Naturschutz: Genetische Inventur
Ein detaillierter Blick auf ein einzelnes Gen soll Wissenschaftlern helfen, schneller zu erkennen, ob das Exemplar in ihren Händen eine neue oder altbekannte Art ist. Ein handliches Analysegerät - so die Vision für die Zukunft - ist zwar noch lange nicht in Sicht, aber im Labor bewährt sich die Methode durchaus: Selbst in gut erforschten Gruppen kommt dadurch noch Neues ans Licht.
Heutzutage sterben Arten schneller aus, als sie beschrieben werden können. Kein Wunder, handelt es sich bei einer solchen Beschreibung schließlich um eine höchst aufwändige Angelegenheit: Zunächst muss das rätselhafte Individuum mit Vertretern ähnlicher Arten verglichen werden, um sicherzustellen, dass es sich nicht doch nur um eine Variation alter Bekannter handelt. Solche Vergleichsexemplare sind allerdings in den Museen weltweit verteilt und nicht unbedingt leicht zugänglich. Sind Wissenschaftler jedoch tatsächlich auf etwas Neues gestoßen, müssen sie ihren Fund bis in feinste Details beschreiben und benennen – auch nicht gerade eine Aufgabe von zwei Stunden. Was bis dahin mit den noch lebenden Verwandten des neuen Stammbaummitglieds geschehen ist, die womöglich auf ein kleines Verbreitungsgebiet beschränkt sind, weiß niemand.
Dahinter steckt, dass das Erbgut in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, sich wesentlich schneller verändert als die DNA des Zellkerns – und deshalb im Laufe der Zeit mehr und charakteristische Mutationen aufweist. Eine internationale Gruppe von Taxonomen einigte sich daher darauf, für alle ihnen habhaft werdende Spezies eine bestimmte Abfolge 648 Basenpaaren jenes Gens zu ermitteln und in einer Datenbank zur Verfügung zu stellen. Wie eine Art Barcode auf Supermarktprodukten sollte diese Sequenz die Artenzugehörigkeit offenbaren.
Aber natürlich muss sich ein solcher Schnelltest erst einmal bewähren. Also überprüften die Wissenschaftler ihren Ansatz an zahlreichen, bestens bekannten Museumsexemplaren und siehe da: Es funktioniert. Sie konnten nicht nur die Artbestimmungen bestätigen, nein – sie spürten sogar neue Arten auf beziehungsweise bestätigten schon länger gehegte Vermutungen, dass sich hinter einer Spezies wohl doch zwei versteckten.
In einem anderen Projekt schloss sich Hebert mit Wissenschaftlern der Rockefeller-Universität und dem nationalen Wildtierforschungszentrum Kanadas zusammen und analysierte das Erbgut von 260 nordamerikanischen Singvogelarten [2]. Wieder bewährte sich der Barcode: Die Variation zwischen Arten lag 18 Mal so hoch wie innerhalb verschiedener Angehöriger einer Art, eine eindeutige Zuordnung war also möglich. Und auch hier stießen sie auf vorher Zusammengewürfeltes: Vier Arten, so stellte sich heraus, müssen jeweils in zwei getrennte Spezies aufgespalten werden.
Heberts Barcode scheint daher wirklich als Werkzeug geeignet zu sein, unbekannte Funde bereits bekannten Arten schnell und sicher zuzuordnen oder die aufregende Erkenntnis zu liefern, dass es sich tatsächlich um etwas Neues handelt. Womöglich lässt sich sogar ein einfaches, für den Einsatz in Feld, Wald und Wiese geeignetes Gerät entwickeln. Schließlich warten noch viele Arten auf einen Namen – und wenn nicht erst nach Monaten oder Jahren klar ist, dass eine bestimmte Region etwas Besonderes beherbergt, kann sie, und mit ihr die Bewohner, vielleicht sogar rechtzeitig geschützt werden.
