News: Fünf plus zwei ist gleich gelb
Der traditionsreichen Geschichte zum Trotz weiß die moderne Neurobiologie nur sehr wenig über diese Eigenschaft. Sie kann bisher nicht einmal Galtons Aussage präzisieren: Die Angaben über die Häufigkeit der Synästhesie reichen von einem Fall unter 25 000 Menschen bis zu 0,2 Prozent der Bevölkerung. Genauere Daten sind auch deshalb schwierig zu gewinnen, weil die Betroffenen sich der Tatsache häufig nicht bewusst sind und erstaunt den ebenso überraschten Forscher fragen: "Sieht denn nicht jeder die Zahlen farbig?"
Auch die Vielfalt der auftretenden Verknüpfungen und der Umstand, dass jeder Synästhetiker über seine individuelle Kombination verfügt, erschwert die Arbeit. Gemeinsam ist ihnen allen, dass die gekoppelten Eindrücke sich nicht unterdrücken lassen, in die Umgebung projiziert werden, sodass die Person Töne wirklich "hört" oder Farben tatsächlich "sieht", was zugleich mit Emotionen verbunden ist. Zweizusammen gehörende Eindrücke treten dabei immer in der gleichen Kombination auf und werden auch in der Erinnerung als Kombination gespeichert. Welche Prozesse im Gehirn ablaufen, können die Wissenschaftler jedoch nicht beantworten. Sie behelfen sich momentan noch mit der allgemeinen Vorstellung, dass die sensorischen Neuronen irgendwie miteinander "verschaltet" sind.
Für Menschen mit einer Zahl-Farben-Synästhesie bedeutet dies, dass sie schwarze Ziffern mit einem leichten Schimmer bis hin zu poppigen Farben wahrnehmen, was man als Photismus bezeichnet. Mike Dixon von der University of Waterloo in Kanada wollte herausfinden, ob die Vermischung der Wahrnehmungen bereits im Auge oder erst auf höherer Ebene stattfindet. Dazu führte er mit einer synästhetischen Probandin einen abgewandelten Stroop-Test durch. In der Originalversion liegen der Testperson Kärtchen mit den buntgedruckten Namen von Farben vor, die sie vorlesen soll. Stimmen der Text und die tatsächliche Farbe nicht überein – wenn das Wort "rot" zum Beispiel in grün gedruckt ist –, braucht der Teilnehmer länger für die Aufgabe als in den Fällen, wo beide Informationen übereinstimmen.
Dixon ließ seine Probandin Ziffern benennen, die für sie eine bestimmte Farbe hatten. Passte beides zusammen, benötigte sie lediglich zwei Drittel der Zeit für widersprüchliche Kombinationen von Zahl und Farbe. Anstelle der Ziffer präsentierte Dixon ihr in einer zweiten Versuchsreihe kleine Rechenaufgaben wie "5+2" und zeigte ihr sofort danach eine Farbtafel. Entsprach diese der Lösungszahl, konnte die Testperson den Namen der Farbe schneller sagen als Kontrollpersonen, die keine Synästhesie aufwiesen. Bei nicht zur Lösung passenden Farben brauchte sie dagegen etwa 100 Millisekunden länger als die Vergleichsgruppe (Nature vom 27. Juli 2000).
Für Dixon zeigen diese Ergebnisse, dass nicht der Sinnesreiz entscheidend ist, um einen gekoppelten Eindruck hervorzurufen, sondern schon die "Idee" reicht aus. Zumindest in einigen Fällen "sehen Synästhetiker nicht mit überkreuzten Sinnen, manchmal denken sie auch so."
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