Sternentwicklung: Heller Beteigeuze weckt Hoffnungen auf ein Supernova-Spektakel
Selbst wenn Sie seinen Namen nicht kennen, ist der Rote Überriese Beteigeuze einer der bekanntesten Anblicke am Himmel – ein rötlich schimmernder Punkt an der Schulter des Sternbilds Orion. Doch obwohl er ohnehin schon kaum zu übersehen ist, ist Beteigeuze in den vergangenen Jahren noch auffälliger geworden – durch rätselhafte Helligkeitsschwankungen. Zuletzt leuchtete der Stern zeitweise um mehr als 50 Prozent heller als normal und erregte damit die Aufmerksamkeit von Amateur-Sternguckern und Berufsastronomen gleichermaßen. Steht etwa ein historisches Himmelsereignis bevor? Tatsache ist, dass Beteigeuze eines Tages in einer Supernova explosionsartig sein Ende finden wird. Von unserem nur 650 Lichtjahre entfernten Planeten aus hätten wir darauf eine hervorragende Sicht.
Hat Beteigeuze also seinen Zenit überschritten? Und wie würde eine solch nahe Supernova aussehen?
Auch wenn sich die Astronomen dies sehnlichst wünschen, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass jemand, der heute lebt, die Explosion von Beteigeuze miterleben wird. Auf Grund der Helligkeit, der Farbe, der Größe und des geschätzten Alters des Sterns gehen Fachleute davon aus, dass sich Beteigeuze noch in einem frühen Stadium des Heliumbrennens befindet. Dabei fusioniert Helium zu Kohlenstoff. Erst wenn der weiter zu Sauerstoff, dann zu Silizium und schließlich zu Eisen verschmolzen ist, erreicht Beteigeuze sein Lebensende. An diesem Punkt wird der Kern nicht mehr in der Lage sein, Energie aus weiteren Fusionsreaktionen zu gewinnen, was schließlich dazu führt, dass der Stern unter seinem eigenen Gewicht kollabiert und sich selbst in die Luft sprengt.
»Wir wissen, dass Beteigeuze bald explodieren wird, aber ›bald‹ ist irgendwann innerhalb der nächsten 10 000 bis 100 000 Jahre«, sagt Jared Goldberg, Astrophysiker am Flatiron Institute in New York City. »Ich werde meine Karriere sicher nicht darauf verwetten, dass Beteigeuze jetzt explodiert ...«
Wenn es jedoch so weit ist, wird es spektakulär. Die Vorboten einer Supernova sind subtil, aber unverkennbar – eine Flut geisterhafter Neutrinos, die während des Sternkollaps ausgestoßen werden und Detektoren rund um den Globus zum Leuchten bringen. Kurz darauf, wenn hochenergetische Photonen aus der dichten, sich ausdehnenden Wolke von Sterntrümmern hervorbrechen, beginnt das eigentliche Feuerwerk. »Dann würde Beteigeuze wirklich hell werden – 10 000- bis 100 000-mal heller als normalerweise – und das auf einer Zeitskala von nur einer Woche«, sagt Goldberg. Je nachdem, wie stark die Explosion ausfällt, könnte der Supernova-Überrest vielleicht ein Viertel oder die Hälfte der Helligkeit des Vollmonds erreichen und sich zu einem einzigen Lichtpunkt verdichten – ausreichend hell, um tagsüber sichtbar zu sein.
Beteigeuze ist weit genug entfernt
Das Spektakel würde so lange anhalten, dass es wirklich jeder sehen könnte. »Nach einer solchen Explosion bleibt es lange hell – zumindest lang genug, um die Nachricht zu verbreiten, kurz jedoch für ein Menschenleben und unendlich kurz für die Lebensdauer eines Sterns«, sagt Goldberg. Für die Astronomen wären die Explosion und ihre Folgen ein herausragendes Ereignis. Eins, das eine einzigartige Gelegenheit für Beobachtungen aus nächster Nähe böte und mit Sicherheit eine Fülle überraschender Entdeckungen bereithielte.
Zum Glück ist Beteigeuze weit genug entfernt, so dass wir Menschen von der Explosion selbst nicht betroffen wären. Aber ein Blick zurück in die Geschichte von Supernovae-Beobachtungen macht deutlich, dass das Ereignis dennoch Folgen hätte. »Weil der Himmel sich kurzzeitig dramatisch verändern würde und es für jedermann sichtbar ist, wäre wahrscheinlich die ganze Welt in heller Aufregung«, sagt Bryan Penprase, Astronom an der Soka University of America.
Die Sterngucker von einst neigten dazu, Supernovae als schlechte Omen zu betrachten, sagt Penprase. Im heutigen Klima der Fehlinformation und Wissenschaftsleugnung könnte der Untergang von Beteigeuze einige besorgte Reaktionen hervorrufen. »In unserer Zeit, in der die Menschen bereits aus anderen Gründen verunsichert sind, würde eine solche Sternexplosion definitiv eine Menge amüsanter, interessanter und vielleicht sogar alarmierender Spekulationen von verschiedenen Teilen der Bevölkerung auslösen«, sagt er.
Beteigeuzes derzeitiges Verhalten müsse jedoch nicht der Vorbote eines großen Knalls sein, um faszinierend zu sein, argumentiert Jared Goldberg. Sein seltsames Schwanken zwischen Verdunkelung und Aufflackern »ist immer noch ein Beweis für eine wirklich coole Physik da draußen«, sagt er. »Die Tatsache, dass Sterne auf menschlichen Zeitskalen pulsieren, ist sehr beeindruckend.«
Astronomen wissen seit Langem, dass Beteigeuze in regelmäßigen Abständen aufleuchtet und wieder verblasst – Aufzeichnungen der australischen Ureinwohner und der alten Griechen deuten darauf hin, dass dieser Zyklus verschiedenen Kulturen auf dem Planeten schon vor Jahrtausenden bekannt war. In der Neuzeit lagen dazwischen in aller Regel etwa 400 Tage. Aber im Moment pulsiert die Helligkeit des Sterns viel schneller – etwa in der Größenordnung von 130 Tagen, sagt Andrea Dupree, eine Astrophysikerin am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, die den Stern beobachtet.
»Wir hoffen, dass Beteigeuze irgendwann wieder zu seinem 400-Tage-Rhythmus zurückkehren wird, aber im Moment hat er damit zu kämpfen«Andrea Dupree, Astrophysikerin
Die derzeitige Dynamik von Beteigeuze scheint mit dem so genannten »Great Dimming« Ende 2019 und Anfang 2020 zusammenzuhängen, das die Forscher darauf zurückführten, dass der Stern einen massiven Gas- und Staubklumpen ausgestoßen hat. »Stellen Sie sich vor, dort klafft ein großes Loch. Dann wird alles andere hineingesogen und schwappt herum«, sagt Dupree. Der daraus resultierende Strudel aus turbulentem Plasma und verwirbelten Magnetfeldern könnte erklären, warum der Stern derzeit viel heller ist, als es der 400-Tage-Zyklus vorhersagen würde.
Dupree vergleicht die außerplanmäßige Aufhellung mit einer Waschmaschine, die wegen einer Unwucht aus dem Takt geraten ist. »Ich denke, dass die oberen Schichten Probleme haben, sich wieder zu normalisieren«, sagt sie. »Wir hoffen, dass Beteigeuze irgendwann wieder zu seinem 400-Tage-Rhythmus zurückkehren wird, aber im Moment hat er damit zu kämpfen.«
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