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News: Heiß und kalt geht es rund

Moderne Zellen von heute speichern ihre Erbinformation als DNA-Stränge, die sie bei Bedarf mit Enzymen verdoppeln. Doch wie haben ursprüngliche Zellen zu Beginn des Lebens diese komplizierte Aufgabe gemeistert? Mit Wechselbädern von heiß und kalt wie in den Labors der Molekularbiologen?
Einen DNA-Faden mit der richtigen Reihenfolge genetischer "Buchstaben" zu spinnen, ist eine knifflige Angelegenheit. In heutigen Zellen ist an jedem einzelnen Syntheseschritt gleich ein ganzer Satz von Enzymen beteiligt.

Da gibt es Spezialisten, die zunächst die beiden über unzählige Wasserstoffbrücken verbundenen DNA-Stränge voneinander trennen. Normalerweise stabilisieren sich die Stränge gegenseitig, doch in diesem Zustand lassen sie sich nicht ablesen und kopieren. Also werden sie wie die Hälften eines Reißverschlusses auseinander gezogen. Sobald ein ausreichend langes DNA-Stück freiliegt, kann die so genannte Polymerase mit ihren Helfern neue Einzelbausteine anlagern – kleine, aber dennoch komplizierte Moleküle, die kurz mit den Buchstaben A, C, G und T abgekürzt werden. Allerdings muss die Polymerase sich dabei an die Reihenfolge halten, die der als Vorlage dienende DNA-Strang vorgibt. Denn an ein A passt nur ein T, an ein C nur ein G, ein G akzeptiert niemanden außer ein C, und ein T verlangt unbedingt ein A. In dieser Reihenfolge steckt die Erbinformation, die mit jedem neu synthetisierten Strang verdoppelt wird.

Was in der Zelle bei angenehmer Raumtemperatur abläuft, verlangt im Labor ein härteres Vorgehen. An der DNA-Vermehrung im Reagenzglas sind nämlich viel weniger Enzyme beteiligt, weshalb Genetiker andere Wege beschreiten müssen, um ihr Ziel zu erreichen. Schon im ersten Schritt steckt ein Problem: Wie lassen sich die beiden Stränge eines DNA-Fadens ohne Enzyme trennen?

Des Rätsels Lösung ist eine heiße Sache: Bei 95 Grad Celsius brechen die Bindungen zwischen ihnen durch die Wärmebewegungen auf, und es schwimmen Einzelstränge durch die Lösung. Nun haben extra hinzugefügte kurze DNA-Stücke mit den passenden Sequenzen eine Chance, sich an die Stränge zu lagern. Damit sie sich dort halten können, muss die Temperatur aber wieder auf etwa 62 Grad gesenkt werden.

Wenn alles geklappt hat, bleiben die DNA-Stränge im Wesentlichen weiterhin vereinzelt. Nur an einer Stelle sitzt jeweils das kurze DNA-Stückchen. Es hat die Aufgabe, der Polymerase im Reagenzglas einen Startpunkt für die Neusynthese des DNA-Stranges zu bieten. Ohne dieses Enzym würde gar nichts passieren, und damit die Polymerase ordentlich arbeiten kann, muss die Temperatur wieder angehoben werden, diesmal auf 72 Grad. Als wäre es die einfachste Sache der Welt, erstellt die Polymerase dann anhand der Vorlage einen passenden zweiten DNA-Strang.

Im Labor geht es also ständig hoch und runter mit der Wärme. Jede Verdopplung der DNA läuft über drei Temperaturstufen. Ein umständlicher Prozess, der sich glücklicherweise automatisieren lässt.

Diese Möglichkeit hatten die Vorläufer des heutigen Lebens vor mehr als drei Milliarden Jahren nicht. Dennoch standen sie vor dem gleichen Problem wie die Molekularbiologen: ohne ausgefeilten Enzymapparat ihre DNA zu vermehren (wenn sie denn schon eine DNA gehabt haben). Haben auch diese Pioniere den Trick mit verschiedenen Temperaturen genutzt? Wie sollte so etwas aussehen, ohne Heizstäbe und kühlende Wasserbäder?

Ein Team von Physikern um Dieter Braun von der Rockefeller University glaubt, die notwendigen Temperaturzyklen hätten durchaus auf kleinstem Raum stattfinden können. Wie schon andere Forscher vor ihnen denken sie dabei an heiße vulkanische Quellen auf dem Meeresgrund. Mit hohen Temperaturen tritt das Wasser aus ihnen hervor und kühlt sich recht schnell am kalten Ozeanwasser ab. Es sinkt wieder nach unten, wo es erneut aufgeheizt wird. Ein kleiner Wasserkreislauf entsteht, den man als Konvektionszelle bezeichnet. Ist so ein Kreislauf räumlich eng begrenzt, weil er beispielsweise in Spalten oder Hohlräume von Felsen eingeschlossen ist, könnte die erste Verdopplung von DNA oder ähnlichen Molekülen dort stattgefunden haben. Soweit zumindest die Theorie.

Den Bogen zur Praxis haben Braun und seine Kollegen mit einem raffinierten Experiment geschlagen. Die Funktion einer vulkanischen Quelle übernahm in ihrem Versuch ein Infrarot-Laser. Damit erhitzten sie das Zentrum einer Lösung von DNA, Polymerase und DNA-Bausteinen, die sich in einer Kammer mit etwa einem Zentimeter Kantenlänge befanden. Von außen wurde diese konstant bei kühlen 52 Grad Celsius gehalten. Wie erhofft, setzte ein Konvektionsstrom ein, der die Moleküle zyklisch durch verschiedene Temperaturzonen führte. Und tatsächlich: Die Synthese der DNA lief über mehrere Minuten hinweg mit einer exponentiell ansteigenden Geschwindigkeit.

Es könnte also etwas dran sein an der Theorie vom Leben aus den kleinen Hohlräumen neben heißen Quellen. Allerdings haben auch Braun und sein Team bei der DNA-Verdopplung auf die Mitarbeit der Polymerase zurückgreifen müssen. Und derartig komplexe Enzyme hat es zu Anbeginn des Lebens sicherlich nicht gegeben. Aber vielleicht ist dieses Problem ja auch schon bald gelöst. Denn irgendwie muss ja alles in grauer Vorzeit einmal angefangen haben.

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