»Dünen«: Hobbyfotografen entdecken neue Form des Polarlichts
Zusammen mit einer Arbeitsgruppe von der Universität Helsinki haben finnische Hobbyfotografen eine bisher noch nicht beschriebene Erscheinungsform des Nordlichts aufgespürt. Wie sie in einer gemeinsamen Veröffentlichung in »AGU Advances« berichten, erzeugen Wellenzüge in etwa 100 Kilometer Höhe einen grün gestreiften Schleier über dem Himmel, den sie als »Dünen« bezeichnen. Das Leuchten stamme vermutlich von angeregten Sauerstoffatomen, schreibt die Arbeitsgruppe um die Atmosphärenphysikerin Minna Palmroth, während das charakteristische Streifenmuster gleichsam der »Fingerabdruck« einer atmosphärischen Schwerewelle sei.
Dass neue Formen des Polarlichts entdeckt werden, passiert nicht jeden Tag. Aber die Chancen sind derzeit so hoch wie selten zuvor. Je mehr Menschen das Phänomen mit immer besseren Techniken beobachten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch exotische Formen im Detail erkennbar werden. Erst 2017 gelang es Fachleuten mit Hilfe von Fotos und Satellitendaten, einen bis dahin mysteriösen rosafarbenen Lichtbogen namens STEVE als 25 Kilometer breiten Streifen aus heißem Plasma zu identifizieren. Die »Dünen« dagegen sind, zumindest was das Leuchten angeht, ein völlig gewöhnliches Nordlicht, das aber ein sonst unsichtbares atmosphärisches Phänomen anzeigt: eine Schwerewelle, die in einem horizontalen Wellenleiter gefangen ist.
Schwerewellen entstehen die ganze Zeit in der unteren Atmosphäre: Sie sind einfach das Ergebnis der Wettermuster und anderer Einflüsse, die die Lufthülle permanent umherschwappen lassen. Diese Druckschwankungen pflanzen sich von der bewegten unteren Atmosphäre bis in große Höhen fort – und manchmal werden sie eingefangen. Das passiert, wenn sich unterhalb der Mesopause, der ultrakalten Grenzschicht zwischen der obersten Schicht der Atmosphäre und der schon zum Weltraum zählenden Thermosphäre, eine Inversionsschicht bildet.
Dadurch entsteht ein Kanal wärmerer Luft zwischen zwei kalten Schichten, der als Wellenleiter für von unten aufsteigende Schwerewellen dient. Die eigentlich vertikalen Druckschwankungen werden von ihm in die Horizontale umgeleitet – sofern sie die passende Wellenlänge von etwa 45 Kilometern haben. Das nämlich ist laut Beobachtungen des Teams um Palmroth der ungefähre Abstand zwischen zwei grünen Streifen der »Dünen«. Für die Atmosphärenphysik ist das neue Phänomen ein besonders glücklicher Fang: Nicht nur sind die Schwerewellen in dieser Höhe normalerweise unsichtbar, sondern man weiß auch sonst nur sehr wenig über die dortigen Vorgänge.
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