemand erwartet hat.

  • Quellen

Communications Materials 10.1038/s43246–024–00456-w, 2024

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