News: Gepanzerter Gigant der Kreidezeit
Derartige Unterfangen gestalten sich oftmals schwierig, denn fehlende Skelettteile hinterlassen mehr oder weniger große Lücken im Gesamtbild. Auch bei dem krokodilähnlichen Vertreter Sarcosuchus standen die Forscher vor diesem unlösbaren Problem: Die seit dem Jahre 1964 in der Ténéré-Wüste in Niger isoliert aufgefundenen Knochen gaben ihnen lange Zeit Rätsel auf.
Doch nun gelang es Paul Sereno und seine Kollegen von der University of Chicago die in Flussablagerungen – gut 150 Kilometer von der Küste des heutigen Niger entfernt – entdeckten Schädel- und Knochengerüst-Bruchstücke zu einem relativ lückenlosen Skelett des afrikanischen Kreidezeit-Reptils zusammenzufügen. Und dessen versteinerte Überreste haben es in sich, denn sie gewähren einen detaillierten Einblick in seine Anatomie sowie Lebensweise und die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Krokodil-Urahnen.
Demnach handelt es sich bei dem vor etwa 110 Millionen Jahren lebenden Reptil namens Sarcosuchus imperator um eine Art "Superkrokodil": Mit einer geschätzten Gesamtlänge von nahezu elf bis zwölf Metern erreicht es ähnliche Ausmaße wie ein Bus, und sein Gewicht von acht Tonnen ist dem eines kleinen Wales vergleichbar. Vom Kopf bis zur Schwanzmitte bedeckte eine starke Panzerung seinen Körper, wobei die in der Haut verankerten Knochenplatten einander dachziegelartig überlappten. Ähnlich dem Querschnitt durch einen Baumstamm weisen diese Platten Wachstumsringe auf, die das ungefähre Alter des Giganten verraten. Demnach benötigte das Tier 50 bis 60 Jahre, um seine volle Große zu entfalten – und lebte somit überraschend lange.
Auch der Schädel des Riesenreptils enthüllt Interessantes: Seine Schnauze nahm über Dreiviertel der Kopflänge ein und war damit wesentlich breiter als das Maul des modernen indischen Krokodils Gharial (Gavialis gangeticus) und anderer Urzeit-Kriechtiere wie Pholidosaurus und Terminonaris. Während seine beiden meeresbewohnenden Vettern sich auf Fische als Nahrung spezialisiert hatten, deuten der erhebliche Überbiss und die kräftigen, weich abgerundeten Zähnen von Sarcosuchus auf andere Essgewohnheiten hin. Möglicherweise ergänzten seinen Speiseplan auch Fleischmahlzeiten in Form kleiner Dinosaurier.
Rätselhaft ist jedoch noch die Bedeutung der so genannten Bulla – einem knollenförmigen Knochenwuchs, der das äußere Ende der Schnauze zierte und mit zunehmendem Alter offenbar an Größe gewann. Da sowohl männliche als auch weibliche Tiere über ein derartiges Gebilde verfügen, spielt es höchstwahrscheinlich keine Rolle beim Fortpflanzungsverhalten, spekuliert Sereno.
Vielleicht verhalf jene Wucherung den urtümlichen Riesen, die Richtung von Duftstoffen besser zu bestimmen, denn ihr steifer Nacken ließ keinerlei Kopfbewegungen zu, wie sie für Wirbeltiere charakteristisch sind. Denkbar ist auch, dass die Bulla Lautäußerungen der Tiere verstärkte. Da Krokodile zu den "gesprächigsten" Reptilien zählen, könnte der Knochenaufsatz nach Ansicht von Sereno sowohl der Lautgebung als auch der Geruchswahrnehmung gedient haben.
Zu Lebzeiten des gepanzerten Giganten herrschten offensichtlich günstige Umweltbedingungen für die Verwandten der modernen Krokodile, denn Sarcosuchus imperator ist nur einer unter den sechs verschiedenen in Niger aufgespürten Reptilien, deren Größe von klein bis monströs variiert. Doch – wie Sereno ausführt – merzte anscheinend die Evolution jene extremen Exemplare aus und stutzte die Krokodil-Vorfahren auf ihre heutige Größe zurecht.
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