Mondforschung: GRAIL blickt ins Innere des Mondes
GRAIL, das "Gravity Recovery and Interior Laboratory" (englisch: Labor zur Erkundung des Schwerefelds und des Inneren des Mondes) vermisst das Schwerefeld mit Hilfe von zwei identischen Satelliten, die im Formationsflug den Mond in einer Höhe von 55 Kilometern umrunden. Mittels Funkverbindung wird dabei der Abstand der beiden Satelliten zueinander auf wenige Mikrometer genau bestimmt, also etwa auf ein Zehntel der Breite eines Haars. Die beiden Satelliten sind auf ihrer Bahn zwischen 65 und 225 Kilometer voneinander entfernt. Überfliegt das Satellitenpaar lunare Regionen mit geringfügig stärkerer oder schwächerer Anziehungskraft, so verändert sich der relative Abstand der beiden Satelliten zueinander. Aus diesen Veränderungen und der genau bekannten Umlaufbahn der GRAIL-Sonden lässt sich das Schwerefeld des Mondes rekonstruieren.
Eine der Überraschungen aus dem neuen Datenmaterial ist, dass die Dichte der Kruste der Mondhochländer mit einem Wert von 2,55 Gramm pro Kubikzentimeter deutlich niedriger ist, als bislang angenommen. Sie lässt sich damit erklären, dass in den obersten Kilometern der Mondkruste das Gestein eine Porosität von bis zu zwölf Prozent aufweist. Dabei kann es sich um Spalten handeln, aber auch um feinste Gesteinshohlräume. Die Mondhochländer sind die dem bloßen Auge hell erscheinenden Regionen auf dem Mond. Zudem ließ sich die Dicke der Mondkruste ermitteln, sie beträgt zwischen 34 und 43 Kilometer. Sie ist damit 10 bis 20 Kilometer dünner als nach den ursprünglichen Erwartungen der Planetenforscher um Mark A. Wieczorek am Institut de Physique du Globe in Paris. Aus diesem Ergebnis lässt sich zudem ableiten, dass die chemische Gesamtzusammensetzung des Mondes derjenigen der Erde entspricht. Somit erhält die Theorie, dass der Mond aus einer heftigen Kollision der Urerde mit einem marsgroßen Impaktor in der Frühzeit des Sonnensystems hervorging, weitere Unterstützung.
Unerwartet war die Entdeckung langgestreckter Strukturen im Untergrund der Mondkruste, die nach Ansicht des Forscherteams um Jeffreys C. Andrews-Hanna an der Colorado School of Mines in Golden Gänge aus dichteren Gesteinen darstellen, die aus dem tieferen Inneren des jungen Mondes aufstiegen. Sie sind mehrere Kilometer breit und manche erstrecken sich über Längen von mehr als 500 Kilometer. Offenbar dehnte sich der Mond nach seiner Entstehung durch Aufschmelzprozesse in seinem Inneren um mehrere Kilometer aus. Die Forscher nehmen an, dass sich dabei der Radius des Erdtrabanten um 600 bis 4900 Meter vergrößerte. Dabei wurde die bereits erstarrte Kruste gedehnt und riss schließlich ein. So konnten Magmen aus größeren Tiefen in diese Gesteinsfugen eindringen und schließlich als Gänge erstarren. Sie lassen sich direkt an der Oberfläche nicht mehr erkennen, da sie durch das stetige Bombardement mit Asteroiden und Kometen im Laufe der letzten vier Milliarden Jahre immer wieder umgepflügt wurden.
Schon in der Frühzeit der Erkundung des Mondes mit Raumsonden in den 1960er Jahren war den Missionskontrolleuren bei der Bahnverfolgung ihrer Mondsatelliten aufgefallen, dass das Schwerefeld des Erdtrabanten sehr inhomogen ist. Besonders in der Nähe der großen Einschlagbecken, den Maria, zeigte sich, dass das Schwerefeld über ihnen erhöht ist und auf die Bahnen der Sonden Einfluss nahm. Diese Strukturen, die sich unterhalb der Maria befinden, wurden als "mass concentrations" oder kurz "Mascons" bezeichnet. Mit GRAIL gelang es nun, diese Mascons besonders detailliert zu erfassen. Teilweise lassen sich in manchen Einschlagbecken wie dem Mare Crisium am westlichen Rand der sichtbaren Mondscheibe sogar die Ringstrukturen des Beckens erkennen, wie das Forscherteam um Maria T. Zuber am Massachusetts Institute of Technology feststellte. Es zeigte sich, dass rund 98 Prozent der von GRAIL gemessenen Schweresignaturen mit der Topografie des Erdtrabanten zusammenhängen und das Relief der zerkraterten und stark zerbrochenen Mondkruste widerspiegeln.
Derzeit befinden sich die beiden GRAIL-Satelliten in einer zweiten Missionsphase und umrunden den Erdtrabanten seit Mai 2012 in einer Höhe von nur 23 Kilometern. Am 6. Dezember wurde die Umlaufhöhe auf nur noch elf Kilometer gesenkt. Noch im Lauf dieses Monats sollen die beiden Satelliten gezielt zum Absturz gebracht werden, nachdem sie ihre Aufgabe mehr als erfüllt haben. Die Messdaten aus der zweiten Missionsphase sind noch nicht ausgewertet, sie werden aber das lunare Schwerefeld in noch höherer räumlicher Auflösung widerspiegeln.
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