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Geotektonik: Warum sich der Südosten Grönlands so schnell hebt

Grönland wächst aus dem Meer. Doch Gletscherschmelze erklärt nur einen Teil des Aufstiegs. Ein zweiter Grund liegt in der Vergangenheit der Insel.
Blick auf einen grönländischen Fjord mit steilen Felswänden: Prins Christian Sund, Südgrönland
Wenn das Eis geht, kommt der Fels: Isostatischer Ausgleich nennt sich das Phänomen, wenn eisfreies Land aufsteigt.

Der Südosten Grönlands hebt sich rasend schnell. Mit 12 bis 15 Millimetern pro Jahr steigt die Region deutlich schneller an als andere Teile der Insel – und vor allem schneller, als gegenwärtige Modelle erlauben würden. Maaike Weerdesteijn und Clint Conrad von der Universität Oslo legen eine Studie vor, die als Ursache der Anomalie auf die geotektonische Vergangenheit Grönlands und die Viskosität des Erdmantels verweist. Einerseits hebt sich die ganze Insel, weil die Gletscher, die etwa 80 Prozent der Insel bedecken, rapide dahinschmelzen. Das verursacht einen besonderen Effekt: Grönland hebt sich langsam aus dem Atlantik, weil weniger Gewicht auf dem Land lastet – ein isostatischer Aufstieg genannter Prozess, der seit dem Ende der letzten Eiszeit beispielsweise auch in Skandinavien abläuft. Andererseits konnte der Vorgang bisher die hohen Hebungsraten im Südosten nur teilweise erklären. Nun zeigt sich, dass der fehlende Faktor tief in der Erde und in der fernen Vergangenheit zu finden ist.

Im Verlauf der Erdgeschichte bewegte sich Grönland durch die Plattentektonik über einen heißen Mantelplume, über dem heute Island liegt, was dort beispielsweise für den aktiven Vulkanismus sorgt. Vor 40 Millionen Jahren lag Grönland in diesem Bereich. Die Hitze dieser Magmablase hat laut Weerdesteijn und Conrad dafür gesorgt, dass das Gestein unter Südostgrönland teilweise aufgeschmolzen und geschwächt wurde: Der Bereich liegt Island heute am nächsten und war daher am stärksten im Einflussbereich des Plumes.

Berechnungen des Teams zeigen, dass die Hebung der Inselteile, die sich über den Plume bewegten, deutlich schneller verläuft als in unbeeinflussten Bereichen. Ein Aufstieg der Landmassen, der sich normalerweise über Tausende von Jahren hinziehen würde, findet stattdessen in nur wenigen Jahrhunderten oder Jahrzehnten statt – dank des geschwächten Gesteins im unteren Bereich der Erdkruste.

Ein sehr schneller Aufstieg Südostgrönlands fand wahrscheinlich schon vor etwa 10 000 Jahren nach dem Ende der letzten Eiszeit statt. Als die großen Eisschilde der Nordhalbkugel verschwanden, bewegte sich Grönland ebenfalls nach oben – auch mit den höchsten Geschwindigkeiten im Südosten. Die Hebung vollzog sich damals sogar doppelt so schnell, so dass heute eine potenzielle Beschleunigung möglich ist, schreiben die beiden Wissenschaftler, etwa wenn die Gletscherschmelze durch den Klimawandel noch weiter zunimmt.

  • Quellen
Communications Earth & Environment 10.1038/s43247–024–01968–6, 2024

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