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News: Gestörte Jugend

Jeder fünfte Jugendliche leidet nach Selbstauskunft an einer psychischen Störung, die behandelt werden muß. Doch nur die Hälfte von ihnen geht in eine Beratung oder Behandlung. Viele Eltern sind sich der Probleme ihrer heranwachsenden Kinder überhaupt nicht bewußt. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Zentrums für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich, für die 1997 rund 1500 13- bis 20-Jährige befragt wurden.
Bei der groß angelegten, repräsentativen Befragung im Kanton Zürich interessierten sich die Forschenden für die psychischen Probleme und Verhaltensauffälligkeiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Eine ähnliche Umfrage hatte das Forschungsteam bereits 1994 durchgeführt, eine weitere ist für Anfang 2000 geplant. Leiter der vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Studie war Hans-Christoph Steinhausen vom Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich.

Das Ausmaß der psychischen Störungen wurde in persönlichen Interviews mit den Jugendlichen und – getrennt davon – mit ihren Eltern sowie mittels einer Schweregrad-Skala erfasst. Von den 1997 befragten Jugendlichen litten 8 Prozent unter Angststörungen und 5 Prozent unter depressiven Störungen. 13 Prozent von allen Jugendlichen nahmen in mißbräuchlichem Maß Drogen zu sich: Alkoholmißbrauch wurde bei 3 Prozent und Alkoholabhängigkeit bei 5,5 Prozent festgestellt, 4 Prozent betrieben Mißbrauch von Haschisch und 5,7 Prozent waren davon abhängig. Andere, vor allem harte Drogen konsumierten 0,5 Prozent der Jugendlichen.

Die psychischen Probleme der Heranwachsenden werden von vielen Eltern nicht bemerkt, lautet ein Ergebnis der Studie. Denn während einer von fünf Jugendlichen nach eigener Einschätzung an einer psychischen Störung litt, stuften nur 8 Prozent der Eltern eine solche Störung als behandlungsbedürftig ein. Eine Übereinstimmung in der Wahrnehmung von psychischen Störungen gab es nur bei 5 Prozent der Jugendlichen und Eltern. Von den Eltern nicht oder kaum erkannt wurden besonders Probleme mit Drogenmißbrauch, Ängsten und Depressionen.

Beim Vergleich der 14- bis 16-Jährigen in den beiden bisherigen Befragungen fiel auf, daß der Nikotin- und Haschischkonsum in dieser Altersgruppe klar zunahm: Während 1994 rund 48 Prozent noch nie geraucht hatten, waren es 1997 nur noch 37 Prozent. Mehrere Zigaretten hatten bei der ersten Befragung 30 Prozent geraucht, bei der zweiten bereits 43 Prozent. Mehr als einmal Haschisch konsumiert hatten 1994 noch 7 Prozent, drei Jahre später waren es bei den gleichaltrigen Jugendlichen bereits 13 Prozent. In Bezug auf andere psychische Probleme und Alkoholkonsum unterschieden sich die 14- bis 16-Jährigen von 1994 nicht von ihren Altersgenossen von 1997.

Etwa die Hälfte der 1997 befragten jungen Leute und deren Eltern hatten bereits an der ersten Befragung teilgenommen. Nach Einschätzung dieser Jugendlichen nahmen in den drei Jahren sowohl ihre so genannten internalen Probleme (Depressionen, Ängste, somatische Störungen, soziale Zurückgezogenheit) als auch externalen Probleme (aggressive und dissoziale Probleme) zu, letztere vor allem bei den Mädchen. Dagegen waren die Eltern größtenteils der Ansicht, daß die psychischen Probleme bei ihren Kindern gleich geblieben oder gar zurückgegangen sind.

Ebenfalls zahlreicher geworden sind in den drei Jahren negative Lebensereignisse, welche die Jugendlichen psychisch belasteten – solche scheinen also mit dem Älterwerden zuzunehmen. Am häufigsten gaben dabei die Jugendlichen an: 70 Prozent (1994 waren es 66) schlechte Prüfungen, 43 Prozent (33) Probleme mit den Eltern, 40 Prozent (30) ungenügende Noten, 38 Prozent (26) Probleme eines Familienmitglieds und 38 Prozent (31) Streit mit einem Freund oder einer Freundin. Eine positive Veränderung war, daß sich 57 Prozent der Mädchen und Jungen verliebten – 1994 waren es noch 46 Prozent gewesen.

Nur etwa die Hälfte der jungen Menschen, die sich als psychisch gestört einstuften, ließ sich auch beraten oder behandeln. Nach Ansicht der Forschenden sind wahrscheinlich die Hemmungen bei ihnen besonders groß, sich den Eltern über ihre Probleme und Störungen mitzuteilen. Deshalb müßten die Beratungs- und Hilfsangebote intensiviert und die Information verbessert werden.

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