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News: Gründliche Fragen

Neue Insel, neues Glück: Eine kleine Vogelschar versucht, in der frisch besiedelten Heimat auf Dauer Fuß zu fassen. Neben alltäglichen Problemen muss sie auch die Schwierigkeit überwinden, nur noch einen Teil des gesamten Genpools ihrer Art zur Verfügung zu haben. Dieser Gründereffekt greift durchaus - aber nur, wenn die Lebensgemeinschaft wirklich klein genug ist.
Graurücken-Brillenvögel
Eine kleine Insel mitten im Ozean wird neu besiedelt. Natürlich wandern nicht alle Mitglieder einer Lebensgemeinschaft aus in die neue Heimat, nur einige Angehörige versuchen dort ihr Glück. Sie lassen sich nieder, und wenn alles gut geht, haben sie irgendwann einmal Nachwuchs, der – im passenden Alter – dann wiederum für die nächste Generation sorgt. Und wenn sie nicht aussterben, dann sind die ehemaligen Pioniere bald schon alteingesessene Einheimische – das gilt für alle Lebewesen gleichermaßen.

Dabei können sie ganz neue Wege einschlagen, so die Theorie des Gründereffektes nach Ernst Mayr von 1954. Denn die ausgewanderten Organismen haben nur einen Teil des Genpools ihrer Art mitgenommen – und durch dieses begrenzte Reservoir können sich Gestalt, Verhalten oder andere genetisch bestimmte Merkmale verstärkt ausprägen, die sonst in der großen Menge nur ein Randdasein führten. Ein derart plötzlicher Sprung in der genetischen Diversität könnte sogar letztendlich dazu führen, dass sich die Angehörigen der Ursprungs- und der Neugründerpopulationen nicht mehr miteinander fortpflanzen: Eine neue Art ist entstanden.

Doch findet sich die Theorie auch in der Praxis wieder? Sonya Clegg vom Imperial College of Science, Technology and Medicine und ihre Kollegen betrachteten Lebensgemeinschaften der Graurücken-Brillenvögel (Zosterops lateralis), die Mayr selbst zur Unterstützung seiner These heranzog. Für die letzten 200 Jahre gibt es genaue Aufzeichnungen, wann die Vögel vom australischen Festland aus mehrere pazifische Insel als neuen Lebensraum eroberten. Die Forscher verglichen DNA-Proben der Inselbewohner mit denen ihrer Artgenossen vom Kontinent und von anderen Kolonien, die bereits vor etwa 3000 Jahren bis sogar einigen Millionen von Jahren gegründet wurden.

Ihre Computermodelle zur Evolution erteilen dem Modell des Gründereffekts eine klare Absage. Die einzelnen Populationen zeugten keineswegs von einer Verarmung ihrer genetischen Diversität oder einer Verschiebung der Merkmale. Erst nach mehreren aufeinander folgenden Gründerereignissen erreichten die Lebensgemeinschaften in der Simulation schließlich eine ähnliche genetische Vielfalt und Differenz wie die schon lange isoliert lebenden Vorbilder. Demnach wirkten sich nicht ein einzelnes Ereignis – die Gründung – prägend auf die genetische Ausstattung der jeweiligen Populationen aus, sondern im Laufe der Jahre sammeln sich langsam kleine Veränderungen oder die Auswirkungen mehrerer solcher Gründereffekte an.

Ist der Gründereffekt also nur reine Theorie? Wohl nicht, denn es gab einen Ausreißer: die Population auf der Norfolk-Insel. Hier nämlich zeigte sich, dass sich die einmalige Abspaltung von der Ursprungspopulation im Genpool der Auswanderer widerspiegelte. Die Antwort auf die Frage, wie es dazu kam, erklärt gleichzeitig, warum der Effekt auf den anderen Inseln wohl nicht so bedeutend war: Die Zahl der Vögel, die auf der Norfolk-Insel eine neue Heimat fanden, war deutlich kleiner als die der Auswanderer zuvor. Den Simulationen zufolge handelte es sich sonst um mindestens hundert Tiere, und ein so großer Schwarm Pioniere kann dann natürlich einen bedeutenden Teil des Genpools mit sich tragen. Die klare Absage an den Gründereffekt relativiert sich damit – ist die Population klein genug, gibt es ihn durchaus.

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