Darum wären Naturschützer und Ökologen höchst froh über eine einfache Methode, vielleicht gar eine Art Schnelltest, mit der sie ihre eingefangenen Organismen schnell und sicher überprüfen könnten – für welche Käfer, Vögel, Frösche sich der große Aufwand lohnt und vielleicht auch eine sofortige Warnung, das Fundgebiet erst einmal vor Gefahren von außen zu schützen. Und diese Methode meinen Forscher um Paul Hebert von der Universität Guelph gefunden zu haben: Ein Abschnitt des Gens für die Cytochrom-c-Oxidase I in den Mitochondrien soll so artspezifisch sein, dass es als unterscheidendes Merkmal quer durch die Lebewelt genutzt werden kann, berichteten die Wissenschaftler im Jahr 2003.
Dahinter steckt, dass das Erbgut in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, sich wesentlich schneller verändert als die DNA des Zellkerns – und deshalb im Laufe der Zeit mehr und charakteristische Mutationen aufweist. Eine internationale Gruppe von Taxonomen einigte sich daher darauf, für alle ihnen habhaft werdende Spezies eine bestimmte Abfolge 648 Basenpaaren jenes Gens zu ermitteln und in einer Datenbank zur Verfügung zu stellen. Wie eine Art Barcode auf Supermarktprodukten sollte diese Sequenz die Artenzugehörigkeit offenbaren.
Aber natürlich muss sich ein solcher Schnelltest erst einmal bewähren. Also überprüften die Wissenschaftler ihren Ansatz an zahlreichen, bestens bekannten Museumsexemplaren und siehe da: Es funktioniert. Sie konnten nicht nur die Artbestimmungen bestätigen, nein – sie spürten sogar neue Arten auf beziehungsweise bestätigten schon länger gehegte Vermutungen, dass sich hinter einer Spezies wohl doch zwei versteckten.
So hatte sich Hebert mit Kollegen vom Naturhistorischen Museum der Smithsonian Institution und der Universität von Pennsylvania nun die Schmetterlingsart Astraptes fulgerator vorgenommen [1]. 1775 erstmals beschrieben, ist dieser Dickkopffalter in den neuweltlichen Tropen weit verbreitet. Allerdings verbergen sich dahinter offensichtlich zehn verschiedene Arten, brachte der Barcode nun ans Licht – ein Ergebnis, das sich mit 25 Jahren Naturbeobachtung in Costa Rica und morphologischen Studien deckt. Denn die äußerlich und – wichtig in der Schmetterlingsbestimmung – in den Geschlechtsapparaten kaum zu unterscheidenden erwachsenen Falter kommen zwar in denselben Regionen vor, die Raupen jedoch sind ihrerseits deutlich vielfältiger im Aussehen und nutzen verschiedliche Futterpflanzen. Die Artbeschreibung anhand der ausgewachsenen Tiere führte hier also Jahrhunderte lang in die Irre.
In einem anderen Projekt schloss sich Hebert mit Wissenschaftlern der Rockefeller-Universität und dem nationalen Wildtierforschungszentrum Kanadas zusammen und analysierte das Erbgut von 260 nordamerikanischen Singvogelarten [2]. Wieder bewährte sich der Barcode: Die Variation zwischen Arten lag 18 Mal so hoch wie innerhalb verschiedener Angehöriger einer Art, eine eindeutige Zuordnung war also möglich. Und auch hier stießen sie auf vorher Zusammengewürfeltes: Vier Arten, so stellte sich heraus, müssen jeweils in zwei getrennte Spezies aufgespalten werden.
Heberts Barcode scheint daher wirklich als Werkzeug geeignet zu sein, unbekannte Funde bereits bekannten Arten schnell und sicher zuzuordnen oder die aufregende Erkenntnis zu liefern, dass es sich tatsächlich um etwas Neues handelt. Womöglich lässt sich sogar ein einfaches, für den Einsatz in Feld, Wald und Wiese geeignetes Gerät entwickeln. Schließlich warten noch viele Arten auf einen Namen – und wenn nicht erst nach Monaten oder Jahren klar ist, dass eine bestimmte Region etwas Besonderes beherbergt, kann sie, und mit ihr die Bewohner, vielleicht sogar rechtzeitig geschützt werden.
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