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Doppelschlag im Indischen Ozean: Hitzewellen töteten zwei Drittel aller Korallen

Eine Studie zeigt die dramatische Folgen wärmerer Meere für Korallenriffe. Doch die Erkenntnisse aus der Studie sind nicht nur negativ: Korallen können sich überraschend gut regenerieren - wenn keine Menschen in der Nähe sind.
Die Großaufnahme einer gebleichten Koralle. Die Farben kommen von den Algen, und wenn die weg sind, scheint das bleiche Kalkskelett durch,

Zwei extreme Hitzewellen im Abstand von 12 Monaten töteten im indischen Ozean mehr als zwei Drittel aller Korallen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um Catherine Head von der Zoologischen Gesellschaft London anhand zweier Korallenzählungen in den Jahren 2015 und 2017; das Team untersuchte Steinkorallen im Chagos-Archipel, einer entlegenen Gruppe Inseln, die zu Großbritannien gehören. Bei der ersten, elf Wochen andauernden Anomalie im Frühsommer 2015 starben dort etwa 60 Prozent aller Steinkorallen ab, berichtet die Forscherin jetzt in »Coral Reefs«. Ein Jahr später traf eine weitere, sogar vier Monate währende Hitzewelle die Riffe, fast 70 Prozent der verbleibenden Korallen blichen aus, 29 Prozent starben. Die von Steinkorallen bedeckte Fläche sank von 30 Prozent im Jahr 2014 auf nur noch zehn Prozent nach den Ereignissen, während Algen sich ausbreiteten.

Korallenriffe sind in tropischen Gewässern am stärksten verbreitet, aber recht hitzeempfindlich. Steigt die Wassertemperatur für längere Zeit über einen Schwellenwert, stoßen die Korallen ihre einzelligen Algen aus, mit denen sie in Symbiose leben. Diese Partner versorgen sie nicht nur mit Nährstoffen, sondern geben ihnen auch ihre Farbe, so dass die Koralle ohne Algen buchstäblich kalkweiß wird – man bezeichnet den Vorgang als Korallenbleiche, und er endet oft tödlich. Seit dem 20. Jahrhundert kommen marine Hitzewellen, bei denen ungewöhnlich warmes Wasser in eine Region strömt, immer häufiger vor, und damit auch Korallenbleichen. Durch diesen Zusammenhang droht der Klimawandel, schon in den nächsten Jahrzehnten den größten Teil der tropischen Korallenriffe unwiederbringlich zu zerstören.

Bisher nur teilweise geklärt ist allerdings, welche Faktoren bestimmen, wie stark die Hitze Riffe beschädigt und wie schnell sich das Ökosystem wieder erholt. Die Daten der Arbeitsgruppe zeichnen ein sehr komplexes Bild, in dem lokale Faktoren großen Einfluss auf den Verlauf einer Korallenbleiche zu haben scheinen. Wie die Gruppe um Head feststellte, tötete die zweite Hitzewelle viel weniger Korallen, obwohl sie intensiver war und deutlich länger. Eine mögliche Erklärung dafür sei, dass bereits die erste Hitzewelle die meisten hitzeempfindlichen Korallen tötete, so das Team. Dagegen spreche aber wiederum, dass der Anteil der ausgebleichten Korallen in beiden Zeiträumen gleich hoch war, was für eine ähnliche Empfindlichkeit spreche.

Am härtesten erwischte es die Acroporen, eine oft die Riffe dominierende, sehr artenreiche Korallengattung: von ihnen gingen fast 90 Prozent zu Grunde, profitieren konnte davon – neben den nun dort wachsenden Algen – die Gattung Porites, deren Verluste geringer waren und die nun die größte Fläche in den stark betroffenen Riffen bedeckt. Trotz der gravierenden Verluste bringt die Studie deswegen auch keineswegs nur negative Erkenntnisse – schon vor 2015 hatte sich das Ökosystem nach der letzten schweren Korallenbleiche binnen zehn Jahren wieder erholt, und nach der doppelten Hitzewelle zeigte es wieder erste Anzeichen von Regeneration.

Abgelegene und von Menschen unbeeinflusste Riffe wie die des Chagos-Archipel erweisen sich gegen den Einfluss des Klimawandels als überraschend widerstandsfähig. Gleichzeitig berichtet eine Gruppe von Fachleuten in »Marine Ecology Progress Series« von zunehmender Korallenvielfalt in den kühleren Subtropen als Reaktion auf die Riffmisere in den tropischen Meeren: Auch Riffe können polwärts wandern. Fraglich ist allerdings, wie die Zukunft der Riffe an den von Menschen stark veränderten und verschmutzten Küsten der Kontinente aussieht – zumal die Zeiträume zwischen den Hitzewellen in Zeiten des Klimawandels ebenfalls kürzer werden.

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